620’000 Menschen in der Schweiz sind auf Betreuung angewiesen. Nicht alle können sich diese leisten. Und der Betreuungsbedarf älterer Menschen in der Schweiz wird zunehmen: Bis 2050 wird jede und jeder Zehnte in der Schweiz über 80 Jahre alt sein. Die gute Betreuung im Alter rückt ins Zentrum der Alterspolitik, wenn wir alte Menschen wirkungsvoll begleiten wollen, heisst es in der Studie der Paul Schiller Stiftung «Kosten und Finanzierung für eine gute Betreuung im Alter in der Schweiz». Mit dem Finanzierungsmodell «Betreuungsgeld für Betreuungszeit» schlägt die Studie vor, die Finanzierung im Alter neu zu denken. Wer im Alter einer Betreuung bedarf, erhält ein Stundenkontingent und zur Finanzierung ein Betreuungsgeld – unabhängig der Wohnsituation. Zudem müsse die Qualität der Angebote garantiert und weiterentwickelt werden. «Wichtig ist, dass dabei die Zugangshürden minimal gehalten werden und die Qualität des Angebots gesichert ist», sagt Herbert
Bühl, Präsident der Paul Schiller Stiftung, zur Publikation des Berichts.
Die Kosten der Betreuung
Bei den Kosten stellt der Bericht schon heute ein Defizit fest, würde den älteren Menschen eine bedarfsgerechte gute Betreuung angeboten. Es fehlten rund 20 Millionen Betreuungsstunden. Das entspricht Kosten von 0,8 bis 1,6 Milliarden Franken. Bis 2050 geht die Studie von jährlichen zusätzlichen Kosten bis zu 4 Milliarden Franken aus. Mit der aktuellen Studie will die Paul Schiller Stiftung eine Diskussionsgrundlage für Politik und Fachwelt bieten. Denn der Handlungsbedarf ist unbestritten. «Wenn die richtige Unterstützung fehlt, laufen ältere Menschen Gefahr zu vereinsamen sowie zu verwahrlosen und ihr Gesundheit leidet. Sie müssen vermehrt notfallmässig ins Spital oder es kommt zu vermeidbaren Heimeintritten. Die Paul Schiller Stiftung liefert mit dieser Studie Lösungsansätze und zeigt auf, dass die Schweiz die gute Betreuung sehr wohl finanzieren kann», sagt Herbert Bühl. Im Bericht heisst es, um ein würdevolles Altern zu sichern, brauche es entsprechende Finanzierungsmodelle und Strukturen. Allen Menschen bräuchten den Zugang zu guter Betreuung, diese habe auch einen ökonomischen Aspekt. Denn gute Betreuung wirke präventiv, ermögliche ein möglichst langes autonomes Leben und spare damit unnötige Kosten. Deswegen beginne die Betreuung bereits bevor eine Person pflegebedürftig wird.
Die Finanzierungsmodelle
Zusätzliche Pflegeleistungen können sich heute viele nicht leisten. Denn 20 Prozent aller Paarhaushalte von Rentnerinnen und Rentner weisen ein mittleres monatliches Einkommen von 4000 Franken aus, heisst es im Bericht. Neue Instrumente aufzubauen oder das Gesundheitswesen umzubauen, erachten die Studienautorinnen und ‑autoren als kaum erfolgsversprechend. Sie setzen auf einen Umbau im Sozialwesen, nicht aber der obligatorischen Krankenversicherung. Wolle die Schweiz eine gute Betreuung in der Praxis verankern, brauche es eine Abkehr von der medizinisch orientierten Sicht. «Altern ist keine Krankheit», so Maja Nagel, Stiftungsrätin der Paul Schiller Stiftung: «Im Alter brauchen wir individuelle Unterstützung, die uns stärkt, einen selbstbestimmten Alltag und ein gesellschaftlich integriertes Leben weiterhin ermöglichen.» Der Bericht beleuchtet vier Finanzierungsmodelle, die auf bestehenden Systemen wie den Ergänzungsleistungen oder auf der Hilflosenentschädigung beruhen. Aus diesen vier Modellen entwickelt der Bericht als Diskussionsvorschlag das Synthesemodell Betreuungsgeld für Betreuungszeit.