Robert Schmucki: zVg

Let’s Talk about Inclusion

Robert Schmuki ist Gründer von IdéeSport, einer 1999 gegründeten Stiftung. Diese ist heute eine wichtige Akteurin bei offenen Sportangeboten für Kinder und Jugendliche. Bis 2021 war er Leiter Weiterbildung am Center for Philanthropy Studies (Ceps) und heute ist er Prozessbegleiter bei «Con·Sense». Im Interview spricht er über den Zuschlag an die Schweiz für die WorldWinterGames 2029 und zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK).

Die Schweiz hat den Zuschlag für die World­Win­ter­Games 2029 erhal­ten, die olym­pi­schen Spiele für Menschen mit geis­ti­ger Beein­träch­ti­gung. Was bedeu­tet das für die Schweiz?

Es ist eine der gröss­ten Sport­ver­an­stal­tun­gen auf der Welt über­haupt. Nach Anzahl Athlet*innen ist der Anlass Nummer zwei oder drei. Am Anlass werden Menschen mit geis­ti­ger Beein­träch­ti­gung zusam­men­kom­men und für die Schweiz heisst das, es gibt einen Gross­an­lass mit den Ausfüh­rungs­or­ten Zürich und Chur. Wich­tig dabei ist auch das vorge­se­hene Host-Programm. Konkret reisen rund 100 Länder-Dele­ga­tio­nen an. Diese werden vor den Spie­len im ganzen Land in unter­schied­lichs­ten Gemein­den unter­ge­bracht. Kern­idee ist, Momente und Begeg­nun­gen von Menschen mit und ohne Beein­träch­ti­gung zu ermög­li­chen. Es ist eine wunder­bare Gele­gen­heit, die Einbin­dung von Menschen mit Behin­de­rung in den Fokus zu rücken. Span­nend daran ist ja, dass die Schweiz den Zuschlag schon 2021 bekom­men hat für das Austra­gungs­jahr 2029.

Das sind acht Jahre …

… eine gross­ar­tige Vorlauf­zeit, um das Thema lang­sam zu entwickeln.

Verän­dern diese World­Win­ter­Games 2029 etwas im Schwei­zer Sport?

Die Schweiz hat 2014 die Behin­der­ten­rechts­kon­ven­tion der Verein­ten Natio­nen (UN-BRK) unter­zeich­net. Diese fordert, dass Menschen mit Behin­de­rung eine Wahl bekom­men, wie sie Sport trei­ben wollen. In der Schweiz gibt es heute zwei getrennte Sport­sys­teme, eines für Menschen ohne Behin­de­rung und eines für Behin­derte. Dies ist unver­ein­bar mit den Zielen der UN-BRK, die meist mit dem Schlag­wort «Inklu­sion» umschrie­ben werden: dem Teil­ha­ben von Menschen mit Behin­de­rung am gesell­schaft­li­chen Leben. Die World­Win­ter­Games sollen helfen, dass diese Idee von einem barrie­re­freien Zusam­men­le­ben auch in den tradi­tio­nel­len Sport­or­ga­ni­sa­tio­nen Einzug hält. Bis jetzt ist hier noch wenig zu spüren.

Der Bundes­rat hat die Bewer­bung offen­bar mitge­tra­gen.

Das ist Bundes­rä­tin Viola Amherd, die das mitträgt, denn der Sport gehört in der Schweiz immer noch zur Vertei­di­gung (lacht).

Was ist die Rolle des Staats?

Die Rolle des Staats ist wesent­lich. Gleich­zei­tig muss man sagen, dass UN-Konven­tio­nen immer die Staa­ten verpflich­ten, die Konven­tio­nen umzu­set­zen. Es ist aber allen bewusst, dass der Staat das nicht allein stem­men kann. Die Einbin­dung von Menschen mit Behin­de­rung ins tägli­che Leben ist eine Aufgabe der ganzen Gesell­schaft. Hier liegt die grosse Chance solcher Welt­spiele, die über den Sport viele wich­tige Akteure zusam­men­brin­gen können.

Die Einbin­dung von Menschen mit Behin­de­rung ins tägli­che Leben ist eine Aufgabe der ganzen Gesellschaft.

Robert Schmucki

Wie sieht diese Chance aus?

Neben dem Staat nimmt die Wirt­schaft eine Schlüs­sel­rolle ein. Sie ist unglaub­lich wich­tig bei der Frage, wie wir Inklu­sion errei­chen wollen. In der Schweiz ist «Arbeit» für die gesell­schaft­li­che Aner­ken­nung extrem wich­tig. Ich stelle mich mit dem Namen vor und als zwei­tes sage ich, was ich beruf­lich tue. Das ist auch für Menschen mit Beein­träch­ti­gung so und damit sehr wich­tig. Heute geht man in vielen Berei­chen wieder zurück zum Ausdruck Menschen mit Behin­de­rung. Dies, weil die UN-BRK Behin­de­rung so defi­niert, dass diese nicht nur ein medi­zi­ni­sches Problem eines einzel­nen Menschen ist, sondern es auch die Gesell­schaft ist, die Menschen behin­dert. Die Gesell­schaft ist nicht fähig, den Ansprü­chen dieser Menschen gerecht zu werden. Menschen sind nicht einfach behin­dert, sie werden behin­dert. Genau dieses Umden­ken steckt in den Diskus­sio­nen rund um Inklusion.

Ist die Schweiz noch nicht weiter mit der Inklu­sion von Menschen mit Behinderung?

Im April wurden die soge­nann­ten Conclu­ding Obser­va­tions der UNO publi­ziert. Diese führen eine lange Liste auf, was in der Schweiz (noch) nicht klappt bei der Umset­zung der Konven­tion. Dies reicht von Gren­zen, die in den Geset­zen defi­niert sind, über Probleme in der Umset­zung der Kantone bis zu sprach­li­chen Barrie­ren, die nicht abge­baut sind. Die UN fokus­siert aber immer nur auf die Leis­tung der Staa­ten. Die fehlen­den Verän­de­run­gen in der Gesell­schaft werden nicht ange­spro­chen. Dies ist aus meiner Sicht, wie schon erwähnt, der entschei­dende Faktor. Es beginnt schon damit, dass man Berüh­rungs­ängste abbaut. Genau auf diesen Aspekt fokus­sie­ren diese gros­sen Winterspiele.

Wer sitzt nun mitein­an­der am Tisch, wenn die Diskus­sio­nen im Vorfeld der Winter­games starten?

In St. Gallen finden aktu­ell, vom 15. bis 19. Juni 2022, die Natio­nal Summer Games für Menschen mit geis­ti­ger Behin­de­rung statt. Es nehmen rund 1500 Athlet*innen aus der ganzen Schweiz teil. Sie kämp­fen in 14 Sport­ar­ten um Medail­len. Am Rande der Veran­stal­tung werden sich Vertreter*innen aus der Wirt­schaft tref­fen. Zum ersten Mal. Sie werden sich mit der Frage beschäf­ti­gen, was Inklu­sion auch für die Arbeits­welt bedeu­tet. Inter­na­tio­nale Gross­kon­zerne sind teil­weise schon sehr weit mit der Einbin­dung von Menschen mit Behin­de­rung in einen inklu­si­ven Arbeitsmarkt.

zVg Special Olym­pics Switzerland

Wann star­tet die offi­zi­elle Vorphase der WorldWinterGames?

Die offi­zi­elle Kampa­gne star­tet im Früh­ling 2024, nach der offi­zi­el­len Vertrags­un­ter­zeich­nung der Schweiz mit Special Olym­pics Inter­na­tio­nal. Grün­de­rin ist übri­gens Eunice Kennedy Shri­ver, die Schwes­ter von John. F. Kennedy, eine Pionie­rin im welt­wei­ten Kampf für Rechte und Akzep­tanz von Menschen mit geis­ti­ger Behin­de­rung. Noch heute steht die Kennedy-Fami­lie stark hinter dieser Bewegung.

Sie haben als Junior bei GC Fuss­ball gespielt, waren später im Basket­ball im Spit­zen­sport tätig. Welche Rolle hat der Sport für Sie persönlich?

Er war der Ort, um Menschen kennen­zu­ler­nen und Freunde zu tref­fen. Heute bin ich nicht mehr gut oder schnell, auch wenn der Ehrgeiz blöder­weise manch­mal noch durch­bricht. Wenn ich jedoch zurück­denke, erin­nere ich mich nur schwach an Meis­ter­ti­tel und wich­tige Siege. Geblie­ben sind mir vor allem die gemein­sa­men Reisen, die Trai­nings­la­ger und die gross­ar­ti­gen Perso­nen, mit denen ich zusam­men­spie­len konnte.

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