Welche Rolle haben die Medien in unserer Gesellschaft?
Als vierte Gewalt haben sie eine sehr wichtige Funktion für die Demokratie, gerade bei Abstimmungen und Wahlen, aber auch sonst bei relevanten Themen. Vertiefte journalistische Arbeit ist notwendig. Dort, wo der Markt die von uns erwünschte Diversität in der Medienlandschaft nicht sicherstellen kann, braucht es einen finanziellen Zustupf von Seiten der Öffentlichkeit, von den Kantonen oder vom Bund.
Verschiedene Aspekte der Medienpolitik beschäftigen das Parlament aktuell. Wie soll die Presseförderung idealerweise aussehen?
Entscheidend ist: Die Presseförderung soll unabhängig vom Kanal und Geschäftsmodell erfolgen. Heute wird bei der indirekten Presseförderung stark das Abo als führendes Modell und der Papierdruck und ‑versand als führender Kanal angesehen, was schlussendlich die Qualität garantieren soll.
Die indirekte Presseförderung subventioniert die Zustellung von Zeitungen und Zeitschriften. Das sehen Sie als problematisch?
Ja, denn so investieren wir in die Vergangenheit, in den Erhalt der gedruckten Zeitung und des Abo-Modells anstatt in die Zukunft, in den Online-Bereich, dorthin, wo sich die Medien der Zukunft ausrichten müssen. Zudem verzerrt es den Wettbewerb, denn Online-Medien sowie Geschäftsmodelle, die ohne Abo funktionieren, werden dabei benachteiligt. Die Finanzierung des Medienunternehmens kann über Sponsoren, Werbeeinnahmen oder anderweitig funktionieren. Auch ein Medium, das sich entscheidet, seine Inhalte gratis der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen, darf nicht benachteiligt werden. Die Förderung digitaler Medien soll genauso möglich sein wie der herkömmlichen anderen Kanäle. Entscheidend ist der Inhalt. Das Medium muss relevanten Inhalt produzieren.
Deswegen setzen Sie sich für die kanalunabhängige Medienförderung ein. In einem Postulat haben Sie den Bundesrat aufgefordert, Fragen zu einer zukunftsgerichteten Medienförderung zu beantworten.
Auch wenn Albert Rösti für den Bericht verantwortlich zeichnet – und wir ja die Position der SVP in der Frage der Medienförderung eigentlich kennen – fand ich den Bericht sehr progressiv. Er ist sehr zukunftsgerichtet ausgefallen. Er enthält, was ich persönlich unter zukunftsgerichteter Medienförderung erwartet habe. Auch wenn der Bundesrat bei wenigen, aber zentralen Punkten seine Position nicht klar deklarieren will, ist die Auslegeordnung sehr gut gelungen.
Was ist der Stand heute?
Wir sind an der Umsetzung. Die Parlamentskommission KVF‑N hat gewisse Punkte aufgegriffen. Im Nationalrat haben wir die Kommissionsmotion «Einführung kanal- und geschäftsmodellunabhängiger Förderung elektronischer Medien», die aus dem Postulatsbericht hervorgegangen ist, bereits behandelt und angenommen. Nun ist der Ständerat – wohl in der Wintersession – an der Reihe. Es ist wichtig, dies nun weiter voranzutreiben.
Was ist der Zeithorizont, bis erste Massnahmen umgesetzt werden?
Die Punkte, die jetzt auf den Weg geschickt wurden und im letzten Medienpaket schon enthalten waren, dürften relativ schnell umgesetzt werden können. Was die Online-Medien betrifft, dürfte es etwas länger dauern. Schliesslich funkt uns auch noch die SRG-Halbierungsinitiative dazwischen. Alle diese politischen Geschäfte sind ineinander verzahnt.
«Wenn immer möglich, sollte es der private Markt regeln.»
Katja Christ
Sehen Sie im Parlament einen Konsens für eine zielgerichtete Unterstützung der Medienvielfalt?
Grundsätzlich sehe ich eine Mehrheit. Aber die Herausforderung liegt im Detail. Es ist eine komplexe Angelegenheit. Wir müssten die ganze Medienförderung grundsätzlich überdenken. Wie schafft man ein Dach über alle Medien, so dass jene, die es brauchen, eine staatliche Unterstützung erhalten. Gleichzeitig darf die staatliche Unterstützung den Markt nicht verzerren. In das ganze Paket der Medienförderung kommt nun auch noch die Thematik SRG hinzu. Die Halbierungsinitiative führt aktuell zu vielen Diskussion, und auch dort ist eines der Hauptthemen, dass die SRG als quasi staatlicher Player nun mehr und mehr anfängt, private Medienunternehmen zu konkurrenzieren. Das darf nicht sein, und dieser Problematik müssen wir uns annehmen. Denn verständlicher- und auch notwendigerweise muss die SRG nun auch in den Online-Bereich investieren, wo die Zukunft liegt. Dort aber gibt es Anbieter des privaten Marktes, die sich dadurch benachteiligt sehen. Weder sollte man der SRG den Schritt in den Online-Markt verbieten noch möchte man einen staatlich finanzierten Player als übermächtigen Konkurrenten auf dem Markt haben, der die kleinen lokalen Medienhäuser verdrängt. Wir haben also noch grössere Fragen offen, die geklärt werden müssen.
Weshalb braucht es überhaupt eine staatliche Medienförderung?
Das hängt davon ab, wie man Service Public definiert. Und die entscheidende Frage ist: Wo spielt der Markt und wo nicht? Ich bin eine liberale Politikerin. Wenn immer möglich, sollte es der private Markt regeln. Der Staat soll nur eingreifen, solange es ihn braucht.
Das ist bei den Medien der Fall?
Wir müssen uns ehrlicherweise fragen, wie stark der Markt noch spielt, um regionale, aber auch nationale Informationen von einer gewissen Qualität und Tiefgründigkeit zu erhalten. Der Markt spielt zwar grundsätzlich, aber auf einer anderen Klaviatur.
Das heisst?
Wir sprechen von internationalen Plattformen und schneller Medienberichterstattung, die tendenziell eher an der Oberfläche bleiben. Sie informieren zwar grundsätzlich über das Geschehen. Aber tiefgreifende Recherchen über ein Thema fehlen gerade bei lokalen Ereignissen, bspw. bei Wahlen in den Regionen. Hier spielt der Markt zu wenig stark. Die Bereitschaft, für diese Leistung zu zahlen, nimmt ab. Ich beobachte dies bei Jugendlichen. Sie sind sehr gut informiert, aber eben oft auch stark an der Oberfläche. Sie sind selten bereit, einen Medienartikel von A bis Z zu lesen, ausser es handelt sich um ein Thema, das sie ganz speziell interessiert.
Wächst die junge Generation in einem Medienumfeld auf, das nicht ihren Ansprüchen gerecht wird?
Das würde ich nicht sagen. Die meisten Medien haben ein gutes Online-Angebot. Das Problem ist, dass bei den Jungen die Bereitschaft zu bezahlen fehlt. Deswegen brachte ich die Idee von Mediengutscheinen für 16- bis 25-Jährige ein. So könnten sie überhaupt den Unterschied erfahren zwischen Medien, die gratis verfügbar sind, und jenen, die kosten. Sie würden abschätzen lernen, welchen Wert beide haben. Allerdings sind nicht nur die Jungen in der Pflicht. Auch die Medien müssen sich anpassen.
Was können sie machen?
Es braucht ein Angebot, das im Aufbau anders funktioniert. Ich nenne als Beispiel Spotify. Als die ganze Musik online verfügbar war und die Musikbranche am Abgrund stand, musste sich die Branche neu organisieren. Und die Lösung hat überzeugt: ein Login, eine Plattform. Bei Spotify sind die Jungen bereit, ihren ersten Fünfliber aus dem Sackgeld zu bezahlen. In der Medienlandschaft ist der Zugang zum Angebot und das Handling noch nicht in der Art vorhanden, die notwendig wäre. Meiner Meinung nach braucht es eine Plattform, auf der ich pro Monat einen Betrag zahle und aus den verschiedenen Medientiteln individuell das zusammenstellen kann, was mich interessiert. Schwierig ist es, wenn ich bei jeder Zeitung ein Abo lösen oder mich jedes Mal einloggen muss, um einen Franken zu zahlen für einen Artikel, den ich lesen will. Da ist das Handling noch mangelhaft. Da hoffe ich auf eine gewisse Innovation.
Besteht nicht die Gefahr, dass staatliche Förderung die Entwicklung der Medien verzögert, weil es den Druck wegnimmt, auf gesellschaftliche und technologische Entwicklungen zeitnah zu reagieren? Die indirekte Presseförderung erhält vielleicht auch gewisse gedruckte Publikationen am Leben, die heute nicht mehr wirtschaftlich tragbar und auch nicht zukunftsfähig sind.
Hier bin ich zu 100 Prozent bei Ihnen. Ich hatte auch das Medienpaket abgelehnt. Wir sollten in die Zukunft investieren und damit den Medien bei der Transformation in die digitale Welt behilflich sein. Unterstützen wir die grossen Medienhäuser beispielsweise bei der Früh- und Sonntagszustellung, konkurrenzieren wir damit die Online-Medien genau dort, wo sie ihren natürlichen Vorteil haben. Die Unterstützung für die Förderung von gedruckten Publikationen ist ein Auslaufmodell. Natürlich gibt es noch einen Teil der Bevölkerung, der gedruckte Medien konsumiert, und das darf auch so sein. Das soll auch nicht verboten werden. Aber wenn eine staatliche Förderung die Vielfalt im Land stärken will, dann sollte man die digitalen Medien fördern, gerade auch die lokalen, die Start-ups. Dort sollte der grosse Teil der Unterstützung hinfliessen und nicht zu den grossen etablierten Konzernen, die dann noch weniger Anreiz verspüren, im digitalen Bereich vorwärtszumachen.
Wäre es in dem Fall nicht sinnvoll, die Förderung bspw. an ein gemeinnütziges Modell zu knüpfen?
Die Förderung soll nicht an ein Geschäftsmodell geknüpft sein. Wir müssen die Gesetze so gestalten, dass die Förderung auch für die Zukunft stimmt. Es gibt reine Abo-Modelle, Modelle mit Werbung, bei denen ich die Werbung mit dem Lösen eines Abos abstellen kann, und in ein paar Jahren gibt es vielleicht wieder neue Modelle. Natürlich müssen wir eine Unterstützung degressiv ausgestalten; und das haben wir bei den Vorschlägen zur Medienförderung auch immer getan. Somit ist sichergestellt, dass kleinere Unternehmen mehr profitieren können als die grossen Konzerne. Ein Start-up braucht vor allem am Anfang mehr Unterstützung. Wir wollen ja die Vielfalt fördern. Wir müssen die Förderung im Detail so umsetzen, dass die Anreize richtig gesetzt sind, um unsere Ziele zu erreichen.
Welche Medientitel konsumieren Sie?
Eigentlich konsumiere ich alle Medien. Schwerpunktmässig sind das die regionalen Medien in Basel. Und natürlich ist es für mich unmöglich, alle Medien jeden Tag zu konsumieren. Da setze ich Schwerpunkte und prüfe, ob etwas mich respektive meine Kommissionsarbeit betrifft, wo ich in die Tiefe gehen sollte. Ich sehe es als meine Pflicht als Politikerin, mich über alle Medien hinweg informiert zu halten.
Und über welchen Kanal konsumieren Sie selbst die Medien?
Bei mir ist alles digital, was digital erhältlich ist.
Wie beurteilen Sie das Angebot?
In Basel-Stadt bin ich sehr gut bedient. Neben der Basler Zeitung von Tamedia und der BZ von CH Media haben wir noch mindestens drei Online-Medien, die eine sehr gute lokale Berichterstattung bieten. Sie berichten über Wahlen, Abstimmungen und andere lokale Ereignisse. Alle drei sind unterschiedlich finanziert und publizieren online. Es wäre schön, wenn andere Regionen in der Schweiz auch eine solche Vielfalt hätten.
Heute können Sie als Politikerin über diverse Kanäle selbst mit Ihrer Wählerschaft kommunizieren. Bringen unabhängige Medien für Sie als Politikerin überhaupt noch einen Mehrwert?
Eine unabhängige Medienlandschaft bringt es mit sich, dass es Medientitel gibt mit einer gewissen politischen Färbung. Und das ist auch gut so. Deswegen brauchen wir aber auch unbedingt eine Vielfalt. Darüber hinaus haben wir die SRG, von der wir erwarten, dass sie möglichst politisch neutral berichtet, die Argumente aller Parteien auf den Tisch legt.
Hat sich seit dem Beginn Ihrer politischen Arbeit die Medienlandschaft verändert? Ist es schwieriger geworden, als Partei die Botschaften in den Medien zu platzieren, weil die Polarisierung Polparteien bevorzugt?
Die Medienberichterstattungen haben sich parallel zum politischen Geschehen entwickelt. Mit der Stärkung einiger politischer Parteien oder Bundeshausfraktionen konzentrieren sich die Medien verstärkt auch auf deren Meinungen, die in der Bevölkerung gefragt sind. Als ich auf nationaler Ebene begonnen habe zu politisieren, war das Umfeld etwas progressiver und weltoffener. Es war geprägt von mehr Ökologie, mehr Frauen in der Politik, mehr Offenheit – und stärker nach vorne gerichtet. Nach der Pandemie und mit dem Krieg in Europa hat sich das schon verändert. Hier merke ich eine grössere Verschlossenheit und eine konservative Ausrichtung. Die Leute ziehen sich zurück. Sie möchten sich mehr schützen, mehr abgrenzen und haben eher Angst und weniger Geld. Das verändert die Wahlresultate und die mediale Berichterstattung. Es gibt für differenzierte Positionen vielleicht weniger Leserschaft. Deshalb orientieren sich die Medien bei ihrer Berichterstattung wohl eher an den politischen Polen.
Nutzen Sie die verschiedenen Medienkanäle anders? Sind Sie bspw. vorsichtiger bei Auftritten für Online-Medien?
Ich habe mich nicht verändert. Als Juristin und Anwältin war ich schon früh darin geschult. Deswegen war ich mir schon immer bewusst, wenn ich mich äussere, geschieht dies gegenüber der Öffentlichkeit. Verändert haben sich sicher die Online-Kanäle, auf welchen man kommunizieren kann. Der Wechsel von Twitter zu X hat einen starken Wandel bedeutet. Auch Facebook eignet sich heute weniger für politische Äusserungen. Während Instagram noch von allen benutzt wird, bedeutet eine Verschiebung zu TikTok den Wechsel in einen Kanal, der sich weniger für tiefgründige Inhalte eignet. Insgesamt wird es schwieriger zu entscheiden, auf welchen Kanälen wir selbst überhaupt noch kommunizieren wollen. Für mich ist der führende Kanal LinkedIn.
Und die klassischen Medien?
Wenn über ein Thema in den Medien berichtet wird, ist das noch immer sehr wertvoll. Ich kann dies dann auf den sozialen Medien zusammen mit einem persönlichen Kommentar teilen. Das nimmt die Öffentlichkeit sicher anders wahr, als wenn ich nur meine persönliche Meinung kundtue.