Dominique Jakob, Zentrum für Stiftungsrecht, Universität Zürich. Bild: zVg Dominique Jakob

Zürcher Stif­tungs­rechts­tag 2025: Zeit­ge­mässe Lösun­gen für einen moder­nen Sektor

Am 30. Januar 2025 steht der 7. Zürcher Stiftungsrechtstag ganz im Zeichen der Modernisierung des Stiftungsrechts. Unter dem Motto #stiftungenzeitgemäss wird diskutiert, wie rechtliche Rahmenbedingungen den Stiftungsstandort Schweiz zukunftsfähig machen können.


Der Zürcher Stif­tungs­rechts­tag hat sich in den letz­ten Jahren als Platt­form etabliert, um aktu­elle Heraus­for­de­run­gen und Chan­cen im Stif­tungs­sek­tor zu beleuch­ten. 2025 befasst sich mit Themen wie unter­neh­me­ri­sche Förder­mo­delle, die Reform der Fami­li­en­stif­tung, steu­er­li­che Rahmen­be­din­gun­gen und den Umgang mit Trans­pa­renz­pflich­ten. Domi­ni­que Jakob ordnet im Inter­view die Situa­tion von Fami­li­en­stif­tun­gen ein und erläu­tert was eine Reform dies­be­züg­lich für die Nach­lass­pla­nun­gen in der Schweiz und ganz gene­rell für den Stif­tung­s­tand­ort bedeu­ten würde.

Das Thema des 7. Stif­tungs­tags lautet #stif­tun­gen­zeit­ge­mäss. Ist ein juris­ti­sches Vorwis­sen notwen­dig, um an der Tagung teilzunehmen?

Auch wenn es sich um den Stif­tungsrechtstag handelt, versu­chen wir immer, Themen von allge­mei­nem Inter­esse ins Zentrum zu stel­len: Wie sich die Stand­orte entwi­ckeln, wie die Aufsichts- oder Steu­er­be­hör­den mit Stif­tun­gen umge­hen, wie die Pflich­ten eines Stif­tungs­rats sind und wie beispiels­weise unter­neh­me­ri­sche Förder­mo­delle umge­setzt werden können, sind im Kern zwar recht­li­che Fragen, die aber selbst­ver­ständ­lich auch für viele andere Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer des Sektors rele­vant sind und von diesen im Grund­satz auch beherrscht werden soll­ten. Inso­fern reicht Freude und Inter­esse an Stif­tun­gen, es braucht keine Exper­tise im Stiftungsrecht.

Wie sieht es denn aus mit der rele­vante Recht­spre­chung im Stif­tungs­sek­tor. Ist diese zeitgemäss?

Jein. Hier­bei muss man wissen, dass es im klas­si­schen Stif­tungs­recht nur in sehr spezi­fi­schen Konstel­la­tio­nen über­haupt zu Gerichts­ent­schei­dun­gen kommt. Meis­tens müssen wir die Behör­den­pra­xis anschauen, wenn wir über zeit­ge­mässe Rahmen­be­din­gun­gen spre­chen wollen: der Aufsichts­be­hör­den, aber allen voran auch der Steuer- und Handels­re­gis­ter­be­hör­den. Sicher nicht zeit­ge­mäss ist jedoch die gericht­li­che Recht­spre­chung in Bezug auf Fami­li­en­stif­tun­gen. Hier ist die Entschei­dungs­pra­xis in den fünf­zi­ger Jahren stehen geblie­ben und verschliesst sich neuen gesell­schaft­li­chen Entwick­lun­gen. Genau das ist der Grund, dass jetzt der Gesetz­ge­ber einschrei­ten muss, um die Recht­spre­chung zu korri­gie­ren und hoffent­lich für die Libe­ra­li­sie­rung der Fami­li­en­stif­tung in der Schweiz zu sorgen. 

Der Kanton Zürich hat eine Initia­tive gestar­tet und dabei seine Praxis zur Steu­er­be­frei­ung gemein­nüt­zi­ger Stif­tun­gen ange­passt. Haben Sie schon erste Auswir­kun­gen beobachtet?

In der Tat haben die ersten Praxis­fälle zu unter­neh­me­ri­schen Förder­mo­del­len gezeigt, dass die Steu­er­be­hör­den die Praxis­än­de­rung mit Leben füllen und sinn­volle Projekte, gege­be­nen­falls nach einem gewis­sen Abtas­ten und Verste­hen, auch ermög­li­chen wollen. Ein wirk­li­cher Para­dig­men­wech­sel ist aber bei den Vergü­tun­gen von Stif­tungs­rä­ten einge­tre­ten. Diese werden dort geprüft, wo sie hinge­hö­ren, nämlich bei der Aufsichts­be­hörde auf ihre stif­tungs­recht­li­che Zuläs­sig­keit. Dies wird nun von den Zürcher Steu­er­be­hör­den auch bei steu­er­be­frei­ten Stif­tun­gen akzep­tiert. Dies ist ein wahrer Quan­ten­sprung, den wir tatsäch­lich der Zürcher Stand­ort­in­itia­tive zu verdan­ken haben.

Dies ist ein wahrer Quan­ten­sprung, den wir tatsäch­lich der Zürcher Stand­ort­in­itia­tive zu verdan­ken haben.

Domi­ni­que Jacob, Zentrum für Stif­tungs­recht, Univer­si­tät Zürich

Das Parla­ment hat die Motion Burkart zur Libe­ra­li­sie­rung der Schwei­zer Fami­li­en­stif­tung ange­nom­men – Stän­de­rat Thierry Burkart gehört zu den Refe­ren­ten der Tagung –. Welche Folgen erwar­ten Sie, würde diese Geset­zes­an­pas­sung für gemein­nüt­zige Stif­tun­gen haben?

Es ist wich­tig, zu beto­nen, dass in der Bevöl­ke­rung ein gros­ses Bedürf­nis nach einer struk­tu­rier­ten Nach­lass- und Vermö­gens­pla­nung besteht, und das nicht nur bei den soge­nann­ten Super­rei­chen. In der Schweiz werden jedes Jahr rund 90 Milli­ar­den Fran­ken an Nach­lass­ver­mö­gen an die Nach­fol­ge­ge­nera­tion über­tra­gen. Derzeit muss jeder Schwei­zer, der eine entspre­chende Planung betrei­ben will, auf ein auslän­di­sches Insti­tut auswei­chen, also beispiels­weise eine liech­ten­stei­ni­sche Stif­tung oder einen anglo­ame­ri­ka­ni­schen Trust. Dies macht nicht nur makro­öko­no­misch keinen Sinn, es würde einem Finanz­platz wie der Schweiz auch gut anste­hen, selbst die Gover­nance über solche Gestal­tun­gen nach schwei­ze­ri­schen recht­li­chen Stan­dards auszu­üben. Eine Reform hätte also einer­seits einen direk­ten Effekt auf die Schwei­zer Nach­lass­pla­nung, die Unter­neh­mens­nach­folge und die Perp­etu­ie­rung fami­liä­rer Werte. Bleibt aber das Vermö­gen in der Schweiz, werden ande­rer­seits auch viele poten­zi­elle Phil­an­thro­pen, die sonst bereits eine liech­ten­stei­ni­sche Stif­tung hätten, insge­samt ihre Stif­tungs­ak­ti­vi­tät in der Schweiz entfal­ten. Zudem sind die Motive von Stif­te­rin­nen und Stif­tern häufig gemischt, sodass auch gemischte Stif­tungs­pro­jekte zuneh­men dürf­ten, die sonst woan­ders hingin­gen. Die Libe­ra­li­sie­rung der Fami­li­en­stif­tung würde also den Stif­tungs­sek­tor insge­samt stär­ken und wäre – so jeden­falls die These, die ich am Stif­tungs­rechts­tag zur Diskus­sion stelle – viel­leicht das letzte Puzzle­stück für einen moder­nen Stif­tungs­stand­ort Schweiz.

Im Kampf gegen die Geld­wä­sche­rei liegt der Vorschlag eines Trans­pa­renz­re­gis­ters auf dem Tisch. Aktu­ell wird über Ausnah­me­re­ge­lun­gen für Stif­tun­gen gestrit­ten. Macht es juris­tisch Sinn, die Stif­tun­gen von dieser Trans­pa­renz­pflicht zu befreien?

Aus meiner Sicht ja. Das liegt zum einen daran, dass klas­si­sche Stif­tun­gen tatsäch­lich keine wirt­schaft­lich Berech­tig­ten aufwei­sen, weil das Geld ausschliess­lich der eigen­tü­mer­lo­sen und zweck­ge­bun­de­nen Stif­tung gehört. Jeden­falls nicht wirt­schaft­lich berech­tigt ist der Stif­tungs­rat, der im Entwurf anstelle nicht vorhan­de­ner wirt­schaft­lich Berech­tig­ter heran­ge­zo­gen wird – das ist wirk­lich ein gänz­lich verfehl­tes Bild, welches Stif­tungs­rä­ten mögli­cher­weise sogar gefähr­lich werden kann. Vor allem aber haben wir bei der Stif­tung bereits ausrei­chende Trans­pa­renz, sie ist im Handels­re­gis­ter einge­tra­gen und unter­steht der Aufsicht durch die Aufsichts­be­hörde (und bei Steu­er­be­frei­ung auch der Steu­er­be­hörde). Aus diesem Grund soll­ten klas­si­sche Stif­tun­gen von der Regis­ter­pflicht ausge­nom­men werden, genauso wie das bei Perso­nal­vor­sor­ge­stif­tun­gen ohne grös­sere öffent­li­che Diskus­sion gesche­hen ist. 

Stif­tun­gen sind oft von Geset­zes­än­de­run­gen betrof­fen, die eigent­lich Frage­stel­lun­gen für Profit­or­ga­ni­sa­tio­nen beant­wor­ten sollen, etwa auch bei der Mehr­wert­steuer. Ist der Stif­tungs­sek­tor ange­mes­sen im Gesetz­ge­bungs­pro­zess vertreten?

Es ist schon lange das Problem, dass Stif­tun­gen tatsäch­lich nur eine geringe poli­ti­sche Lobby haben und das Verständ­nis betref­fend Rechts­form und Sektor nur schwach ausge­prägt ist. Das ist einer­seits nicht wirk­lich verständ­lich, weil viele Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­ker in Stif­tun­gen aktiv sind, ande­rer­seits aber auch gefähr­lich, weil Stif­tun­gen eben juris­ti­sche Perso­nen sind und dadurch zum Spiel­ball von Gesetz­ge­bungs­pro­jek­ten werden, die eigent­lich gar nicht auf sie abzie­len, sondern beispiels­weise auf Akti­en­ge­sell­schaf­ten. Somit ist unser Stif­tungs­recht ein eher will­kür­li­ches Produkt unko­or­di­nier­ter Initia­ti­ven und nicht das Ergeb­nis einer eigent­li­chen Stiftungsstrategie. 

Es ist schon lange das Problem, dass Stif­tun­gen tatsäch­lich nur eine geringe poli­ti­sche Lobby haben und das Verständ­nis betref­fend Rechts­form und Sektor nur schwach ausge­prägt ist. 


Die Stif­tungs­recht­re­form, die am 1.1.2024 in Kraft getre­ten ist, zeigt dies eben­falls: von Anfang an keine ganz­heit­lich ange­dachte Reform, bestand sie aus acht Einzel­vor­schlä­gen, von denen sich die parla­men­ta­ri­schen Kammern einige wenige heraus­ge­pickt und im Diffe­renz­be­rei­ni­gungs­ver­fah­ren auch noch sehr unglück­lich abge­än­dert haben. Natür­lich klagen wir in der Schweiz auf hohem Niveau. Das liegt aber auch daran, dass wir Sektor­prot­ago­nis­ten dafür kämp­fen, die libe­ra­len Rahmen­be­din­gun­gen für Stif­tun­gen zu bewah­ren und best­mög­lich für den Sektor nutz­bar zu machen. Die Zürcher Stand­ort­in­itia­tive ist ein Beispiel dafür – auf diese können wir wirk­lich stolz sein.

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