Wirken statt erhalten

Heinrich Gebert hat seine Stiftung der nächsten Generation gewidmet und dabei Innovation in den Fokus gestellt, sagt Roland Siegwart, Präsident der Gebert Rüf Stiftung.

Hein­rich Gebert entschied 1997, 14 Tage nach dem Verkauf von Gebe­rit, eine Stif­tung zu grün­den. Gegen­über seinem lang­jäh­ri­gen Bera­ter gab er bekannt, dass er das Geld nicht brau­che und viel­mehr etwas Gutes für die Schweiz tun wolle. Der Zweck der mit 220 Millio­nen Fran­ken dotier­ten und vor 25 Jahren gegrün­de­ten Gebert Rüf Stif­tung ist die Stär­kung des Wirt­schafts- und Lebens­stand­orts Schweiz durch wissen­schaft­li­che Innovation. 

Sind Stif­tun­gen über­haupt das rich­tige Zukunftsmodell?

Roland Sieg­wart: Stif­tun­gen sind unab­hän­gig, agil und verläss­lich. Und sie haben Vorteile, die andere Akteur:innen in der Gesell­schaft nicht haben. Stif­tun­gen sind unab­hän­gig von poli­ti­schen, persön­li­chen und kommer­zi­el­len Inter­es­sen. Und sie können etwas, das sonst niemand kann: Sie können Risi­ken nehmen. Denn sie haben keine Eigen­tü­mer, keine Rechen­schafts­pflicht und sie müssen nicht mehr­heits­fä­hig sein. Grosse Risi­ken können weder Staat und Wirt­schaft einge­hen. Stif­tun­gen sind das Expe­ri­men­tier­la­bor unse­rer Gesell­schaft. Sie müssen ihren Zweck verfol­gen und fertig. 

Wohl­stand dank Inno­va­tion, ist das ein Stif­tungs­zweck der nächs­ten Generation?

Roland Sieg­wart: Inno­va­tion ist die Basis für den gesell­schaft­li­chen und wirt­schaft­li­chen Wohl­stand in der Schweiz. Das war die Über­zeu­gung von Hein­rich Gebert als Unter­neh­mer und Phil­an­throp. Deshalb hat er auch seine Stif­tung der nächs­ten Gene­ra­tion von inno­va­ti­ven, enga­gier­ten und talen­tier­ten Wissensunternehmer:innen gewid­met. Das gilt heute wie morgen. Denn die Schweiz kann im Nach­hal­tig­keits­be­reich mit inno­va­ti­ven Lösun­gen punk­ten. Damit diese Ideen zur Umset­zung kommen, braucht es Stifter:innen wie Hein­rich Gebert, auch in Zukunft. Viel­leicht sogar noch mehr. Denn erst in jüngs­ter Zeit entde­cken Stif­tun­gen den Mehr­wert eines unter­neh­me­ri­schen Zwecks. 

Was will die Gebert Rüf Stif­tung für die nächste Gene­ra­tion bewirken?

Roland Sieg­wart: Die «Legacy» der GRS ist nicht ein einzel­nes Projekt oder Programm, sondern die Art der Stif­tungs­ar­beit. Zeigen, wie wir mit Risi­ko­fi­nan­zie­rung in Förder­lü­cken, die ein gros­ses Poten­tial aufwei­sen, einen Beitrag für die Gesell­schaft leis­ten. Und so die Rolle und Möglich­kei­ten einer priva­ten Förder­stif­tung unter­neh­me­risch ausschöpfen. 

Was denken Sie: Ist der Wille des Grün­ders ein Vier­tel­jahr­hun­dert später in Erfül­lung gegangen?

Roland Sieg­wart: Auf jeden Fall. Die Gebert Rüf Stif­tung konnte in den letz­ten 25 Jahren einen rele­van­ten Beitrag leis­ten, in der von Hein­rich Gebert gewähl­ten Förder­lü­cke. Das zeigen die einzel­nen Projekte und Programme wie auch die Zahlen. Mit dem Stif­tungs­ver­mö­gen bei der Grün­dung wurden rund 260 Millio­nen Fran­ken in 1267 Projekte inves­tiert. Das Stif­tungs­ver­mö­gen beträgt heute 86 Millio­nen Fran­ken. Insge­samt konn­ten gegen 4000 Perso­nen geför­dert werden, es entstan­den 434 Part­ner­schaf­ten und es wurden 194 Start-ups gegrün­det. Die abge­schlos­se­nen Projekte konn­ten weitere Mittel im Umfang von 8,4 Milli­ar­den Fran­ken auslö­sen, was bei einer Einset­zung von 196 Millio­nen Förder­gel­dern einem Wirkungs­fak­tor von 43 entspricht. Vom Jahres­auf­wand der Stif­tung flies­sen durch­schnitt­lich 98 Prozent in die Förderung.

Weshalb unter­stüt­zen Sie ganz bewusst Projekte im soge­nann­ten Tal der Tränen?

Pascale Vonmont, CEO/Direktorin: Wohl­stand entsteht dank Inno­va­tion. Davon war Hein­rich Gebert über­zeugt. Inno­va­tion ist immer mit einem gewis­sen Risiko verbun­den. Der Staat finan­ziert, solange es sich um ein Forschungs­pro­jekt an einer Univer­si­tät handelt, Wirt­schaft und Indus­trie konzen­trie­ren sich auf die Finan­zie­rung von viel­ver­spre­chen­den Produk­ten. Die Grund­la­gen­for­schung bis hin zum ferti­gen Produkt ist kosten­in­ten­siv. Fehlt es hier an Kapi­tal, gehen Ideen verlo­ren, die Produkte hervor­brin­gen und Arbeits­plätze schaf­fen. Diese Lücke, das Tal der Tränen, ist ein hervor­ra­gen­des phil­an­thro­pi­sches Betä­ti­gungs­feld mit gros­ser Wirkung.

Die Gebert Rüf Stif­tung ist von der ursprüng­li­chen Idee Hein­rich Geberts, nur Kapi­tal­erträge zu inves­tie­ren, abge­rückt. Weshalb?

Roland Sieg­wart: Die Aufgabe einer Stif­tung ist es, Wirkung zu erzie­len und nicht sich selber zu erhal­ten. Das Konzept der Finan­zie­rung aus Kapi­tal­erträ­gen wurde schon kurz nach dem Start der Stif­tung mit der Dotcom-Blase Anfang 2000 und dann 2007 mit der Lehman-Pleite in Frage gestellt. 

Und bis wann wird das gesamte Kapi­tal aufge­braucht sein?

Roland Sieg­wart: Wirkung auf Zeit ist ein effek­ti­ves Stif­tungs­han­deln, wir werden ca. 2030 unsere Tätig­keit einstellen.

Die Gebert Rüf Stif­tung inves­tiert stark in den Stif­tungs­stand­ort Schweiz. Welches sind die Gedan­ken dahinter?

Pascale Vonmont: Es war der Stif­ter Hein­rich Gebert, der über den eigent­li­chen Zweck der GRS hinaus auch das Stif­tungs­we­sen, das damals noch ruhig vor sich hin exis­tierte, weiter­brin­gen wollte. Wenn die GRS in der Folge die Grün­dung von Swiss­Foun­da­ti­ons, den Swiss Foun­da­tion Code, das Center vor Phil­an­thropy Studies (CEPS) und jüngst auch das Konsor­tium Stif­tung Schweiz mit initi­ierte, geschah dies ganz in seinem Sinn. Ein gut aufge­stell­ter Sektor trägt entschei­dend zur Wirkung bei.

Welches ist aus Ihrer Sicht der wich­tigste Meilen­stein der Stif­tung in den letz­ten 25 Jahren?

Pascale Vonmont: Die klare Fokus­sie­rung der Stif­tung, die Konzen­tra­tion auf Lücken mit Poten­zial und die Förde­rung dieser Themen­fel­der auf Zeit. Denn was heute inno­va­tiv ist, ist morgen «more of the same» oder Mainstream. 

Wie hat sich das Inno­va­tions-Ökosys­tem bei Wissen­schaft und Forschung in den letz­ten 25 Jahren verändert? 

Pascale Vonmont: Das Thema Entre­pre­neur­ship hat sich enorm entwi­ckelt. Beim Launch unse­res ersten Förder­pro­gramms NETS (New Entre­pre­neurs in Tech­no­logy and Science) wurde die Kombi­na­tion von Wissen­schaft und Entre­pre­neur­ship noch sehr kritisch betrach­tet. Busi­ness an der Hoch­schule galt vielen als anrü­chig. Heute sieht das anders aus. Studie­rende sollen und wollen unter­neh­me­ri­sche Erfah­run­gen machen. Nicht selten grün­den sie auch Firmen. Dieser Entwick­lung folgend, hat sich auch die Förder­land­schaft verändert. 

Unser erstes Entre­pre­neur­ship-Programm dauerte sechs Jahre, dann wurde das Thema vom Bund mit einer natio­na­len Initia­tive über­nom­men. Wir haben auch insge­samt 20 Jahre lang mit vielen Pilot­pro­jek­ten umset­zungs­ori­en­tierte Forschung unter­stützt, heute nimmt der Bund mit dem Programm «BRIDGE» diese Rolle ein. Diese Mecha­nik erlaubt es uns, immer wieder neue Themen aufzu­neh­men und anzuschieben.

Welche Auswir­kun­gen hatten die unter­stütz­ten Projekte auf die Gesell­schaft und die Forschung?

Pascale Vonmont: Wir machen Talent­för­de­rung, das hat oft jungen Nach­wuchs­ta­len­ten den Aufbau einer eige­nen Karriere an der Hoch­schule oder im Busi­ness erlaubt. Mit dem klaren Fokus auf Inno­va­tion leis­ten unsere Projekte einen Beitrag zur Zukunft im Bereich Klima, Ernäh­rung, Gesund­heit etc. Also: «Zukunft dank Innovation.»

Sticht in diesem Zusam­men­hang eines beson­ders heraus?

Pascale Vonmont: Es stechen ganz viele heraus, die grosse Wirkung erzie­len wir aber mit fokus­sier­ten Förder­pro­gram­men wie beispiels­weise Venture Kick. Das Programm unter­stützt als phil­an­thro­pi­sche Initia­tive eines priva­ten Konsor­ti­ums Schwei­zer Start-ups mit einer Initi­al­fi­nan­zie­rung von bis zu 150’000 Fran­ken. Mit einem klar struk­tu­rier­ten Programm wird der Weg von der ersten Geschäfts­idee bis zum Aufbau eines erfolg­rei­chen Unter­neh­mens geför­dert. Die Start-ups präsen­tie­ren ihr Projekt in drei Phasen einer Exper­ten­jury, um jeweils eine nächste Finan­zie­rung zu erhal­ten. Sie bekom­men so direk­tes Feed­back und Zugang zu einem inter­na­tio­na­len Netz­werk von 200 erfolg­rei­chen Unternehmer:innen und Investor:innen. Seit der Lancie­rung im Jahr 2007 hat Venture Kick 917 Schwei­zer Start-up-Projekte mit 44,85 Millio­nen Fran­ken unter­stützt. Die finan­zi­elle Unter­stüt­zung, die Ausbil­dung und das Netz­werk­pro­gramm haben 718 Start-ups und 11’362 Arbeits­plätze geschaf­fen. Die Unter­neh­men lösten Folge­inves­ti­tio­nen in der Höhe von 6,7 Milli­ar­den Fran­ken aus.

Sie haben einen neuen Inno­va­ti­ons­fonds zur Förde­rung des multi­me­dia­len Wissen­schafts­jour­na­lis­mus geschaf­fen. Was sind die Überlegungen?

Roland Sieg­wart: Der Inno­va­ti­ons­fonds ist die neuste einer ganzen Reihe von Förder­initia­ti­ven des Scien­tain­ment-Programms der Gebert Rüf Stif­tung. Wie die GRS den unter­neh­me­ri­schen Trans­fer von Wissen­schaft in die Wirt­schaft unter­stützt, stärkt sie mit Scien­tain­ment-Projek­ten den Brücken­schlag zwischen Wissen­schaft und Gesell­schaft, so beispiels­weise mit dem Wissens­pod­cast «Durch­blick». Ziel des Inno­va­ti­ons­fonds ist es, multi­me­diale Formate im Schwei­zer Wissen­schafts­jour­na­lis­mus struk­tu­rell zu etablie­ren. Nur wenn es gelingt, möglichst viele Menschen auf den Weg in die Wissens­ge­sell­schaft mitzu­neh­men, bleibt die Schweiz zukunftsfähig. 

Welche Ziele verfolgt das Scientainment-Programm?

Roland Sieg­wart: Mit dem Scien­tain­ment-Programm will die GRS die «Scien­ti­fic Liter­acy» in der Schweiz stär­ken. Wir unter­stüt­zen Wissenschaftskommunikator:innen aus Bildung, Forschung und Kultur, die mit neuen Ansät­zen ein möglichst brei­tes Publi­kum anspre­chen wollen. Für den Wissens­stand­ort Schweiz wird eine Wissen­schafts­kom­mu­ni­ka­tion, die möglichst viele Menschen erreicht, immer wich­ti­ger. Denn sie schafft die Voraus­set­zung für das Verständ­nis der wissen­schaft­li­chen Denk- und Arbeits­weise, für die produk­tive Teil­habe der brei­ten Bevöl­ke­rung am gesell­schaft­li­chen Leben und damit für die lang­fris­tige Siche­rung der wesent­li­chen Quel­len des Schwei­zer Wohl­stands: Bildung, Forschung und Inno­va­tion. Wir sind dabei, eine ganze Gene­ra­tion an die sozia­len Medien zu verlie­ren. Für die Zukunfts­fä­hig­keit der Schweiz ist daher zentral, dass über wissen­schaft­lich fundierte Kanäle attrak­ti­ver, unter­halt­sa­mer und origi­nel­ler über Forschung, Inno­va­tion und Tech­no­lo­gie kommu­ni­ziert wird.

Sie arbei­ten mit ande­ren Partner:innen in der Phil­an­thro­pie zusam­men. Was sind die Erkennt­nisse aus dieser Zusammenarbeit?

Pascale Vonmont: Das Inter­esse und der Wille zur Koope­ra­tion sind vorhan­den. Leider sind wir aber mit wirkungs­vol­len digi­ta­len Koope­ra­ti­ons­tools noch schlecht ausge­rüs­tet. Von StiftungSchweiz erwar­ten wir nun, dass sie als Platt­form diese Tools entwi­ckelt und zur Verfü­gung stellt. In meinem Sabba­ti­cal 2015 habe ich mich am Foun­da­tion Center in NY, heute Candid, mit genau diesem Thema befasst. Mitge­nom­men habe ich, dass Koope­ra­tio­nen einen enor­men Mehr­wert bedeu­ten, aber auch einen Mehr­auf­wand. «Mission First» muss zu jeder Zeit im Zentrum stehen. Und das heisst wiederum: Es braucht ein «Back­bone», welches die Koope­ra­tion koor­di­niert, und dieses muss finan­ziert sein. Eine digi­tale Platt­form ermög­licht das Finden und Umset­zen von wirkungs­vol­len Kooperationen. 

Parti­zi­pa­tion, ein Wunsch oder Realität?

Pascale Vonmont: Parti­zi­pa­tion ist insbe­son­dere bei der Defi­ni­tion der Förder­lü­cke zentral. Es gilt, die Anspruchs­grup­pen hier einzu­bin­den, und zwar alle Partner:innen in der Wert­schöp­fungs­kette. Das Ökosys­tem kann auch durch Krite­ri­en­set­zung in Förder­pro­zesse einbe­zo­gen werden, auch in Bezug auf eine wirkungs­volle Förder­be­glei­tung, die für das Projekt einen Mehr­wert erzielt. 

Als Stif­tungs­rats­prä­si­dent trägt Roland Sieg­wart die Verant­wor­tung für die stra­te­gi­schen Belange der Gebert Rüf Stif­tung. Er setzt sich dafür ein, dass junge Talente und Pioniere in der entschei­den­den Start­phase der Inno­va­tion effi­zi­ent und nach­hal­tig unter­stützt werden. Seit 2012 Mitglied und Vize­prä­si­dent, präsi­diert er den Stif­tungs­rat seit 2018.
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Pascale Vonmont ist als CEO/Direktorin für die opera­tive Führung der auf Wissen­schaft und Inno­va­tion fokus­sier­ten Gebert Rüf Stif­tung verant­wort­lich. Sie vernetzt die wich­tigs­ten stra­te­gi­schen Initia­ti­ven sowie Clus­ter und Part­ner, die an Program­men und Themen betei­ligt sind. Sie ist Vorstands­mit­glied von Swiss­Foun­da­ti­ons und vertritt seit Juli 2022 das Stif­tungs­kon­sor­tium im Verwal­tungs­rat von Stif­tung-Schweiz | Phil­an­thropy Services AG
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