Der Nationalrat hat gestern an seiner Sondersession die Motion «Politische Rechte für Menschen mit Behinderungen» angenommen. 109 Nationalrät:innen sprachen sich für die Motion aus, 68 stimmten dagegen und 16 enthielten sich.
Veraltete Regelung
Die Motion beruht ursprünglich auf einer Petition aus der sogenannten Behindertensession 2023. Mit der nun vom Nationalrat verabschiedeten Motion soll der Bundesrat beauftragt werden, die Bundesverfassung so zu ändern, dass alle Schweizer:innen ab 18 Jahren die gleichen politischen Rechten und Pflichten haben. Aktuell sind rund 16’000 Menschen in der Schweiz davon ausgeschlossen. Die Bundesverfassung schliesst Menschen, die aufgrund einer geistigen Behinderung unter umfassender Beistandschaft stehen, explizit aus. Diese Regelung basiere auf der veralteten Annahme, «dass Menschen mit geistigen Behinderungen pauschal nicht in der Lage seien, sich eine politische Meinung zu bilden oder diese kundzutun», sagt Nationalrat Marc Jost. Es sei falsch, Menschen mit einer geistigen Behinderung pauschal die Fähigkeit zur politischen Teilhabe abzusprechen. Ausserdem wies er darauf hin, dass die Beistandschaft zum Schutz von Personen ausgesprochen werde, wenn diese bspw. ihre Finanzen nicht selbst verwalten könnten. «Die Massnahme hat aber nicht direkt mit der politischen Meinungsbildung zu tun», Jost. Der Ausschluss sei diskriminierend und widerspreche dem Grundsatz der Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger.
Missbrauchsgefahr
Benjamin Fischer sprach sich gegen die Motion aus und warnte vor Missbrauch. «Ohne die Berufsbeistände unter pauschalen Verdacht stellen zu wollen, stellt sich da schon die Frage, wer dann wirklich entscheidet», sagte er. Er erachtete die Diskussion zwar zweifellos als wichtig und stimmte überein, dass die Formulierung veraltet sei. Allerdings betonte er, dass der Artikel in der Bundesverfassung nicht pauschal Menschen mit Behinderung betreffe, «sondern ausschliesslich jene unter umfassender Beistandschaft.» Er bat die Ratsmitglieder um Ablehnung der Motion. Er sagt: «Urteilsfähigkeit ist die Voraussetzung für die Wahrnehmung politischer Rechte, und wer urteilsfähig ist, darf nicht unter umfassender Beistandschaft stehen.» Beat Jans sagte, der Bundesrat nehme die Bedenken ernst. Dennoch erachte der Bundesrat, dass die Argumente zur Annahme überwiegen würden. «Wählen und Abstimmen zu dürfen, bedeutet Menschen mit Behinderungen viel», sagte er. Der Nationalrat stimmte schliesslich der Motion zu. Nun ist der Ständerat am Zug.