Im Impact-Investing-Markt engagiert sich eine Vielzahl von Akteur:innen. Dessen grosse Vielfältigkeit ist eine der Schlüsselerkenntnisse der Untersuchung des Global Impact Investing Network GIIN 2023. Versicherungsgesellschaften und Banken, Fundmanager oder Einzelinvestor:innen und Family Offices investieren genauso wie Stiftungen. Was sie alle eint, ist die Idee, mit den Investitionen eine messbare, positive soziale oder ökologische Wirkung zu erzielen. In ihrer Renditeerwartung unterscheiden sie sich hingegen.
«Es gibt Anlagen, bei denen bewusst auf Rendite verzichtet wird oder die Renditeerwartung zumindest nicht im Vordergrund steht», sagt Professor Markus Frölich, Wirtschaftsprofessor an der Universität Mannheim und Direktor des Schweizerischen Zentrums für Evaluation und Entwicklung.
Aber es gibt auch Impact Investings, die sehr wohl eine Rendite erzielen können. Als Beispiel nennt er Versicherungsprodukte für Kleinbauern, die das Risiko von Ernteausfällen tragen. Diese Produkte stärken die soziale Sicherheit der Bauern. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit einer kleinen Rendite, jedoch gibt es keinen kommerziellen Markt, da das Risiko sehr hoch ist. Gemäss der Umfrage des GIIN bei 307 Investoren erwarten 12 Prozent bei ihren Impact Investments eine unterdurchschnittliche Rendite, die sich auf die Bewahrung des Kapitals auswirkt. 14 Prozent nehmen zwar ebenso eine unterdurchschnittliche Rendite in Kauf, erwarten aber, dass diese näher bei der Marktrendite liegt. Der Grossteil der Investoren zielt auf eine risikobereinigte Marktrendite ab.
Beabsichtigte Wirkung
Die Idee, mit Investitionen zu wirken, ist nicht neu. «Als Erste haben die Entwicklungsbanken solche Gefässe geschaffen», sagt Sabine Döbeli, Geschäftsführerin von Swiss Sustainable Finance SSF. Diese sollten gezielt zur Linderung der Armut beitragen. In den frühen 1990er Jahren haben sie bestehende NGOs dabei unterstützt, zu kommerziellen Mikrofinanzinstituten zu werden.
Heute wird Impact Investing sowohl in Schwellen- wie auch in Industrieländern betrieben. Neben sozialen Anliegen sind es vor allem Umweltschutzthemen, in welchen Impact Investing wirken soll. Thematisch sind sie damit im Bereich der nachhaltigen Anlagestrategien (also Anlagen, die ESG-Faktoren – Environmental, Social, Governance – berücksichtigen) angesiedelt. «Für uns ist Impact Investing ein Teilbereich von nachhaltigen Investitionen», sagt Sabine Döbeli. Wobei Wirkung generell ein Thema ist. «Immer mehr Anlageprodukte sind auf eine positive Wirkung ausgerichtet», sagt sie. Die einfache Art sind Investitionen in Unternehmen, die bereits eine gewünschte nachhaltige Wirkung erzielen. Davon zu unterscheiden sind Anlagen, bei denen der oder die Investor:in das Unternehmen bewusst beeinflusst. Bei der «Investor Stewardship» nehmen die Investor:innen eine aktive Rolle ein. Sie wirken durch ihre Stimmrechtsausübung und im Dialog mit dem Management auf den Kurs des Unternehmens ein, um Verbesserungen zu erreichen. Dies betrifft vor allem Aktien und Bonds. In Abgrenzung dazu geschieht klassisches Impact Investing im Private Market, das heisst in nicht an der Börse gehandelten Anlagen. «Entscheidend ist, dass neues Kapital für innovative Lösungen zur Verfügung gestellt wird, die einen Beitrag zu einer nachhaltigen Welt leisten», sagt sie. Beim Impact Investing definiert der oder die Investor:in, was die beabsichtigte Wirkung ist. Es braucht Messkriterien und folglich den Beleg, was sich dank der Investition verändert hat. «Das sind die Differenzierungsfaktoren von Impact Investing», sagt Sabine Döbeli. «Impact Investment betreiben heute meistens Spezialist:innen, die primär in den Private Markets engagiert sind und damit also neues Kapital zur Verfügung stellen.»
Impact präzise definiert
Bei der Abgrenzung von Impact Investing existieren unterschiedliche Ansichten zur Definition und Messung von Impact. «In den Wirtschaftswissenschaften ist der Begriff Impact aber sehr genau definiert», erklärt Markus Frölich. Der Impact werde auf der Ebene der Endbegünstigten gemessen, für die eine Wirkung erzielt werden soll, sagt er. Diese sei im Vergleich zu einem Kontrafaktum, einer Kontrollgruppe, zu bestimmen. Für die Definition und Messung von Impact wurden drei Nobelpreise vergeben: im Jahr 2000 an Professor James Heckman, im Jahr 2019 an Professoren Banerjee, Duflo und Kremer und 2021 an Professoren Angrist, Card und Imbens. Wesentliche Erkenntnisse dazu hatten die drei Ökonom:innen Esther Duflo, Abhijit Banerjee und Michael Kremer geliefert. Für ihre Arbeit in der Armutsforschung erhielten sie 2019 den Wirtschaftsnobelpreis. Sie konnten die unterschiedliche Wirkung von finanziellen Hilfen nachweisen. Dazu bildeten sie in kenianischen Dörfern verschiedene Gruppen, die unterschiedliche Unterstützung erhielten. So konnten die Forschenden aufgrund der Wirkung ableiten, welche Hilfen sinnvoll sind. Die Entwicklung, dass sich die Wirtschaftswissenschaft bei ihrer Messbarkeit von Wirkung stark an der Medizin und den Naturwissenschaften orientiert, hat gemäss Frölich bereits um die Jahrtausendwende begonnen. Er spricht auch von der Glaubwürdigkeitsrevolution nach dem Wirtschaftswissenschaftler Professor Joshua Angrist. In den Wirtschafts‑,
Sozial- und Politikwissenschaften ging man dazu über, Standards der Medizin und der Naturwissenschaften einzuführen und die Wirkung mittels empirischer Vergleichsgruppen nachzuweisen. Den Ansatz vergleicht Frölich mit der Pharmazie: Bei der Einführung eines Medikaments wird dessen Wirkung mit der in einer Placebo-Vergleichsgruppe getestet und belegt. Dass eine Wirkung klar nachweisbar ist, sollte für das Impact Investing wesentlich sein. Zusammen mit der Transparenz ermöglicht dies Glaubwürdigkeit. Sie ist zentral. Der Nachweis ermöglicht es im Impact Investing, sich gegen den Vorwurf des Greenwashings abzusichern. Gerade bei Investitionen, die eine schwer messbare Wirkung versprechen, kann dieser Verdacht aufkommen. Denn der Marketingaspekt der Nachhaltigkeit ist reizvoll. Eine Anlage kann attraktiver erscheinen, wenn sie neben einer Rendite auch eine nachhaltige Wirkung verspricht, wobei diese Versprechen oftmals aber nicht eingelöst werden. «Insgesamt dürfte es sich um ein Kontinuum handeln», sagt Markus Frölich. Von renditeorientierten Anlagen, die Nachhaltigkeitsversprechen vor allem aus Marketingüberlegungen tätigen, bis hin zu den Impact Investings, die mit einer belegbaren Wirkung auch eine unterdurchschnittliche Rendite akzeptieren. Transparenz, Nachvollziehbarkeit und messbare Ziele könnten Orientierung bieten, werden aber leider sehr oft nicht erreicht.
Mehr und bessere Stellen
Ein klar definiertes Ziel verfolgt der SECO Start-up Fund, eine Initiative des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco. Er will mit seinem Engagement die Schaffung von Arbeitsplätzen in Entwicklungs- und Transitionsländern (ETL) fördern, indem er die Gründung neuer Unternehmen mit erfolgreichen Geschäftsmodellen unterstützt. Dazu vergibt der SECO Start-up Fund langfristige, zinstragende Kredite an Investor:innen/Kreditnehmer:innen, die in der Schweiz domiziliert sind und für ein Start-up in einem ETL eine Kofinanzierung suchen.
«Dabei arbeiten wir immer subsidiär zu anderen Marktteilnehmern», sagt Susanne Grossmann, Partnerin bei FINANCEcontact, dem Fundmanager. Für jeden Kredit, den der SECO Start-up Fund vergibt, definiert er Wirkungsziele. Die Anzahl und Qualität der Arbeitsplätze, die ein:e Kreditnehmer:in bzw. ein Start-up neu schaffen soll, ist ein wichtiges Ziel.
«Die Stellen sollen wo möglich formale langfristige Arbeitsverträge sein», sagt sie, «denn diese Stellen sind meist besser sozialversichert und generell nachhaltiger als temporäre Engagements.» Dies entspricht dem zentralen Entwicklungsziel des SECO für «more and better jobs». Neben den direkt im Start-up geschaffenen Arbeitsplätzen werden auch andere Wirkungen bewertet, beispielsweise die Generierung von Einkommensmöglichkeiten für Selbständigerwerbende, die mit dem Start-up ein formelles Arbeitsverhältnis haben, bspw. Kleinbauern, die einem Verarbeitungsbetrieb zuliefern. Grossmann gibt zu bedenken, dass diese Wirkungen weniger direkt belegbar sind.
Unfairer Wettbewerbsvorteil
Manchmal verhindern die genannten Anforderungen ein Engagement des Funds. Generell stellt FINANCEcontact über die vergangenen Jahre einen Rückgang der Nachfrage fest. Dies ist sicher zu einem Teil der Pandemie geschuldet, welche die Kreditnachfrage während zweier Jahre praktisch zum Erliegen brachte. Kommt hinzu, dass sich die Szene für Impaktfinanzierungen in den letzten zwei Jahrzehnten stark entwickelt hat. Diese operiert oft mit À‑fonds-perdu-Geldern, welche Projektträger:innen bevorzugen. Grossmann ist es dagegen wichtig, dass sie die öffentlichen Gelder zur Finanzierung kommerzieller Geschäftsmodelle in Form eines Kredits und nicht eines Grants vergeben. À‑fonds-perdu-Geldern zur Finanzierung des Privatsektors steht sie grundsätzlich kritisch gegenüber, weil sie für Unternehmen in einem Markt unfaire Wettbewerbsvorteile bringen können. Darunter leidet womöglich die kommerziell finanzierte Konkurrenz mit einem potenziell finanziell nachhaltigeren Geschäftsmodell. Grossmann ist der Ansicht, dass es aktuell noch zu viele À‑fonds-perdu-Gelder im Privatsektor gibt. Zwar sieht sie durchaus, dass eine gemischte Finanzierung in spezifischen Fällen sinnvoll sein kann, bspw. bei Unternehmen, die Leistungen mit «Öffentliches-Gut-Charakter» erbringen, oder Landwirtschaftprojekte, die viel Zeit benötigen, bis sie Einkommen generieren. «Aber man muss eine solche Finanzierung fast schon ‹homöopathisch› anwenden», sagt sie, «denn man kann auch sehr viel kaputtmachen.»
Rolle und Verantwortung
Einen Vorteil des Kredits sieht sie in der Verbindlichkeit. Der oder die Kreditnehmer:in steht stärker in der persönlichen Verantwortung. Weil der Start-up-Fund nur einen Teil finanziert, muss der oder die Kreditnehmer:in auch selbst investieren. Wenn Kapital einen Preis hat, dann fördert dies Geschäftsmodelle, die nicht nur sozial, sondern auch finanziell nachhaltig sind, ist Susanne Grossmann überzeugt. Zusätzlich zur Finanzierung unterstützt der Fund die Kreditnehmer:innen mit Rat und Tat, sofern gewünscht: «Wir funktionieren etwa wie ein Sounding Board oder als Coach.» Aber es gibt Grenzen. Wichtig ist, dass alle ihre Rollen einhalten. Denn der Kredit muss am Ende zurückgezahlt werden. Als Kreditgeber ist der Fund darauf bedacht, die unternehmerischen Entscheide nicht zu beeinflussen. Denn der Kreditgeber kann nicht für den unternehmerischen Erfolg oder Misserfolg verantwortlich sein: Schliesslich will er am Ende sein Geld zurück.
Wirkung wählen
Bevor eine Wirkung gemessen werden kann, muss ein:e Investor:in die gewünschten Ziele definieren. Bei dieser Frage stellt Markus Frölich fest, dass oft verschiedene Fragen miteinander vermischt werden. Auf der einen Seite lässt sich die Wirkung eines Impact-Investings messen: Die Förderung von Kindern in einem sozial schwierigen Umfeld kann genauso gemessen werden wie die Wirkung einer Hochbegabtenförderung. Wenn es aber darum geht, diese beiden Wirkungen zu vergleichen, dann muss die Organisation entscheiden, welches Ziel ihr wichtiger ist. Dabei helfen neutrale verlässliche Daten. Was geschehen kann, wenn diese fehlen, wird in gesellschaftlichen Diskussionen offensichtlich, wenn in einem politischen Prozess Befürworter:innen und Gegner:innen einer Massnahme mit unterschiedlichen Gutachten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Ein Standard der rigorosen wissenschaftlichen Wirkungsmessung kann dies verhindern. Glaubwürdige Messergebnisse sichern ein Projekt und seine Ziele ab. Markus Frölich nennt das Beispiel PROGRESA aus Mexiko. Dort hat die Regierung konditionale Geldtransfers eingeführt: Die Sozialhilfe floss an die Mütter unter der Bedingung, dass sie ihre Kinder nachweislich in die Schule schickten und ihre Gesundheitsversorgung sicherten. Eine umfassende unabhängige Studie belegte die Wirkung des Programms objektiv. So konnte die neue Regierung nach den Wahlen das Programm nicht stoppen, obschon sie gerne Programme der Vorgängerregierung prinzipiell unter dem Vorwand der Wirkungslosigkeit gestoppt hätte. Transparenz und Messbarkeit ermöglichen zudem die Vergleichbarkeit unter den Ländern. Dabei stellt Frölich fest, dass die unabhängige wissenschaftliche Messung von Sozialprojekten in Entwicklungsländern weiter entwickelt ist als in den Industrieländern. Er sagt: «Oft sind die Projekte in Entwicklungsländern aus dem globalen Norden finanziert, die dann einen objektiven Nachweis der Wirksamkeit verlangen.»
Auch Softfaktoren zählen
Die Untersuchung des GIIN belegen, dass die meisten Impact-Investoren heute Massnahmen ergreifen, um die Wirkung zu messen. 46 Prozent untersuchen ihre Wirkung jährlich. 22 Prozent nehmen gar öfters eine Messung vor, während nur fünf Prozent dies lediglich ad hoc machen. Nur ein Prozent prüft die Wirkung nie. Der SECO Start-up Fund prüft die Wirkung seiner Kredite mindestens einmal im Jahr und alle fünf Jahre abgeschlossene Finanzierungen. Mittels Fragebogen rapportieren die Kreditnehmer ihre Wirkung. Zu den untersuchten Softfaktoren gehören auch Compliance-Themen (Umwelt, Gouvernanz und Soziales) und das Unternehmensmodell per se. Es geht darum, ob die Kreditnehmer eine ganz neue Art von Geschäftsmodell in den Markt hineingebracht haben, die andere übernehmen oder gar kopieren können. Von Interesse ist auch die Wirkung auf andere Investor:innen. «Wir schauen, welche weiteren Investitionen der Kredit des Start-up-Funds ausgelöst hat», sagt Susanne Grossmann.
180 Milliarden Franken
Für den Herbst hat Swiss Sustainable Finance eine neue Studie angekündigt, die den Markt von Impact Investing in der Schweiz untersucht. Die bisherigen Daten zu allen nachhaltigen Anlagen zeigen, dass der Anteil von Impact Investments rund elf Prozent der nachhaltigen Anlagen ausmacht. Anlagen von rund 180 Milliarden Franken wenden heute in der Schweiz einen Impact-Ansatz an. «Es handelt sich um unterschiedliche Formen, die beispielsweise auch den Immobilienmarkt einschliessen», sagt Sabine Döbeli. Im Verhältnis zum gesamten Anlagemarkt dürfte dies drei bis fünf Prozent ausmachen. Das Potenzial für Impact Investing muss richtig eingeschätzt werden. Es bleibt immer nur eine Ergänzung in einem Anlageportfolio. Sie sagt: «Es gilt aber auch zu überlegen, wie man mit dem Rest eines Portfolios eine Wirkung erzielen kann, und da ist die Investor-Stewardship ein wichtiges Instrument.»