Der Zürcher Stiftungsrechtstag hat sich in den letzten Jahren als Plattform etabliert, um aktuelle Herausforderungen und Chancen im Stiftungssektor zu beleuchten. 2025 befasst sich mit Themen wie unternehmerische Fördermodelle, die Reform der Familienstiftung, steuerliche Rahmenbedingungen und den Umgang mit Transparenzpflichten. Dominique Jakob ordnet im Interview die Situation von Familienstiftungen ein und erläutert was eine Reform diesbezüglich für die Nachlassplanungen in der Schweiz und ganz generell für den Stiftungstandort bedeuten würde.
Das Thema des 7. Stiftungstags lautet #stiftungenzeitgemäss. Ist ein juristisches Vorwissen notwendig, um an der Tagung teilzunehmen?
Auch wenn es sich um den Stiftungsrechtstag handelt, versuchen wir immer, Themen von allgemeinem Interesse ins Zentrum zu stellen: Wie sich die Standorte entwickeln, wie die Aufsichts- oder Steuerbehörden mit Stiftungen umgehen, wie die Pflichten eines Stiftungsrats sind und wie beispielsweise unternehmerische Fördermodelle umgesetzt werden können, sind im Kern zwar rechtliche Fragen, die aber selbstverständlich auch für viele andere Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Sektors relevant sind und von diesen im Grundsatz auch beherrscht werden sollten. Insofern reicht Freude und Interesse an Stiftungen, es braucht keine Expertise im Stiftungsrecht.
Wie sieht es denn aus mit der relevante Rechtsprechung im Stiftungssektor. Ist diese zeitgemäss?
Jein. Hierbei muss man wissen, dass es im klassischen Stiftungsrecht nur in sehr spezifischen Konstellationen überhaupt zu Gerichtsentscheidungen kommt. Meistens müssen wir die Behördenpraxis anschauen, wenn wir über zeitgemässe Rahmenbedingungen sprechen wollen: der Aufsichtsbehörden, aber allen voran auch der Steuer- und Handelsregisterbehörden. Sicher nicht zeitgemäss ist jedoch die gerichtliche Rechtsprechung in Bezug auf Familienstiftungen. Hier ist die Entscheidungspraxis in den fünfziger Jahren stehen geblieben und verschliesst sich neuen gesellschaftlichen Entwicklungen. Genau das ist der Grund, dass jetzt der Gesetzgeber einschreiten muss, um die Rechtsprechung zu korrigieren und hoffentlich für die Liberalisierung der Familienstiftung in der Schweiz zu sorgen.
Der Kanton Zürich hat eine Initiative gestartet und dabei seine Praxis zur Steuerbefreiung gemeinnütziger Stiftungen angepasst. Haben Sie schon erste Auswirkungen beobachtet?
In der Tat haben die ersten Praxisfälle zu unternehmerischen Fördermodellen gezeigt, dass die Steuerbehörden die Praxisänderung mit Leben füllen und sinnvolle Projekte, gegebenenfalls nach einem gewissen Abtasten und Verstehen, auch ermöglichen wollen. Ein wirklicher Paradigmenwechsel ist aber bei den Vergütungen von Stiftungsräten eingetreten. Diese werden dort geprüft, wo sie hingehören, nämlich bei der Aufsichtsbehörde auf ihre stiftungsrechtliche Zulässigkeit. Dies wird nun von den Zürcher Steuerbehörden auch bei steuerbefreiten Stiftungen akzeptiert. Dies ist ein wahrer Quantensprung, den wir tatsächlich der Zürcher Standortinitiative zu verdanken haben.
Dies ist ein wahrer Quantensprung, den wir tatsächlich der Zürcher Standortinitiative zu verdanken haben.
Dominique Jacob, Zentrum für Stiftungsrecht, Universität Zürich
Das Parlament hat die Motion Burkart zur Liberalisierung der Schweizer Familienstiftung angenommen – Ständerat Thierry Burkart gehört zu den Referenten der Tagung –. Welche Folgen erwarten Sie, würde diese Gesetzesanpassung für gemeinnützige Stiftungen haben?
Es ist wichtig, zu betonen, dass in der Bevölkerung ein grosses Bedürfnis nach einer strukturierten Nachlass- und Vermögensplanung besteht, und das nicht nur bei den sogenannten Superreichen. In der Schweiz werden jedes Jahr rund 90 Milliarden Franken an Nachlassvermögen an die Nachfolgegeneration übertragen. Derzeit muss jeder Schweizer, der eine entsprechende Planung betreiben will, auf ein ausländisches Institut ausweichen, also beispielsweise eine liechtensteinische Stiftung oder einen angloamerikanischen Trust. Dies macht nicht nur makroökonomisch keinen Sinn, es würde einem Finanzplatz wie der Schweiz auch gut anstehen, selbst die Governance über solche Gestaltungen nach schweizerischen rechtlichen Standards auszuüben. Eine Reform hätte also einerseits einen direkten Effekt auf die Schweizer Nachlassplanung, die Unternehmensnachfolge und die Perpetuierung familiärer Werte. Bleibt aber das Vermögen in der Schweiz, werden andererseits auch viele potenzielle Philanthropen, die sonst bereits eine liechtensteinische Stiftung hätten, insgesamt ihre Stiftungsaktivität in der Schweiz entfalten. Zudem sind die Motive von Stifterinnen und Stiftern häufig gemischt, sodass auch gemischte Stiftungsprojekte zunehmen dürften, die sonst woanders hingingen. Die Liberalisierung der Familienstiftung würde also den Stiftungssektor insgesamt stärken und wäre – so jedenfalls die These, die ich am Stiftungsrechtstag zur Diskussion stelle – vielleicht das letzte Puzzlestück für einen modernen Stiftungsstandort Schweiz.
Im Kampf gegen die Geldwäscherei liegt der Vorschlag eines Transparenzregisters auf dem Tisch. Aktuell wird über Ausnahmeregelungen für Stiftungen gestritten. Macht es juristisch Sinn, die Stiftungen von dieser Transparenzpflicht zu befreien?
Aus meiner Sicht ja. Das liegt zum einen daran, dass klassische Stiftungen tatsächlich keine wirtschaftlich Berechtigten aufweisen, weil das Geld ausschliesslich der eigentümerlosen und zweckgebundenen Stiftung gehört. Jedenfalls nicht wirtschaftlich berechtigt ist der Stiftungsrat, der im Entwurf anstelle nicht vorhandener wirtschaftlich Berechtigter herangezogen wird – das ist wirklich ein gänzlich verfehltes Bild, welches Stiftungsräten möglicherweise sogar gefährlich werden kann. Vor allem aber haben wir bei der Stiftung bereits ausreichende Transparenz, sie ist im Handelsregister eingetragen und untersteht der Aufsicht durch die Aufsichtsbehörde (und bei Steuerbefreiung auch der Steuerbehörde). Aus diesem Grund sollten klassische Stiftungen von der Registerpflicht ausgenommen werden, genauso wie das bei Personalvorsorgestiftungen ohne grössere öffentliche Diskussion geschehen ist.
Stiftungen sind oft von Gesetzesänderungen betroffen, die eigentlich Fragestellungen für Profitorganisationen beantworten sollen, etwa auch bei der Mehrwertsteuer. Ist der Stiftungssektor angemessen im Gesetzgebungsprozess vertreten?
Es ist schon lange das Problem, dass Stiftungen tatsächlich nur eine geringe politische Lobby haben und das Verständnis betreffend Rechtsform und Sektor nur schwach ausgeprägt ist. Das ist einerseits nicht wirklich verständlich, weil viele Politikerinnen und Politiker in Stiftungen aktiv sind, andererseits aber auch gefährlich, weil Stiftungen eben juristische Personen sind und dadurch zum Spielball von Gesetzgebungsprojekten werden, die eigentlich gar nicht auf sie abzielen, sondern beispielsweise auf Aktiengesellschaften. Somit ist unser Stiftungsrecht ein eher willkürliches Produkt unkoordinierter Initiativen und nicht das Ergebnis einer eigentlichen Stiftungsstrategie.
Es ist schon lange das Problem, dass Stiftungen tatsächlich nur eine geringe politische Lobby haben und das Verständnis betreffend Rechtsform und Sektor nur schwach ausgeprägt ist.
Die Stiftungsrechtreform, die am 1.1.2024 in Kraft getreten ist, zeigt dies ebenfalls: von Anfang an keine ganzheitlich angedachte Reform, bestand sie aus acht Einzelvorschlägen, von denen sich die parlamentarischen Kammern einige wenige herausgepickt und im Differenzbereinigungsverfahren auch noch sehr unglücklich abgeändert haben. Natürlich klagen wir in der Schweiz auf hohem Niveau. Das liegt aber auch daran, dass wir Sektorprotagonisten dafür kämpfen, die liberalen Rahmenbedingungen für Stiftungen zu bewahren und bestmöglich für den Sektor nutzbar zu machen. Die Zürcher Standortinitiative ist ein Beispiel dafür – auf diese können wir wirklich stolz sein.