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Wer soll das bezahlen?

Eine nachhaltige Finanzierung ist die Basis für unabhängige Medien. Digitalisierung, Globalisierung und politische Veränderungen fordern die Unternehmen.

Es werden immer weni­ger: Seit 2009 hat sich die Gesamt­auf­lage WEMF-beglau­big­ter Zeitun­gen in der Schweiz insge­samt von 9,2 Millio­nen auf 4,6 Millio­nen im Jahr 2023 halbiert. 

Private und Staat

Die Medi­en­land­schaft ist im Umbruch. Die Werbe­um­sätze der Presse sinken. Zwar konnte die Pande­mie 2021 die Baisse etwas korri­gie­ren. Doch 2023 lagen die Netto-Werbe­um­sätze gemäss der Stif­tung Werbe­sta­tis­tik Schweiz mit 711 Millio­nen Fran­ken 200 Millio­nen tiefer als im Jahr 2019. Die Digi­ta­li­sie­rung hat das Geschäfts­mo­dell der Zeitun­gen und Zeit­schrif­ten hart getrof­fen. Waren früher Stel­len­an­zei­gen genauso wie Klein­in­se­rate, Wohnungs­an­zei­gen oder Todes­an­zei­gen sichere Einnah­me­quel­len, läuft dieses Geschäft heute digi­tal. Noch ist der Online-Bereich mit 667 Millio­nen Fran­ken schein­bar klei­ner. Die Werbung, die auf Online-Platt­for­men wie YouTube oder in Such­ma­schi­nen geschal­tet wird, ist in der Statis­tik nicht enthal­ten. Sie fliesst ins Ausland. Die Stif­tung gibt das Volu­men nach Schät­zung von Expert:innen mit 1,8 bis 2,2 Milli­ar­den Fran­ken an. Auch poli­ti­sche Anlie­gen bedrän­gen die Finan­zie­rung der Medi­en­land­schaft. Aktu­ell gera­ten die öffent­lich-recht­li­chen Medien unter Druck. Nicht nur in der Schweiz. Ende Okto­ber haben die Ministerpräsident:innen in Deutsch­land eine Reform des öffent­lich-recht­li­chen Rund­funks beschlos­sen: eine Reduk­tion der Radio­pro­gramme und Fern­seh­sen­der. In Liech­ten­stein hat das Volk am 27. Okto­ber einer Initia­tive zuge­stimmt, die dem öffent­lich-recht­li­chen Radio die Gelder strei­chen will. Damit hat Liech­ten­stein keine öffent­lich-recht­li­chen Medien mehr. In der Schweiz will die Initia­tive «200 Fran­ken sind genug» die Serafe-Gebühr pro Haus­halt halbie­ren. Der Bundes­rat hat sie zur Ableh­nung empfoh­len. Gleich­zei­tig senkte er die Serafe-Gebühr pro Haus­halt bis 2029 auf 300 Franken. 

Neue Klasse von Eigentümer:innen

Wenn sich Jour­na­lis­mus nicht mehr finan­zie­ren lässt, wird dies welt­weit zum Problem für Demo­kra­tien. Dieser Entwick­lung tritt der Media Deve­lo­p­ment Invest­ment Fund (MDIF) seit 30 Jahren entge­gen. In Ländern mit einer «Geschichte der Medi­en­un­ter­drü­ckung» finan­ziert der MDIF unab­hän­gige Medien. Aller­dings hat sich das Einsatz­ge­biet seit dem Start verän­dert. «Tatsa­che ist, dass die Liste heute auf Länder ange­wach­sen ist, von denen wir nie gedacht hätten, dass wir die dorti­gen Medien unter­stüt­zen würden», sagt Patrice Schnei­der, Chef­stra­tege des MDIF. So ist der MDIF heute in Polen über Plūrā­lis tätig, ein mit 100 Millio­nen Euro ausge­stat­te­tes Instru­ment zur Siche­rung der Plura­li­tät. Dies verhin­derte die Über­nahme der über­re­gio­na­len polni­schen Tages­zei­tung Rzecz­pos­po­lita. Doch Polen ist kein Einzel­fall. «Nach dem Exodus der auslän­di­schen Medieneigentümer:innen aus Mittel- und Osteu­ropa im ersten Jahr­zehnt des Jahr­tau­sends wurde das zurück­ge­las­sene Vakuum durch eine neue Klasse von Medi­en­ei­gen­tü­mern gefüllt, die über­wie­gend aus dem Inland stam­men und eng mit poli­ti­schen Parteien oder Inter­es­sen­grup­pen bzw. mit Poli­ti­ker selbst verbun­den sind», sagt Schnei­der und sieht Ähnlich­kei­ten mit der Entwick­lung bei der Basler Zeitung 2014. Er sagt: «Das Problem zuver­läs­si­ger und unab­hän­gi­ger Infor­ma­tio­nen hat sich in der Tat auf eine globale Ebene ausgeweitet.» 

«Das Problem zuver­läs­si­ger und unab­hän­gi­ger Infor­ma­tio­nen hat sich auf eine globale Ebene ausgeweitet.»

Patrice Schnei­der

Risi­ken mindern

In den vergan­ge­nen 25 Jahren hat der MDIF 321 Millio­nen Dollar in 152 Orga­ni­sa­tio­nen inves­tiert. Das Geld stammt aus einem brei­ten Spek­trum an Stif­tun­gen, Impact-Investor:innen, Entwick­lungs­agen­tu­ren und Einzel­per­so­nen. «Durch die Kombi­na­tion verschie­de­ner Finan­zie­rungs­for­men können Impact-Investor:innen eine gemischte Finanz­struk­tur schaf­fen, welche die mit Medi­en­in­ves­ti­tio­nen verbun­de­nen Risi­ken abmil­dert und sie für tradi­tio­nelle Inves­to­ren attrak­ti­ver macht», sagt Schnei­der. Durch den Einsatz von Misch­fi­nan­zie­run­gen kann der MDIF die Umge­stal­tung der Medi­en­land­schaft voran­trei­ben. So will er sicher­stel­len, dass der Jour­na­lis­mus auch ange­sichts wirt­schaft­li­cher Heraus­for­de­run­gen robust und unab­hän­gig bleibt und dem öffent­li­chen Inter­esse dient. Der MDIF wählt ein Medi­en­un­ter­neh­men nicht nur aufgrund seiner redak­tio­nel­len Unab­hän­gig­keit für eine Inves­ti­tion aus. Es muss auch das Poten­zial für eine lang­fris­tige Renta­bi­li­tät aufwei­sen. Um die Unab­hän­gig­keit der Redak­tio­nen auch vor Einfluss­nahme des MDIF zu sichern, legt er in allen seinen doku­men­tier­ten Verfah­ren eindeu­tig fest, dass er keine Eigen­tums­an­teile nutzt, um die Redak­ti­ons­po­li­tik zu beein­flus­sen. Schnei­der sagt: «Seit 1996 haben wir 152 Medi­en­un­ter­neh­men in 47 Ländern finan­ziert – ohne dass es zu Beschwer­den über redak­tio­nelle Einfluss­nahme gekom­men wäre.» 

«Die Liste ist auf Länder ange­wach­sen, von denen wir nie gedacht hätten, dass wir die dorti­gen Medien unter­stüt­zen würden.» 

Patrice Schnei­der

Breit aufge­stellt

Wie die eigene Unab­hän­gig­keit mit einer brei­ten Finan­zie­rung gesi­chert werden kann, zeigt ein Beispiel aus den USA. Die Foun­da­tion for Natio­nal Progress gibt das inves­ti­ga­tive Non-Profit-Maga­zin Mother Jones heraus. Die Stif­tung wurde 1976 gegrün­det mit der klaren Absicht, Jour­na­lis­mus von der Einfluss­nahme von Unter­neh­men zu sichern. Spen­den von Stif­tun­gen gehö­ren zum Finan­zie­rungs­mix. Aber sie machen nur 15 Prozent der Einnah­men aus. Werbung mit 6 und staat­li­che Gelder mit 4 Prozent sind weitere Quel­len. 71 Prozent der Gelder stam­men von Leser:innen als Spen­den oder Mitglied­schaf­ten. Das ähnli­che Ziel mit einem enge­ren Finan­zie­rungs­mix hat das Online-Maga­zin Repu­blik in der Schweiz gewählt. Um die Unab­hän­gig­keit zu garan­tie­ren, ist das Maga­zin komplett werbe­frei und wird von der Leser­schaft finan­ziert. Um die Schwei­zer Medi­en­land­schaft zu stüt­zen, enga­gie­ren sich heute verschie­dene Akteure. In Frei­burg hat der Staats­rat dieses Jahr beschlos­sen, die Medien der Region Frei­burg vorüber­ge­hend punk­tu­ell zu fördern. «Aufgrund der Struk­tur­krise, in der sich die Medien seit mehre­ren Jahren befin­den, ist dieser jour­na­lis­ti­sche Reich­tum mehr und mehr gefähr­det», heisst es in einer Mittei­lung vom Februar 2024. Im Okto­ber 2019 star­tete in Genf die Stif­tung Aven­ti­nus. Ihr Zweck: Medien und Projekte mit Quali­täts­jour­na­lis­mus zu fördern. Enga­giert sind die Fonda­tion Leen­aards, die Fonda­tion Jan Mich­al­ski und die Fonda­tion Hans Wils­dorf. Am 1. Januar 2021 hat die Stif­tung Aven­ti­nus Le Temps von Ringier Axel Sprin­ger Suisse SA über­nom­men. Und für Deutsch­land, Öster­reich und die Schweiz haben nun verschie­dene Stif­tun­gen aus den drei Ländern den Media Forward Fund MFF gegrün­det, um jour­na­lis­ti­sche Konzepte zu fördern. 

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