Als Gründer verschiedener zivilgesellschaftlicher Organisationen hat Nicola Forster viel Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Stiftungen. Er schreibt hier über den Zusammenhang zwischen Stiftungen und Bancomaten, problematische Anschubfinanzierungen, den Impact der Politik und macht Empfehlungen für zukunftsgerichtete Stiftungen.
Böse Zungen behaupten gerne, dass Förderstiftungen ähnlich wie Bancomaten funktionieren: Wer über den richtigen Code verfügt, kann Geld rauslassen. Meine Erfahrung ist glücklicherweise eine andere. Als Mitgründer des Thinktanks foraus, des Staatslabors oder auch der Operation Libero waren Stiftungen immer wichtige Partner im Aufbau dieser zivilgesellschaftlichen Organisationen. Als wir foraus vor zehn Jahren gründeten, hatten wir als Studenten keinen roten Rappen in der Tasche. Unsere Ambition, DEN Thinktank für junge Köpfe mit Expertise in der Aussenpolitik zu gründen, hätten wir jedoch alleine nie verwirklichen können: Wir brauchten Partner, die an uns glaubten und damit auch ein gewisses – zumindest finanzielles – Risiko auf sich nahmen. Die Paul Schiller Stiftung erkannte früh das Potenzial von foraus und ermöglichte uns damals mit einer ersten Förderung den erfolgreichen Startschuss. Seither durften wir sowohl mit vielen kleinen und grossen Stiftungen wie auch direkt mit Philanthropinnen und Philanthropen kooperieren und uns mit deren Unterstützung für eine weltoffene Schweiz einsetzen. Auf dieser Erfahrung aufbauend, möchte ich gerne drei zentrale Ideen für eine innovative Förderzusammenarbeit teilen.
Neue Formate
Obwohl viel davon gesprochen wird, dass man sich «auf Augenhöhe» begegnen wolle, gibt es meist eine klare Hierarchie zwischen Geldgeber und ‑nehmer. Hier ist ein Perspektivenwechsel angebracht: Förderstiftungen werden vom Staat steuerbefreit und tragen deshalb eine Verantwortung, mit ihren Mitteln eine möglichst grosse gesellschaftliche Wirkung zu erzielen. Gesuchsteller helfen Stiftungen mit den von ihnen umgesetzten Projekten, diese Verantwortung auch tatsächlich wahrzunehmen.
Einzelne Stiftungen oder Förderfonds wie Engagement Migros probieren aktuell experimentelle Formate wie Co-Creation aus, um Projekte im Sinne aller Beteiligten gemeinsam zu entwickeln und eine offene, transparente Fehlerkultur zu etablieren. Dabei sollte vermehrt in mutige Pionierprojekte investiert werden, die auch scheitern können. Denn wer nicht wagt, der nicht gewinnt!
Förderung von (politischen?) Ökosystemen
Innovative Stiftungen haben immer häufiger die Entwicklung gesamter Ökosysteme im Blick, um die Wirkung ihrer Förderungen in direkter Zusammenarbeit mit Staat, Wissenschaft, Wirtschaft etc. zu maximieren. Weil dafür grössere Mittel notwendig sind, formieren sich immer mehr Stiftungen in Konsortien oder informellen Zusammenschlüssen. Da die meisten Zukunftsthemen ausserdem eine globale Dimension haben, kann die Schweiz als «Heimmarkt» für Projekte mit internationaler Ausstrahlung genutzt werden, wie es beispielsweise die Fondation Botnar oder LARIX erfolgreich tun.
Wer tatsächlich eine systemische Wirkung und eine maximale Skalierung anstrebt, sollte daneben auch allfällige Berührungsängste mit der Politik abbauen. Denn was politisch umgesetzt wird, kann die Gesellschaft und das Leben von Millionen Menschen positiv verändern. Progressive Stiftungen wie die deutsche Guerilla Foundation oder die amerikanische Open Society Foundation arbeiten deshalb direkt mit politischen Akteuren, um mit ihren Anliegen eine maximale systemische Wirkung zu erzielen. Auch in der Schweiz gäbe es ein grosses Potenzial für «aktivistischere» Stiftungen, die gesellschaftlich relevante Bewegungen wie die jugendlichen Klimastreiks, Black Lives Matter oder die Frauenstreiks bei einer nachhaltigen Umsetzung ihrer Forderungen unterstützen könnten. Diesbezüglich stimmt es hoffnungsvoll, dass gemäss dem jüngsten Schweizer Stiftungsreport von den neu gegründeten Stiftungen immerhin rund fünf Prozent im politischen Bereich aktiv sind.
Mehr Struktur statt nur Projekte
Zurück zum Bancomaten: Bekanntlich lautet der Code für den Geldbezug häufig «Anschubfinanzierung». Stiftungen wollen Projekte anstossen, jedoch nicht über die Dauer tragen. Diese verbreitete Praxis muss hinterfragt werden, da sie geförderte Organisationen zum ständigen Aufbau neuer Projekte zwingt und so vielfach verunmöglicht, dass diese eine nachhaltige Struktur aufstellen können. Dabei könnte eine verstärkte Strukturfinanzierung als Hebel dafür sorgen, dass der professionelle Kern einer Organisation – also eine schlanke Geschäftsstelle mit einer professionellen Buchhaltung usw. – eine Vielzahl neuer Projekte mit viel effizienterem Mitteleinsatz und unter Beizug von Freiwilligen stemmen könnte. Mit ihrer geplanten Investition in Organisationsentwicklungsprozesse und Kompetenzaufbau ist die Stiftung Mercator hier federführend.