Gul Rukh Rahman, Direktorin der Stiftung Empowering Families for Innovative Philanthropy (ERFIP)

Phil­an­thro­pi­sche Denk­weise dekolonisieren

Gul Rukh Rahman, Direktorin der Stiftung Empowering Families for Innovative Philanthropy (ERFIP) spricht über das Nord-Süd-Gefälle, die Rolle lokaler Philanthropen und über Fallschirm-Philanthropie.

Wie wirkt sich das Nord-Süd-Gefälle auf die globale Phil­an­thro­pie aus?

Gul Rukh Rahman: Bevor wir uns der Diskus­sion über das Nord-Süd-Gefälle und seine Auswir­kun­gen auf die globale Phil­an­thro­pie zuwen­den, sollte man sich fragen, was globale Phil­an­thro­pie ist. Handelt es sich dabei um grenz­über­schrei­ten­des priva­tes Spen­den inner­halb zweier ähnlich gros­ser Volks­wirt­schaf­ten oder um private Kapi­tal­ströme vom globa­len Norden in den Süden. Hier­bei sind mit Norden die reichen Indus­trie­län­der gemeint. Die Defi­ni­tion zieht keine geogra­fi­sche Trenn­li­nie. Das Nord-Süd-Gefälle wirkt sich auf die globale Phil­an­thro­pie in glei­cher Weise aus wie auf die globale Poli­tik, Sozio­öko­no­mie und Kultur­land­schaft. Die unglei­che und unge­rechte Macht­dy­na­mik zwischen dem Norden und dem Süden spie­gelt sich in der globa­len Phil­an­thro­pie wider. Der Norden hat eine immense Kontrolle über die globale Gestal­tung der Poli­tik. Diese wirkt sich direkt auf die Länder des Südens aus. Die globale Phil­an­thro­pie kann daher nicht betrach­tet werden, als würde sie ausser­halb der von Bret­ton-Wood-Insti­tu­tio­nen fest­ge­leg­ten Normen agieren.

Wie soll sie denn betrach­tet werden?

Wenn es in der Geschichte des Nord-Süd-Gefäl­les um die Kolo­ni­al­macht und die kolo­ni­sier­ten Länder ging, dann hat sich dies in der Gegen­wart in der immer grös­ser werden­den Wohl­stands­kluft zwischen den Besit­zen­den und den Besitz­lo­sen nieder­ge­schla­gen. Dabei haben die Besit­zen­den enorm von der Globa­li­sie­rung, der Steu­er­ver­mei­dung, den Offshore-Steu­er­oa­sen und den poli­ti­schen Syste­men profi­tiert. Diese tragen dazu bei, diese Ungleich­hei­ten zu Guns­ten eini­ger weni­ger zu verfes­ti­gen. Die Wohl­ha­ben­den enga­gie­ren sich in der Phil­an­thro­pie – global und lokal – aus Grün­den, die meiner Meinung nach nicht wirk­lich altru­is­tisch sind.

Die globale Phil­an­thro­pie ist ein Spie­gel der Welt­ord­nung. Es gibt keine Rechen­schafts­pflicht, keine Trans­pa­renz und keine Reprä­sen­ta­tion. Lokale Kennt­nisse und Zusam­men­hänge werden abge­wer­tet und die Begüns­tig­ten werden in den meis­ten Fällen mit wenig Respekt behan­delt. Die Kultur der Abhän­gig­keit, die sowohl durch die globale Phil­an­thro­pie als auch durch die inter­na­tio­nale Entwick­lung geschaf­fen wird, ist einer der Gründe dafür, dass das Nord-Süd-Gefälle die Macht­dy­na­mik verstärkt.

Die globale Phil­an­thro­pie ist ein Spie­gel der Welt­ord­nung. Es gibt keine Rechen­schafts­pflicht, keine Trans­pa­renz und keine Repräsentation. 

Gul Rukh Rahman

Hat jemals jemand die USA, das Verei­nigte König­reich und ihre Verbün­de­ten für die Zerstö­rung des Irak und den Verlust von Millio­nen von Menschen­le­ben zur Rechen­schaft gezo­gen, von denen wir wissen, dass es sich um einen Krieg handelte, der auf gefälsch­ten Bewei­sen beruhte? Nein. Aber der Westen oder die Länder des Nordens werden gerne lähmende Sank­tio­nen gegen ein Land verhän­gen, wenn sie sich durch dessen Handeln ange­grif­fen fühlen.

Und was heisst das für die globale Philanthropie?

Eine ähnli­che Macht­dy­na­mik können wir in der globa­len Phil­an­thro­pie beob­ach­ten. Gibt es Instru­mente, mit denen die private globale Phil­an­thro­pie und Phil­an­thro­pen zur Rechen­schaft gezo­gen werden können für die Zerstö­rung, die ihre Expe­ri­mente verur­sa­chen oder verur­sa­chen können? Mir sind keine bekannt.

Ausser­dem ist die Gates-Stif­tung der grösste private phil­an­thro­pi­sche Akteur in der afri­ka­ni­schen Land­wirt­schaft. Auch wenn ihre Programme den Menschen auch Gutes gebracht haben mag, so haben sie den Klein­bau­ern doch auch immensen Scha­den zuge­fügt. Hat jemand oder kann jemand eine Stif­tung dieser Grösse zur Rechen­schaft ziehen? Die Antwort lautet Nein.

In vielen Fällen arbei­ten grosse phil­an­thro­pi­sche Akteure mit dem Segen der loka­len Regie­run­gen. Wie wir wissen sind diese Regie­run­gen in der Regel schwach, korrupt und dikta­to­risch. Die Macht­dy­na­mik zwischen Nord und Süd bestimmt, wer die poli­ti­schen, sozia­len, wirt­schaft­li­chen und phil­an­thro­pi­schen Agen­den vorantreibt.

Das heisst, auch in globa­len Phil­an­thro­pie zeigt sich das Machtgefälle?

Die globale Phil­an­thro­pie schafft ähnli­che Abhän­gig­kei­ten wie die inter­na­tio­nale Hilfe und der inter­na­tio­nale Entwick­lungs­sek­tor. An sich ist an der globa­len Phil­an­thro­pie nichts auszu­set­zen. Jedoch es ist es höchst bedenk­lich, dass alle Entschei­dun­gen in ande­ren Ländern als in der Empfän­ger­ge­mein­schaft, respek­tive dem Empfän­ger­land getrof­fen werden; die tatsäch­li­chen Ziele blei­ben unklar.

Geht es bei diesen phil­an­thro­pi­schen Hand­lun­gen darum, das Image eines Unter­neh­mens aufzu­po­lie­ren oder den guten Ruf einer Einzel­per­son, einer Fami­lie oder eines Unter­neh­mens zu retten?

Der weisse-Retter-Komplex ist tief in der globa­len Phil­an­thro­pie verwurzelt.

Gul Rukh Rahman

Aufgrund der tiefen phil­an­thro­pi­schen Taschen des Nordens und des Zugangs zu globa­ler finan­zi­el­ler und poli­ti­scher Macht werden die loka­len Phil­an­thro­pen in vielen Fällen aus Gesprä­chen heraus­ge­drängt, bei denen es eigent­lich um ihre Länder, Regio­nen, Städte und Menschen geht. Dieser Mangel an Mitspra­che­recht oder, wie ich es nenne, die Abwer­tung von loka­lem Wissen und Kontext ist ein weite­rer Ausdruck des Nord-Süd-Gefäl­les. Um es unver­blümt zu sagen: Der der weisse-Retter-Komplex ist tief in der globa­len Phil­an­thro­pie verwurzelt.

Wie lässt sich dies ändern?

Dies ist eine längere Diskus­sion, aber ich bin der Meinung, dass sich die globale Phil­an­thro­pie im Gegen­satz zum Nord-Süd-Gefälle und der damit verbun­de­nen Poli­tik auf der Grund­lage von Gleich­heit und Gleich­be­rech­ti­gung neu kali­brie­ren muss. Wir müssen auch aufhö­ren, die Phil­an­thro­pie als eine Art Notlö­sung zu betrach­ten, welche die Lücken füllt, in denen die Regie­run­gen versagen.

Die Phil­an­thro­pen vor Ort müssen sich stär­ker enga­gie­ren und die Kontrolle über die Themen und Entschei­dun­gen über­neh­men, die sie und ihre Länder direkt betreffen.

Der globale Süden muss die Bettel­schale in der Phil­an­thro­pie durchbrechen.

Kann grenz­über­schrei­tende Phil­an­thro­pie auf loka­len Ideen und Erwar­tun­gen beru­hen, oder braucht sie ein über­grei­fen­des, einheit­li­ches Konzept?

Grenz­über­schrei­tende Phil­an­thro­pie muss sich an den loka­len Bedürf­nis­sen orien­tie­ren, die von der loka­len Gemein­schaft defi­niert werden. Ein über­grei­fen­des, einheit­li­ches Konzept ist mögli­cher­weise nicht erfor­der­lich, da kein Land und keine Gemein­schaft gleich ist.

Was könnte der Reiz einer grenz­über­schrei­ten­den Phil­an­thro­pie sein?

Was die grenz­über­schrei­tende Phil­an­thro­pie inter­es­sant macht, ist die Frage, wer der Initia­tor ist und was seine Inter­es­sen sind. Handelt es sich um ein Unter­neh­men, das bestehende oder vermeint­li­che Inter­es­sen auf dem Verbrau­cher­markt hat, oder ist es eine Fami­lie, die in dieser Region oder diesem Land verwur­zelt ist? Phil­an­thro­pie exis­tiert nicht in einem Silo. Die inhä­ren­ten Verbin­dun­gen zu dem Land oder die Moti­va­tio­nen des Gebers bestim­men, wie tief er oder sie in die Ermitt­lung des loka­len Kontex­tes und der Bedürf­nisse einsteigt.

Die Über­ein­stim­mung der Werte und Ziele des Gebers und des Empfän­gers kann eben­falls über Erfolg oder Miss­erfolg einer grenz­über­schrei­ten­den Initia­tive entschei­den. Auch das Umfeld der Phil­an­thro­pie wirkt sich auf das grenz­über­schrei­tende Spen­den aus. So haben viele Regie­run­gen in den letz­ten Jahren die Vorschrif­ten für grenz­über­schrei­tende Spen­den verschärft, so bspw. in Ungarn, der Türkei, Indien und ande­ren Ländern.

Wir dürfen auch nicht verges­sen, dass grenz­über­schrei­tende Phil­an­thro­pie nicht immer gleich ist. Stammt die grenz­über­schrei­tende Phil­an­thro­pie aus bestimm­ten Ländern wird sie mit viel mehr Miss­trauen betrach­tet. So werden beispiels­weise phil­an­thro­pi­sche Gelder aus Saudi-Arabien wegen der mögli­chen Verbrei­tung einer bestimm­ten reli­giö­sen Ideo­lo­gie mit Argwohn betrachte. Und die Arbeit der Soros-Stif­tung schürt in Ländern wie Ungarn Beden­ken wegen poli­ti­scher Einmischung.

Grenz­über­schrei­tende phil­an­thro­pi­sche Koope­ra­tio­nen brau­chen sichere Räume oder Platt­for­men für den Dialog, um die Bedürf­nisse besser zu verste­hen und Wissen auszu­tau­schen. Diese Art der Zusam­men­ar­beit kann dazu beitra­gen, die SDGs zu errei­chen. Sie birgt aber auch die Gefahr, die ohne­hin schon über­stra­pa­zier­ten Part­ner­schafts­mo­delle noch zusätz­lich zu belasten.

Was verste­hen Sie unter «Fall­schirm-Phil­an­thro­pie»?

Abstrakt ausge­drückt bedeu­tet Fall­schirm-Phil­an­thro­pie, dass eine phil­an­thro­pi­sche Fami­lie, eine Stif­tung, eine Einzel­per­son oder ein Unter­neh­men entschei­det, dass eine Gemein­schaft in einem weit entfern­ten Land einen bestimm­ten Bedarf hat. Diese Einrich­tung bemüht sich, diesen Bedarf zu decken. In der Regel macht die dies auf eine Art und Weise, die den Bedürf­nis­sen der Gemein­schaft nicht gerecht wird. Die Gemein­schaft wird als nicht klug genug ange­se­hen, um zu wissen, welche Bedürf­nisse sie hat.

Konkret meine ich mit Fall­schirm-Phil­an­thro­pie Ideen, Programme und Projekte, die vom globa­len Norden in den globa­len Süden getra­gen werden, ohne die loka­len Gege­ben­hei­ten zu berücksichtigen.

Können Sie ein konkre­tes Beispiel nennen?

Nehmen Sie das Beispiel des Giving Pledge, über das in den Medien viel gespro­chen und für das gewor­ben wurde. Es handelt sich dabei um eine Initia­tive von Gates und Buffet. Sie fordert die Reichs­ten der Welt auf, einen Teil ihres Vermö­gens für phil­an­thro­pi­sche Zwecke zu verwen­den. Dabei präsen­tiert sich das Duo selbst als Vorbil­der. Für einige mag es eine gross­ar­tige Idee gewe­sen sein, zu einem weite­ren Elite­club zu gehö­ren. In vielen Ländern wie Indien wurde dies jedoch nicht ebenso posi­tiv aufgenommen.

Es wurde berich­tet, dass einige der reichs­ten Geschäfts­leute des Landes die Tref­fen igno­rier­ten, als das Duo in Indien war. Andere wie Yusuf Hamied, Vorsit­zen­der und Geschäfts­füh­rer des Phar­ma­un­ter­neh­mens Cipla, äusser­ten sich offen kritisch.

Menschen geben einan­der, ohne es als Phil­an­thro­pie zu klassifizieren.

Gul Rukh Rahman

In den verschie­de­nen Kultu­ren wird Phil­an­thro­pie unter­schied­lich gehand­habt, und insbe­son­dere reli­giös bedingte Spen­den­prak­ti­ken werden in der Regel nicht thema­ti­siert. Wenn also führende west­li­che Phil­an­thro­pen mit einer Idee auftau­chen, die nicht Teil einer Kultur ist, dann ist es das, was ich mit Fall­schirm-Phil­an­thro­pie meine.

Man kann viele verpasste Chan­cen und verschwen­dete Ressour­cen beob­ach­ten, wenn wohl­mei­nende, aber schlecht infor­mierte Phil­an­thro­pen in einem Land landen, um die Retter zu spie­len. Dies hat neben ande­ren Proble­men in der Phil­an­thro­pie auch Miss­trauen hervorgerufen.

Wie ist die Daten­lage in Schwel­len­län­dern und wie kann sie verbes­sert werden?

Daten inner­halb der Phil­an­thro­pie sind in Schwel­len­län­dern nach wie vor begrenzt und manch­mal schwer fass­bar. Die ERFIP-Stif­tung Schweiz wurde gegrün­det, um zu versu­chen, Daten dieser Märkte zu sammeln. Dies war eine der Möglich­kei­ten, die Daten­lü­cke dieser Volks­wirt­schaf­ten zu schliessen.

Einer der Gründe für den Mangel an Daten ist, dass die Phil­an­thro­pie nicht so profes­sio­na­li­siert ist wie etwa in den USA. Menschen geben von Herzen, ohne unbe­dingt an Wirkungs­mes­sung inter­es­siert zu sein. Es gibt viel hori­zon­ta­les Geben. Menschen geben einan­der, ohne es als Phil­an­thro­pie zu klas­si­fi­zie­ren. Es ist Phil­an­thro­pie der Gemein­schaft und für die Gemeinschaft.

Phil­an­thro­pie in gros­sem Stil bleibt in Schwel­len­län­dern immer noch persön­lich. Wie wir wissen, befin­den sich grosse Unter­neh­men in diesen Volks­wirt­schaf­ten weiter­hin in Fami­li­en­be­sitz. Es besteht das Risiko, dass man einge­stuft wird als jemand der mehr tut als die Regie­rung. Daher gibt es ein inhä­ren­tes Miss­trauen gegen­über dem System und es werden keine oder nur wenige Daten geteilt.

Wie kann die Daten­lage verbes­sert werden? 

Eine einheit­li­che Methode zur Verbes­se­rung der Daten­er­he­bung kann es nicht geben. Jedes Land ist einzig­ar­tig und hat seine eigene Rechts- und Steu­er­po­li­tik. Daher gibt es keine Methode, die für alle passen. Ich kann mich nicht dazu äussern, da die Veröf­fent­li­chung von Spen­den­zah­len für einige steu­er­li­che Auswir­kun­gen haben kann oder für andere die Veröf­fent­li­chung mögli­cher­weise gegen ihre reli­giö­sen Über­zeu­gun­gen verstösst.

Dies soll bitte nicht falsch verstan­den werden. Wenn ich von steu­er­li­chen Auswir­kun­gen spre­che betrifft dies nicht nur Reiche aus Schwel­len­län­dern. Im Norden ist die Nutzung von Steu­er­oa­sen durch Phil­an­thro­pen und Unter­neh­men sowie andere Prak­ti­ken zur Steu­er­mi­ni­mie­rung weit verbrei­tet und üblich.

Daten­man­gel, Nord-Süd-Gefälle: Wie fähig ist die west­li­che Phil­an­thro­pie, auf regio­nale Vorstel­lun­gen einzu­ge­hen und das eigene Verständ­nis von Phil­an­thro­pie anzupassen?

Ich denke, dass Phil­an­thro­pie insge­samt in der Lage ist, Probleme anzu­ge­hen. Aber sie muss auf einer gerech­te­ren Grund­lage stehen.

Herkömm­li­cher­weise wird west­li­che Phil­an­thro­pie so verstan­den, dass Geld und Ideen aus dem Norden ziel­ge­rich­tet in Schwel­len­län­der flies­sen. Es besteht ein gros­ser Unter­schied zwischen der Art und Weise, wie ein west­li­cher Phil­an­throp Probleme in einem der Schwel­len­län­der wahr­nimmt und versteht, und der Frage, wie ein Einhei­mi­scher die Probleme und poten­zi­el­len Lösun­gen versteht.

Eine meiner eige­nen Beob­ach­tun­gen war, dass aufgrund der Macht­dy­na­mik der west­li­chen Phil­an­thro­pie einige der besten und inno­va­tivs­ten Arbei­ten und Lösun­gen von Grass­roots-Bewe­gun­gen igno­riert werden. Wenn die Phil­an­thro­pie aus dem Norden besser gerüs­tet und effi­zi­en­ter auf regio­nale Probleme reagie­ren will, braucht es Verhaltensänderungen.

Lokale Anker und lokale Phil­an­thro­pen entschei­den über eine erfolg­rei­che Umset­zung oder nicht. Typi­scher­weise posi­tio­niert sich ein einzel­ner Phil­an­throp oder eine Stif­tung als Experte und entschei­det, was am besten ist. Ich werde jedoch auf den Begriff der Pari­tät und Gerech­tig­keit zwischen west­li­chen Phil­an­thro­pen und ihren regio­na­len oder loka­len Kolle­gen zurückkommen.

Was muss geschehen?

Es besteht eine tiefere Notwen­dig­keit, die phil­an­thro­pi­sche Denk­weise zu deko­lo­ni­sie­ren. Diese Vorstel­lung, dass die west­li­che Phil­an­thro­pie es am besten weiss, weil sie Zugang zu mehr Forschung oder Zugang zu besse­ren Daten und tiefe­ren Taschen hat, ist bis zu einem gewis­sen Grad richtig.

Die wich­tigste Frage, die wir uns meines Erach­tens stel­len müssen, lautet: Was sind die sozio­öko­no­mi­schen und poli­ti­schen Rahmen­be­din­gun­gen, die die Ungleich­hei­ten weiter­hin nähren, und wie können sie beho­ben werden? Denn diese Rahmen­be­din­gun­gen schaf­fen das Bedürf­niss für globale Phil­an­thro­pie, für die Abhän­gig­keits­kul­tur und die Bettelschale.

Kann Phil­an­thro­pie zwischen Schwel­len- und West­län­dern gleich­be­rech­tigt statt­fin­den, solange ein gros­ses Wohl­stands­ge­fälle besteht – oder kann sie womög­lich eine Vorrei­ter­rolle einnehmen?

Meiner Meinung nach kann die Phil­an­thro­pie zwischen Schwel­len­län­dern und west­li­chen Ländern nicht gleich­be­rech­tigt sein. Dies hat mehrere Gründe, einschliess­lich des massi­ven Wohl­stands­ge­fäl­les. Wirt­schaft­lich benach­tei­ligte Länder, deren inef­fi­zi­ente und inef­fek­tive Regie­run­gen oft von west­li­chen Ländern unter­stützt werden, sind nicht in der Lage, ihren «wirt­schaft­li­chen Herren» in irgend­ei­ner Hinsicht, einschliess­lich der Phil­an­thro­pie, gleich­be­rech­tigte Part­ner zu sein.

Desmond Tutu, der grosse südafri­ka­ni­sche angli­ka­ni­sche Bischof und Anti-Apart­heid-Kämp­fer, sprach einmal über das Konzept der Neutra­li­tät und bezeich­nete Unter­drü­cker und Unter­drück­ten als Elefant und Maus. Ich werde die glei­che Analo­gie einer Maus und eines Elefan­ten verwen­den und fragen, ob irgend­wer jemals eine Maus und einen Elefan­ten als gleich­wer­tig einge­stuft hat?

Dieses mani­pu­lierte Spiel um Macht und Geld muss sich ändern.

Gul Rukh Rahman

Viele west­li­che Länder waren ehema­lige kolo­niale Besat­zer und üben weiter­hin poli­ti­schen, wirt­schaft­li­chen und sozia­len Einfluss auf ihre frühe­ren Kolo­nien aus. Ich bin frus­triert darüber, dass es in den Schwel­len­län­dern gross­ar­tige Phil­an­thro­pen gibt, die aber weder die Aner­ken­nung noch von den Medien die Platt­form erhal­ten, die sie verdienen.

Dieses mani­pu­lierte Spiel um Macht und Geld muss sich ändern. Es braucht einen Para­dig­men­wech­sel in der Art und Weise, wie Phil­an­thro­pie aus dem globa­len Süden und dem Norden an- und wahr­ge­nom­men wird. Das bedeu­tet, dass Phil­an­thro­pie und Phil­an­thro­pen aus dem Süden den Respekt erhal­ten, den sie verdie­nen. Dieje­ni­gen müssen zurück­ge­drängt werden, die die Phil­an­thro­pie als Instru­ment benut­zen, um sich im Westen zu profilieren.

Phil­an­thro­pie kann eine Vorrei­ter­rolle einneh­men und hat dies auch getan. Ich werde jedoch auf meine anfäng­li­che Behaup­tung zurück­kom­men, dass phil­an­thro­pi­sche Kapi­tal- oder Ideen­ströme von Nord nach Süd das alte kolo­niale Herr-Skla­ven-Denken wieder verstärken.

Ein Rück­fall in alte Strukturen?

Da die west­li­chen poli­ti­schen Mächte die Struk­tu­ren geschaf­fen haben, die das mensch­li­che Elend fort­be­stehen lassen, muss sich insbe­son­dere die Phil­an­thro­pie des Nordens mit den zugrun­de­lie­gen­den Ursa­chen befas­sen und versu­chen, diese in Part­ner­schaft mit ihren Kolle­gen im Süden anzugehen.

Wir müssen inno­va­tiv an die Phil­an­thro­pie heran­ge­hen und mögli­cher­weise neue Systeme und Wege des Gebens und Nehmens entwi­ckeln. Dies sind unbe­queme Gesprä­che über mani­pu­lierte Systeme, kaputte Ansätze und unglei­che Phil­an­thro­pie. Wir brau­chen inno­va­ti­ves Denken, um das alles zu ändern.


DAS Stra­te­gic and Opera­tio­nal Phil­an­thropy

Module 9 – Inter­ac­tion with regio­nal phil­an­thro­pic reali­ties
Spea­ker: Gul RUKH RAHMAN, Direc­tor, Empowe­ring Fami­lies for Inno­va­tive Phil­an­thropy (ERFIP) Foundation

Das DAS wurde von der UNIGE entwi­ckelt und gemein­sam mit dem Geneva Centre for Phil­an­thropy GCP, dem Geneva Finance Rese­arch Insti­tute GFRI und Geneven­sis Commu­ni­ca­ti­ons entwi­ckelt.
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