Was hat Sie dazu bewogen, sich für die Förderung von Demokratie einzusetzen?
Als Jugendlicher habe ich mich (damals noch ohne Stimmrecht) für die Einführung eines Zivildienstes in der Schweiz engagiert. Dafür wurde ich als Landesverräter beschimpft. Das war prägend für mein Demokratieverständnis.
Und welche Rolle spielt die Schweizer Demokratie Stiftung dabei, resp. weshalb ist sie eine Stiftung?
Um unsere Aktivitäten, die wir ab 1989 in verschiedenen Organisationen verantworteten, zu verschlanken, haben wir bewusst die effiziente Form einer steuerbefreiten Stiftung gewählt. So konnten wir den Aufbau und die Professionalisierung mit unserer Geschäftsstelle im Berner Politforum (Käfigturm) vorantreiben. Die Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen wurde gestärkt. Verschiedene Kooperationsprojekte konnten erfolgreich umgesetzt und neu lanciert werden. Als Gastgeberin der zehnten Weltkonferenz der direktdemokratischen Volksrechte in Luzern wurde die Stiftung schweizweit bekannt.
Welche Ziele verfolgt die Stiftung konkret?
Die Schweizer Demokratie Stiftung setzt sich mit den von ihr geförderten Projekten und in Kooperation mit verschiedenen Partnerorganisationen weltweit für den Schutz und die Weiterentwicklung der Demokratie ein. Dabei gilt unser besonderes Augenmerk der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern, der Toleranz gegenüber Minderheiten sowie der Völkerverständigung.
So wird ein Schwerpunkt der demokratischen Diskussionskultur und der Unterstützung junger Initiativen im Bereich der Demokratieförderung aufgebaut.
Adrian Schmid, Präsident des Stiftungsrates Schweizer Demokratie Stiftung
Weiter wendet sich der Stiftungsrat mit dem neuen Fonds Jugend + Demokratie der Schweiz und der jungen Generation zu: So wird ein Schwerpunkt der demokratischen Diskussionskultur und der Unterstützung junger Initiativen im Bereich der Demokratieförderung aufgebaut.
Wie hat sich die Stiftung seit der Gründung 2016 entwickelt?
Ein Projekt stelle ich gerne in den Vordergrund: Der «Navigator der direkten Demokratie» ist ein bislang einzigartiges Online-Instrument, das die Verfahren der modernen direkten Demokratie weltweit erfasst.
Welche Projekte waren während dieser Zeit besonders erfolgreich?
Das Global Forum on Modern Direct Democracy ist die grösste Weltkonferenz zu den partizipativen und direktdemokratischen Volksrechten. Mit der ersten Ausgabe starteten wir vor 15 Jahren in Aarau, zur elften Weltkonferenz konnten wir mit unserem Partner Democracy International (D) im März 2023 nach Mexico City einladen. In dieser Zeit beteiligten sich zehntausende Menschen in verschiedenen Organisationen sowie Projekten und schufen so ein einzigartiges Netzwerk über den gesamten Globus.
Welche spezifischen Themen stehen zurzeit im Fokus?
Weltweit beobachten wir, wie mehr oder weniger demokratische Gesellschaften fahrlässig mit den aktuellen globalen Krisen umgehen. In Zeiten neuer Kriege, Pandemie und Klimanotstand sind sie jedoch auf verantwortungsvolle Führung, auf Transparenz und auf vorurteilsfreie wissenschaftliche Beratung angewiesen. Die Menschen müssen einander vertrauen können, Behörden und Politik müssen ihre Verantwortung nicht nur wahrnehmen, sondern auch zwingend umsetzen.
Weltweit beobachten wir, wie mehr oder weniger demokratische Gesellschaften fahrlässig mit den aktuellen globalen Krisen umgehen.
Adrian Schmid
Wie bringen wir den Wettbewerb der besten Argumente wieder in Gang, ohne dass wir uns in Gräben verschanzen – oder unsere direkte Demokratie gefährden?
Gemäss dem Bericht «Global State of Democracy» von International IDEA verzeichneten Ende 2021 fast die Hälfte der 173 untersuchten Länder einen Rückgang bei mindestens einem Merkmal der Demokratie. Gleichzeitig zeigen Studien, dass Demokratie zu mehr Bildung, mehr Frieden, einer ehrgeizigeren Klimapolitik, einer höheren Lebenserwartung und weniger Korruption führt. Daran orientieren wir uns.
Wo sehen Sie weltweit die gössten Herausforderungen?
Die umfassende Verteidigung des Rechtsstaates gegen Autokraten, Kriegstreiber und Demagogen. Besorgniserregend ist dabei die Kumulation der verschiedenen Risiken. Dabei denke ich nicht nur an die gravierenden Klimaveränderungen, die Risiken der Digitalisierung im Hinblick auf die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz, den Sprengstoff, den die sozialpolitischen Einkommens- und Vermögensaufteilung beinhaltet und die Migration weltweit und primär in Nachbarländern. Wir stehen vor volkswirtschaftlichen Herausforderungen: Dazu zähle ich nicht nur die Verschuldung, wie in den USA, wo diese jedes Verhältnis sprengt, sondern auch, dass sich drei der grössten Bankenkollapse in der Geschichte in den letzten Monaten ereignet haben.
Der Rechtsstaat funktioniert, auch wenn dieser massiv strapaziert wurde und wird.
Adrian Schmid
Doch es gibt auch Positives festzuhalten: Nach dem Sturm auf das Weisse Haus 2021 in Washington sind jetzt nicht nur zwei der übelsten Rechtsradikalen zu zwölf, respektive achtzehn Jahren Gefängnis verurteilt worden, sondern auch über 1000 Teilnehmende des versuchten Staatsstreichs. Der Rechtsstaat funktioniert, auch wenn dieser massiv strapaziert wurde und wird.
Wie geht die Swiss Democracy Foundation diese Herausforderung an?
Indem wir Menschen und Organisationen zusammenbringen. Diese können sich austauschen und voneinander lernen. Am eindrücklichsten war das für mich Anfang März dieses Jahres in Mexiko-City, wo auf dem Hauptplatz Zocalo eine halbe Million Menschen gegen den geplanten Abbau der mexikanischen Wahlbehörde demonstrierten.
Ist das nicht eine Sache von David und Goliath?
Natürlich ist das Engagement für die weltweite Verteidigung und Weiterentwicklung der Demokratie, des Völkerrechts, immer wieder eine Auseinandersetzung von David gegen den oftmals übermächtig erscheinenden Goliath. Aber: Die Geschichte lehrt uns, dass der Kleine sich auch oft gegen den Grossen durchsetzen kann. Daran orientiere ich mich im Sinne von Immanuel Kant: Hab Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.