Eigentlich müsste sich der NPO-Sektor über rosige Zeiten freuen und finanziell gesund aufgestellt sein. Die Gelder sind vorhanden: Seit 2008 sind die Spendeneinnahmen von 1,1 Milliarden Franken, mit wenigen Ausnahmen, kontinuierlich auf 2,5 Milliarden Franken gestiegen. Die Zewo-Spendenstatistik verzeichnet für 2022 einen neuen Rekord. 420 Millionen Franken für die Ukraine haben zu diesem Resultat beigetragen. Dies zeigt zugleich, wie das Spendenverhalten NPO fordert. Denn die Ukraine ist nur das jüngste Thema nach der Pandemie und dem voranschreitenden Klimawandel, das die öffentliche Wahrnehmung stark prägt und die Menschen zum Spenden bewegt. Nur: «Wer nicht in dieses Schema passt, kann deutliche Einbussen erleiden», erklärt Professor Georg von Schnurbein vom Center for Philanthropy Studies der Universität Basel (CEPS) die Problematik. Die Organisationen leiden, weil der Fokus der Öffentlichkeit und der Medien aktuell woanders liegt. «Sie können gut arbeiten, aber sie fallen durch das Raster», sagt er. «Ihnen bleiben ihre Stammspender:innen, aber sie haben Schwierigkeiten, ihre Botschaften zu platzieren.»
Stabil aufgestellt
Diese Verschiebungen können NPO in finanzielle Schwierigkeiten bringen. Georg von Schnurbein hält aber fest, dass NPO nicht generell schlecht geführt sind. Im Gegenteil: Konkurse sind absolut und relativ geringer als bei Unternehmen. Allerdings sind in NPO durch die fehlende Eigentümerkontrolle gefordert, eigene Kontrollen einzubauen und zu befolgen. Um sich finanziell stabil aufzustellen, kann Diversifikation eine Massnahme sein. Georg von Schnurbein sagt, die eigenen Forschungsdaten würden zeigen, dass für Organisationen mit einer gleichbleibenden Entwicklung eine Diversifikation der Finanzierungsquellen Stabilität bringt. Der Vorteil: Es besteht die Möglichkeit, den Wegfall einer Finanzierungsquelle mit einer anderen Quelle auszugleichen. Doch die Aussage gilt nicht für eine Organisation, die wachsen will. In diesem Fall lohnt sich eine Fokussierung auf wenige Quellen. Georg von Schnurbein erklärt dies so: Jede Finanzierungsquelle verlangt nach spezifischem Fachwissen. Um einen Leistungsauftrag des Staates auszufüllen, muss ich ein anderes Wissen haben als für eine erfolgreiche Eingabe bei einer Stiftung. Die Fokussierung auf wenige Quellen ermöglicht es, einen Wissensvorsprung zu diesen Quellen zu haben.
«Eine NPO sollte sich fragen, was für sie die richtige Rechtspersönlichkeit ist.»
Georg von Schnurbein, Professor CEPS
Systemwechsel
Georg von Schnurbein hat soeben mit «Finanzmanagement in Non-Profit-Organisationen» ein Lehrbuch zum Thema publiziert. Er zeigt auf, wie sich NPO finanziell gesund aufstellen können und was Gründe zum Scheitern sind. Zehn Jahre Forschungsarbeit stecken im Buch. In dieser Zeit wurde nicht nur ein Zuwachs an Spenden verzeichnet. Auch Gelder vom Staat an NPO haben zugenommen. Neben Spendengeldern sind diese für viele NPO eine wichtige Finanzierungsquelle. Allerdings haben sich bei den öffentlichen Geldern die Bedingungen verändert und diese wandeln sich weiter. Mit New Public Management fordern staatliche Stellen heute aufwändigere Reportings und Kontrollberichte. Und im Sozialbereich ist aktuell der Systemwandel ein wichtiges Thema, weg von der Objekt- hin zur Subjektfinanzierung. Beispielsweise erhält nicht mehr eine Behindertenorganisation einen finanziellen Beitrag, sondern die behinderte Person selbst wird in die Entscheidung eingebunden, von wem sie welche Leistung beziehen will. Was die Inklusion fördert, führt bei den Organisationen zu höherem Aufwand, weil eine Leistung auf verschiedene Leistungserbringer:innen aufgeteilt werden kann. Auch vor den erwähnten Fokusthemen ist die staatliche Finanzierung nicht gefeit. So schlägt der Bundesrat für die Schwerpunkte der Entwicklungshilfe 2025–2028 vor, die Gelder für die unbestrittene Ukraine-Hilfe von der Hilfe für den globalen Süden abzuziehen. Dennoch ändern diese Entwicklungen nichts an der Beurteilung, dass diese Gelder zur Stabilität beitragen. Denn sie sind meist langfristig und somit planbar. Ausserdem hält Georg von Schnurbein noch einen anderen Aspekt fest: «Gelder vom Staat sind meist sicher, es kommt kaum zu Ausfällen.»
Gemeinnützig – oder nicht
Für NPO ist das von Bedeutung. Denn kurzfristige Engpässe sind für sie besonders herausfordernd. Sie können nicht wie Unternehmen kurzfristig Kredite aufnehmen. Denn eine NPO wird kaum einen Kredit von einer Bank erhalten, weil sie keine Gegenleistung bieten kann. «Die Liquiditätsplanung ist also von besonderer Bedeutung», sagt Georg von Schnurbein. Deswegen muss aber nicht jede NPO grosse Geldmengen anhäufen. Eine solide Planung kann Stabilität genauso fördern. Georg von Schnurbein sieht noch Potenzial für eine weitere grundlegende Frage: Eine NPO sollte sich fragen, was für sie die richtige Rechtspersönlichkeit ist. Diese Frage werde heute noch zu wenig gestellt, sagt er.
Gemeinnützigkeit und Steuerbefreiung erleichtern zwar das Finanzmanagement und es müssen kaum Steuern berücksichtigt werden. Es ergeben sich jedoch Einschränkungen, die meist weniger Beachtung finden. Der Zugang zum Finanzmarkt bleibt meist verwehrt. Je nach Tätigkeitsbereich der NPO kann dies ein Nachteil sein bei der Kapitalbeschaffung. Ein Privatunternehmen kann heute für wenige Zinsprozente Kapital aufnehmen. «Die Kosten für das Fundraising liegen bei 25 bis 35 Prozent», sagt Georg von Schnurbein. Und er fügt an: «Dabei investiert gerade die jüngere Generation der Philanthrop:innen anders und ist insbesondere mit sozialen Investitionen engagiert.» Sie haben Geld geerbt und wollen es sozial investieren, aber nicht gleich spenden. Aktuell kämen solche Finanzierungsmodelle vor allem in Entwicklungsländern zum Einsatz. Das ist ein neuer Investitionsmarkt. Deswegen sagt Georg von Schnurbein: «Gemeinnützigkeit kann ein Hindernis sein, um die ganze Klaviatur auf dem Finanzmarkt zu spielen.»