Was war Ihr Einstieg ins Thema Impact Investing?
Als wir unsere Zusammenarbeit vor 17 Jahren begannen, hatten die Gründer von elea, Susanne und Peter Wuffli, den Stiftungszweck bereits klar definiert: die globale Bekämpfung absoluter Armut. Gemeinsam haben wir dann überlegt, wie wir diese Vision umsetzen können. Dazu beauftragten wir unter anderem ein globales Beratungsunternehmen, weltweit unterschiedliche Ansätze zu erheben und auf deren Erfolg zu überprüfen. Die Ergebnisse dieser Studie wiesen klar darauf hin, dass unternehmerische Rahmenbedingungen und Lösungsansätze am meisten Wirkung entfalten.
Das heisst, am Anfang war das Bestreben, die Armut zu bekämpfen. Das Konzept Impact Investing hat sich als bester Lösungsansatz präsentiert.
Das ist richtig. Am Anfang stand das Ziel: Wir wollen absolute Armut bekämpfen und Menschen helfen, die mit einem durchschnittlichen Tageseinkommen von unter drei Dollar leben müssen. Ebenso war uns klar, dass wir es nicht auch noch mit klassischer Projektarbeit versuchen wollten.
Ebenso war uns klar, dass wir es nicht auch noch mit klassischer Projektarbeit versuchen wollten.
Andreas Kirchschläger, Geschäftsführer elea Foundation for Ethics in Globalization
Was zeichnet den unternehmerischen Ansatz aus?
Unser Ansatz fördert den Aufbau von lokal verankerten Impact-Unternehmen, die lokale Probleme lösen. Diese schaffen für Menschen, die in Armut leben, Zugang zu Arbeitsplätzen, Ausbildung, Märkten, Gütern, Dienstleistungen oder Infrastruktur und verbessern damit deren Lebensverhältnisse messbar. Darüber hinaus sind diese Unternehmen im Erfolgsfall in der Lage, ihr Wachstum und ihr Fortbestehen langfristig selbst zu finanzieren. Sie sind im Unterschied zu klassischen Hilfsprojekten nicht immer wieder auf neue finanzielle Mittel angewiesen. Und schliesslich investieren wir in Impact-Unternehmer:innen, die in den Dimensionen von Lebensaufgaben und Generationen denken, was ebenso entscheidend zur Nachhaltigkeit des erzielten Impacts beiträgt. So zeigte auch die anfangs erwähnte Studie schon damals, dass in Ländern, welche die Rahmenbedingungen für unternehmerische Aktivitäten verbesserten, die Armut messbar reduziert werden konnte.
Welche Länder waren das?
Einen grossen Rückgang von Armut verzeichnete damals zum Beispiel China. Es gab auch Länder in Lateinamerika, in denen bessere Rahmenbedingungen zu wachsender unternehmerischer Tätigkeit geführt hat, was auch dort die Armut zurückgehen liess.
Was hat Sie am unternehmerischen Ansatz überzeugt?
Erstens waren es die volkswirtschaftlichen Daten der erwähnten Länder. Ein Blick in die Geschichte unserer Volkswirtschaften zeigt zudem, dass Problemlösungen, Fortschritt und Innovation meist durch die Kombination neuer Ideen und der Initiative von Unternehmer:innen möglich wurden. Diese waren bereit, die Ideen umzusetzen sowie Zeit, Energie und eigene Mittel zu investieren. Damit gingen sie auch Risiken ein. Zweitens erzeugt jede unternehmerische Tätigkeit externe Effekte. Diese gezielt in positiven Impact umzuwandeln und in die strategische Ausrichtung eines Unternehmens zu integrieren, erschien uns vielversprechend. Und drittens wird Kapital benötigt, um solche Unternehmen zu entwickeln. Die Aussicht, als Investor:innen das eingesetzte Kapital zurückzuerhalten, um wieder neue Impact-Unternehmen finanzieren zu können, war ebenfalls ein überzeugender Faktor.
Es war also ein Weg, den wir primär mit betriebswirtschaftlichem Know-how gestartet haben.
Andreas Kirchschläger
Als Sie gestartet sind, gab es noch nicht einmal den Begriff Impact Investing. Woher hatten Sie die Kompetenzen, um in diesem Bereich tätig zu werden?
Wir haben auf Basis der unternehmerischen Kompetenzen, die wir im elea-Team mitbrachten, begonnen und erste Erfahrungen gesammelt, insbesondere in Bezug darauf, wie wir uns in unseren Zielländern bewegen. Gezielt haben wir kleinere Projekte in Angriff genommen und mit klassischen Hilfsorganisationen zusammengearbeitet – in Projekten, die eine unternehmerische Ausrichtung hatten. So wollten wir lernen, wie unternehmerische Mechanismen in uns unbekannten Kontexten funktionieren. Gleichzeitig begannen wir, lokal verankerte Impact-Unternehmen zu suchen. Schritt für Schritt haben wir mehr investiert und uns ganz auf Impact-Unternehmen fokussiert. Es war also ein Weg, den wir primär mit betriebswirtschaftlichem Know-how gestartet haben.
Wie war die Akzeptanz der Entwicklungsorganisationen für Ihren neuen Ansatz?
Grundsätzlich war die Offenheit gross. Natürlich gab es auch kritische Stimmen, und nicht alle glaubten, dass unser Ansatz funktionieren würde. Dennoch führten wir erfreulich offene Diskussionen, erhielten sachliche Kritik und erlebten wenig ideologische Auseinandersetzungen. Wir behaupten ja auch nicht, dass unser Ansatz die Lösung für alle Probleme ist. Aber wir sehen, dass unternehmerische Philanthropie in bestimmten Bereichen sehr zielführend sein kann.
Wie ist die Situation heute? Der Kanton Zürich will mit seiner Initiative Stiftungen auch mehr unternehmerische Ansätze ermöglichen?
Wir beobachten eine zunehmende Nachfrage seitens anderer Stiftungen, die sich intensiver mit Impact Investing zur Förderung unternehmerischer Modelle auseinandersetzen. Die neue Regelung der Steuerbehörde zu diesem Thema ist ein wichtiges Signal, das es Stiftungen nun ermöglicht, im Erfolgsfall auch Kapital zurückzuerhalten und zu reinvestieren, was lange als Tabu galt. Wir sehen mit Freude, dass hier ein Wandel im Gange ist. Klar ist jedoch auch: Philanthropisches Impact Investing stellt eine völlig andere Förderform dar als klassische Vergabemodelle und erfordert entsprechend auch andere Kompetenzen im Stiftungsteam.
Das erfreulich hohe Interesse spiegelt die unterschiedlichen Perspektiven auf Nachhaltigkeit und Impact wider.
Andreas Kirchschläger
Sie engagieren sich selbst an der Universität St. Gallen und am IMD in Lausanne. Welche Rolle spielt Impact Investing in der Lehre und Forschung?
Das erfreulich hohe Interesse spiegelt die unterschiedlichen Perspektiven auf Nachhaltigkeit und Impact wider. Der Sektor ist noch jung, und Vieles muss sich erst entwickeln. Oft fehlen Daten. Deshalb arbeiten wir eng mit Universitäten zusammen, um die Daten, die durch unser Arbeit entstehen, nutzbar zu machen und unseren Ansatz wissenschaftlich zu vertiefen. Zum Beispiel fallen unter den Begriff Impact Investing zur Zeit viele unterschiedliche Aktivitäten, die es einzuordnen sowie gezielt zu akzentuieren gilt.
Sie bekämpfen eine grosse gesellschaftliche Herausforderung. Wie realistisch erachten Sie es, mit Ihrem Ansatz die Armut in relevantem Masse einzudämmen?
Wir sind überzeugt, dass die Summe kleiner Schritte einen grossen Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten kann. Wir sehen, dass unser Ansatz funktioniert und empfehlen daher, den Prozess des Aufbaus von Impact-Unternehmen so häufig wie möglich zu replizieren. Zudem finden wir immer mehr Investor:innen, die sich mit diesem Ansatz auseinandersetzen und Kapital für dessen Umsetzung bereitstellen. Hinzu kommt, dass sich gerade jüngere Unternehmer:innen aktiv die Frage stellen, wie sie einen Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme leisten können. Die Anzahl der Akteure im Impact-Investing-Ökosystem wächst, was uns optimistisch stimmt. Wir glauben, dass wir gemeinsam eine kritische Masse erreichen werden, um in den nächsten Jahren etwas Massgebliches zu bewegen.
Nehmen die For-Profit-Organisationen zu oder sind es philanthropischen Investor:innen?
Am Ende sind es wahrscheinlich beide, was mir ein gutes Zeichen zu sein scheint. Philanthropische Investor:innen suchen neue Wege für den wirkungsvollen Einsatz ihres Geldes. Klassische Investor:innen interessieren sich zunehmend dafür, was sie mit ihrem Kapital eigentlich bewirken.
Müsste das nicht für alle Investor:innen selbstverständlich sein?
Aus meiner Sicht, absolut. Heute stehen uns Informationsmöglichkeiten zur Verfügung, die es fast unmöglich machen, nicht zu wissen, was unser eigenes Geld bewirkt. Auch haben sich die gesellschaftlichen Erwartungen an Investor:innen geändert. Gleichzeitig gibt es ganz neue Möglichkeiten, so dass man mit seinem eingesetzten Kapital nicht nur Gewinn erzielen, sondern auch zu einem positiven Veränderungsprozess beitragen kann.
Wir decken einen Bereich der Wertschöpfungskette im Aufbau eines Unternehmens ab, in dem es noch nicht viele Akteure, aber einen grossen Bedarf an Kapital und Unterstützung in der Wertschöpfung gibt.
Andreas Kirchschläger
Was ist der Vorteil von philanthropischem Kapital?
Im Kern ist es die Aufgabenstellung, die den Unterschied macht. Bei Profit-Investor:innen steht die Gewinnmaximierung im Vordergrund. Eine Stiftung hingegen verfolgt einen Stiftungszweck – wie bei elea die Bekämpfung absoluter Armut mit unternehmerischen Mitteln. In diesem Bereich wollen wir die grösstmögliche Wirkung erzielen. Eine Stiftung hat den Vorteil, dass niemand von ihr die Erfüllung einer finanziellen Verpflichtung oder eine Renditeauszahlung erwarten kann. Stiftungen können daher früher investieren, damit höhere Investitionsrisiken eingehen, weil sie geduldigeres Kapital einsetzen.
Das heisst, sie investieren in einem frühen Stadium in ein Unternehmen und steigen aus, wenn andere Profit-Investor:innen übernehmen können?
Das ist unser Modell. Wenn wir sieben bis zehn Jahre an einem Unternehmen beteiligt waren, wollen wir nicht, dass es von uns abhängig wird. Ausserdem benötigen wir das Kapital für Investitionen in neue Impact- Unternehmen, um den Kreislauf aufrechtzuerhalten. Da die Unternehmen meist stabil sind, wenn wir aussteigen, werden sie für andere, kommerzielle Investor:innen interessant, die sich ebenfalls für Impact interessieren, aber eine gewisse Sicherheit brauchen. Wir decken einen Bereich der Wertschöpfungskette im Aufbau eines Unternehmens ab, in dem es noch nicht viele Akteure, aber einen grossen Bedarf an Kapital und Unterstützung in der Wertschöpfung gibt.