Augenärztin Ute Dibb.

Chris­tof­fel Blin­den­mis­sion, Ute Dibb: «Mit wenig Geld lässt sich viel ausrichten»

Als leitende Augenärztin arbeitet Ute Dibb seit 2014 beim Zimbabwe Council for the Blind, einem Partner der CBM Christoffel Blindenmission. Seit über zehn Jahren engagiert sie sich für die CBM: Sie war in Nepal, in Ruanda und Malawi tätig.

The Philanthropist: Sie haben in Deutsch­land Medi­zin studiert. Weshalb arbei­ten Sie jetzt in Simbabwe?
Ute Dibb: Mit 30 habe ich den Fach­arzt gemacht. Ich hätte anschlies­send in eine Praxis wech­seln können. Mein Weg wäre vorge­ge­ben gewe­sen. Ich wollte aber noch etwas ande­res sehen. Bei der Arbeit für die CBM kann ich etwas sinn­vol­les tun. Ich konnte in Nepal viel operie­ren und viel lernen. Diese Fähig­kei­ten konnte ich mitnehmen.

Gibt es bei den Augen­lei­den eine globale Heraus­for­de­rung, der Sie an allen Ihren Statio­nen begeg­net sind?
Rund drei Prozent der Welt­be­völ­ke­rung sind blind. Der Anteil vari­iert je nach Land und ist in Entwick­lungs­län­dern deut­lich höher. Auch die Ursa­chen für die Augen­lei­den sind unter­schied­lich: In entwi­ckel­ten Ländern sind die häufigs­ten Ursa­chen die alters­be­dingte Maku­la­de­ge­ne­ra­tion, Diabe­tes und grüner Star. In Entwick­lungs­ge­bie­ten ist es vor allem der graue Star und auch der grüne Star. Zum Teil ist es aber auch schlicht fehlen­des Geld: Eine vorüber­ge­hende Erblin­dung wird so aufgrund der ausge­blie­be­nen Behand­lung zu einer dauer­haf­ten Blindheit.

Haupt­ur­sa­che ist der graue Star. Ist dieser leicht zu behan­deln?
Den grauen Star können wir in zehn Minu­ten operie­ren. Mit wenig Geld lässt sich viel ausrichten.

Was kostet die Behand­lung des grauen Stars?
Bei uns in Simbabwe sind dies 70 Dollar. Das können die meis­ten gerade noch bezahlen.

Mit den Basis­mit­teln können wir schon viel erreichen.

Ute Dibb, Augen­ärz­tin beim Zimbabwe Coun­cil for the Blind

Haben Sie diesel­ben Behand­lungs­mög­lich­kei­ten wie in Europa?
Wir haben die Basis­mit­tel. Sie müssen bezahl­bar sein und in der Hand­habe einfach. Augen­trop­fen, die im Kühl­schrank aufbe­wahrt werden müssen, lohnen sich nicht. Die meis­ten meiner Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten haben keinen Kühl­schrank. Aber mit den Basis­mit­teln können wir schon viel erreichen.

Auch Kinder gehö­ren zu den Leid­tra­gen­den: Jede Minute erblin­det ein Kind. Was sind hier die Ursa­chen?
Die Ursa­chen sind viel­fäl­tig. Bei Neuge­bo­re­nen ist es oft der grüne oder graue Star. Zudem gehö­ren Infek­tio­nen oder unbe­han­delte Verlet­zun­gen zu den Ursachen.

Diese Ursa­chen wären leicht zu behan­deln.
Ja. Entzün­dun­gen und Verlet­zun­gen sind meist leicht zu behan­deln. Bei Neuge­bo­re­nen kann der graue oder grüne Star in den ersten Lebens­wo­chen operiert werden. In den Entwick­lungs­ge­bie­ten ist dies jedoch oft nicht der Fall. Wird dieses Leiden aber nicht in den ersten fünf oder sechs Lebens­jah­ren operiert, so ist das Zeit­fens­ter für eine Opera­tion verpasst. Das ist nicht mehr aufzuholen.

Was bedeu­tet eine Augen­krank­heit für die betrof­fe­nen Menschen in Armuts­ge­bie­ten – haben sie eine Möglich­keit auf ein selbst­be­stimm­tes Leben?
Das ist schwie­rig. Wer blind ist, hat keine Chance auf ein Einkom­men. Oft bleibt ihnen als Hilfe ein enges Netz­werk in der Fami­lie oder im Dorf. Unter­stüt­zung vom Staat gibt es nicht. Der Alltag wird zur Herausforderung.

Das heisst?
Schon nur das Fort­be­we­gen ist sehr schwie­rig. Zum Teil hat es keine Stras­sen, viele Schlag­lö­cher – für einen Menschen mit Sehbe­hin­de­rung ist es gefähr­lich. Viele blei­ben deswe­gen zu Hause und versu­chen, beispiels­weise bei der Hühner­hal­tung zu helfen. Aber an ein Einkom­men ist kaum zu denken. Wer arm ist, hat ein höhe­res Risiko, blind zu werden, weil er sich eine Behand­lung nicht leis­ten kann, und wer blind ist, bleibt arm. Neben dem finan­zi­el­len Aspekt führen die soziale Isola­tion oft auch zu Depressionen.

Augen­ärz­tin Ute Dibb bei der Arbeit.

Wie ist die Situa­tion von Kindern?
Für Kinder wird die Schul­bil­dung zur Heraus­for­de­rung. Es gibt kaum Ressour­cen für spezi­elle Bildungs­an­ge­bote. Besteht die Blind­heit von Geburt an, so hindert dies grund­le­gende Entwick­lun­gen wie Krab­beln und Laufen, weil die Kinder nicht sehen, wie dies geht. Diese Behin­de­run­gen sind kaum aufzu­ho­len. Es fehlt die Unter­stüt­zung für diese Familien.

Einem Menschen zu sagen, dass er erblin­det, ist ein schwie­ri­ger Moment. Wie gehen Sie damit um?
Schlechte Nach­rich­ten zu über­brin­gen, gehört zum Beruf, auch bei ande­ren Ärztin­nen und Ärzten. Aller­dings muss ich sagen, dass wir in den meis­ten Fällen noch etwas bewe­gen können. Aber ich habe gelernt, dass es wich­tig ist, klar zu sagen, wie die Situa­tion ist. Damit verhin­dern wir auch, dass Betrof­fene ihr letz­tes Hab und Gut aufop­fern für eine aussichts­lose Behandlung.

Wir muss­ten eine Triage vorneh­men und konn­ten nur die schlimms­ten Fälle behandeln.

Ute Dibb, Augen­ärz­tin beim Zimbabwe Coun­cil for the Blind

Ist es belas­tend, wenn Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten eigent­lich eine Chance auf eine Heilung gehabt hätten, aber die Ressour­cen fehlen?
Es kommt vor, dass die Betrof­fe­nen viel zu spät kommen und wir nichts mehr behan­deln können. Das liegt aller­dings nicht nur an fehlen­den Ressour­cen. Auch fehlen­des Bewusst­sein für die eige­nen Gesund­heit und schlicht das Setzen von ande­ren Prio­ri­tä­ten können Gründe sein. Stän­dig über diese Fälle nach­zu­den­ken würde frus­trie­ren. Ich fokus­siere mich lieber auf die Menschen, denen wir helfen können. Das sind die meis­ten. Ausser­dem haben wir auch eine Schwes­ter, die Betrof­fene berät, wie sie ihr Zuhause besser einrich­ten können oder zu Fragen der Mobi­li­tät Unter­stüt­zung gibt.

Wie hat die Pande­mie Ihre Arbeit beein­flusst?
Wir waren auch in Simbabwe stark getrof­fen. Bei uns gab es drei Lock­downs. In diesen muss­ten wir schlies­sen. Wir haben uns aber schnell auf die Situa­tion einge­stellt, Prozesse ange­passt und Schutz­ma­te­rial orga­ni­siert. Schwie­rig war aber insbe­son­dere, dass andere Klini­ken nicht wieder öffne­ten. Unsere Klinik mit zwei Ärztin­nen war für Monate die einzige im ganzen Land, die offen war. Wir konn­ten nicht alle behan­deln. Wir muss­ten eine Triage vorneh­men und konn­ten nur die schlimms­ten Fälle behan­deln. Wir haben noch immer Wartelisten.


Die CBM Chris­tof­fel Blindenmission

Die CBM Chris­tof­fel Blin­den­mis­sion ist eine inter­na­tio­nal tätige, christ­li­che Entwick­lungs­or­ga­ni­sa­tion. In Armuts­ge­bie­ten fördert sie Menschen mit Behin­de­run­gen und verhin­dert vermeid­bare Behin­de­run­gen. Von der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­tion WHO ist die CBM als Fach­or­ga­ni­sa­tion aner­kannt. Ihr Ziel ist eine inklu­sive Gesell­schaft, in der niemand zurück­ge­las­sen wird. Die CBM Schweiz führt das Zewo-Güte­sie­gel und ist Part­ner­or­ga­ni­sa­tion der Glückskette.

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