«2017 herrschte Hochkonjunktur, der Bitcoin-Kurs schoss auf einen Höchststand – und ebenso die öffentliche Wahrnehmung: Es herrschte Goldgräberstimmung bei den Kryptowährungen», sagt Marius Messerli, Kryptowährungs-Investor. Nachdem der Softwareentwicklersein eigenes Unternehmen verkaufte, beschäftigte er sich ab 2013 mit dem Bitcoin und anderen Kryptowährungen. Im vergangenen Jahr erlebten die Kryptowährungen eine Kurskorrektur», sagt Messerli. In dieser ist der Anteil von Bitcoin (BTC) wieder auf 70 Prozent der Marktkapitalisierung aller über 1000 Kryptowährungen angestiegen. 2019 sei es nun etwas ruhiger, so Messerli. Er geht von einer Konsolidierungsphase aus: «Viele Investoren warten darauf, was der Bitcoin und seine Herausforderer in den nächsten Monaten liefern und wie sich die institutionellen Investoren verhalten.»
Von einer Konsolidierungsphase spricht auch Steuerexperte Thomas Linder vom Anwalts‑, Steuer- und Compliance-Unternehmen MME. Der Spezialist für Kryptostiftungen arbeitet seit 2013 mit Blockchain-Projekten. Er begleitete die Gründung der Stiftung Ethereum, der aktuell zweitgrössten «Kryptowährung». Ethereum ist nur eine von zahlreichen in der Schweiz gegründeten Kryptostiftungen. Linder nennt zwei Gründe, weshalb die Form der Stiftung in der Schweiz gewählt wird: «Die Idee der Blockchain passt zu einem politischen System mit Dezentralisierung, Mitsprache, zur direkten Demokratie. Und die Stiftung ist deshalb die ideale Rechtsform, weil sie nur ihrem Zweck verpflichtet und so vor Partikulärinteressen geschützt ist. Eine Zweckänderung ist schwierig, Projektunterstützer können auf eine zweckgemässe Verwendung der Mittel vertrauen.»
Transparent von Mensch zu Mensch
«Bei der Gründung von Ethereum stand nicht der Währungsaspekt im Vordergrund. Es ging um die Entwicklung einer dezentral betriebenen Technologie, unabhängig von Banken oder anderen Intermediären, weltweit», sagt Thomas Linder. Die Blockchain erfüllt vereinfacht gesagt zwei wesentliche Anforderungen. Erstens: Anders als bei traditionellen, bei einer Bank digital gebuchten Währungen erfolgt bei einer Kryptowährung ein Transfer direkt von Mensch zu Mensch. Es braucht ein elektronisches Portemonnaie, ein Wallet. Von diesem fliesst der Betrag direkt in das Wallet des Empfängers und nicht über eine Bank. Es ist keine Institution, welche für die Überweisung garantiert, sondern die Blockchain. Diese speichert alle Transaktionen. Und zweitens: Die Daten sind öffentlich und transparent. «Gerade diese Woche habe ich gesehen, dass eine Transaktion von 300 Millionen Dollar stattgefunden hat», sagt Marius Messerli. Die Blockchain speichert sämtliche Transaktionen. Im Falle von Bitcoin können Absender- und Empfängeradresse sowie der Betrag jederzeit von allen eingesehen werden. Die Öffentlichkeit kennt die Personen hinter den Adressen in der Regel nur dann, wenn man das selber bekannt gibt. Deshalb wird Bitcoin nicht als anonym, sondern als pseudonym bezeichnet.
Öffentliche Wirkung
Auch wenn Bitcoin, Ethereum etc. Technologie zugrunde liegt, erachtet Marius Messerli die Währungskomponente als bedeutenden Vorteil. «Ohne diese würde nicht öffentlich darüber gesprochen.» Genau deshalb sieht er auch die geplante Währung Libra von Facebook positiv. Aktivitäten von Facebook garantieren Öffentlichkeit. «Libra zwingt die Politik, sich mit dem Thema zu befassen.» Dass insbesondere die USA sich für das Thema interessiert, erachtet Marius Messerli als logisch. «Würde sich eine Kryptowährung unabhängig vom Dollarkurs etablieren, schwände die geldpolitische Vormachtstellung der USA.»
Effektive Wirkungskontrolle
Transparenz und Rückverfolgbarkeit machen Kryptowährungen auch für Stiftungen spannend. «Wenn ich beispielsweise ein Projekt in einem Entwicklungsland unterstützen will, kann ich mit einer Kryptowährung verfolgen, ob das Geld wirklich beim gewünschten Projekt ankommt und wohin es von diesem weiterfliesst», sagt Thomas Linder. Dies bedeutet eine effektive Wirkungskontrolle. In Ländern mit instabilen politischen Systemen oder unsicheren Währungen ist die Unabhängigkeit von staatlichen Institutionen ein Vorteil für eine sichere Finanzierung. Ein weiteres grosses Potenzial nennt Marius Messerli. «Mit einer Kryptowährung kann ich einen Spendenaufruf machen und Menschen in der ganzen Welt können auf dieselbe Weise spenden.»
Bitcoin
Bitcoin war 2009 die erste Kryptowährung. Am Ursprung steht Satoshi Nakamoto. Bis heute ist unbekannt, ob Nakamoto das Pseudonym einer Person oder einer Gruppe ist. 2008 hatte Nakamoto ein Whitepaper veröffentlicht, das die Grundlage der Kryptowährung beschreibt.
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