Von wem wird Gesundheitsförderung Schweiz getragen?
Gesundheitsförderung Schweiz ist eine Stiftung, die auf Initiative der Kantone und des BAG entstanden ist und von Kantonen und Versicherern getragen wird. Juristisch sind wir eine Stiftung mit einem gesetzlichen Auftrag gemäss Krankenversicherungsgesetz (KVG). Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) legt den Beitrag aufgrund einer Verordnung zu Artikel 20 KVG fest, also wie viel jede versicherte Person über die Krankenversicherungsprämie zu entrichten hat. Konkret beläuft sich dieser sogenannte «Präventionsbeitrag» auf 4.80 Schweizer Franken pro Jahr pro Person, oder 40 Rappen pro Monat pro Person.
Wie viel Autonomie haben Sie in der Strategieentwicklung?
Oberstes Entscheidungsorgan ist der Stiftungsrat, welcher auch die strategischen Rahmenbedingungen vorgibt. Diese orientieren sich an der «Nationalen Strategie Prävention nicht übertragbarer Krankheiten» (NCD-Strategie). Dies ist eine Art «Dachstrategie» im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention von den Kantonen, dem Bund und der Stiftung.
Wer legt diese Strategie fest?
Die stiftungseigene Strategie wird vom Stiftungsrat verabschiedet. Auftraggeber der NCD-Strategie sind der Bundesrat und der Dialog Nationale Gesundheitspolitik, die gemeinsame Plattform von Bund und Kantonen für gesundheitspolitische Fragen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG), die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und ‑direktoren (GDK) und die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz (GFCH) erarbeiten die Umsetzungsmassnahmen. Ausserdem ist die Wahrnehmung und Beurteilung unserer Arbeit durch Stakeholder (beispielsweise aus Politik, Wirtschaft und Behörden) für die Ausrichtung unserer Dienstleistungen richtungsweisend.
Auch im Bereich Demenz treiben wir die Prävention in der Gesundheitsversor-
Chloé Saas
gung aktiv voran.
Hier kommen Sie ins Spiel, was ist Ihre Rolle?
Wir sind ein nationales Kompetenzzentrum. Mit gesetzlichem Auftrag initiieren, koordinieren und evaluieren wir Massnahmen zur Förderung der Gesundheit und zur Verhütung von Krankheiten. Wir wollen Menschen informieren, befähigen und motivieren, die eigene Lebensweise gesund zu gestalten. Zudem streben wir gesellschaftliche Rahmenbedingungen an, die diesen Prozess unterstützen. Wir stellen dabei die Gesundheit und nicht die Krankheit ins Zentrum. Aus dieser Perspektive ist nicht nur wichtig zu wissen, was Menschen krank macht, sondern auch, was sie gesund erhält, obwohl sie Risiken und Belastungen ausgesetzt sind.
Zum Massnahmenplan 2025–2028 der NCD-Strategie gehören neu die Prävention von Demenz und die Förderung der psychischen Gesundheit. Was heisst das für Sie?
Die Förderung der psychischen Gesundheit ist in den letzten Jahren zu einem strategischen Schwerpunkt der Stiftung geworden. Beispielsweise unterstützen wir mit «Wie geht’s Dir?» und «SantéPsy.ch» zwei sprachregionale Kampagnen zur Förderung der psychischen Gesundheit. Beide Kampagnen werden von allen 26 Kantonen mitgetragen. Auch im Bereich Demenz treiben wir die Prävention in der Gesundheitsversorgung aktiv voran, indem wir gezielt Projekte finanziell unterstützen und fachlich begleiten. Damit haben wir in den letzten Jahren wichtige neue Pfeiler eingeschlagen.
Wie priorisieren Sie die Themen im Bereich der mentalen Gesundheit?
Unsere Strategie gibt uns die Richtung vor. Daneben orientieren wir uns an verschiedenen internen und externen Quellen wie der Schweizerischen Gesundheitsbefragung, den Analysen von Obsan, unseren eigenen Monitorings – darunter der Job-Stress-Index und Ressourcen Psychische Gesundheit – und an internationalen Studien, nur um ein paar Beispiele zu nennen. Aber auch der direkte Austausch mit unseren Stakeholdern ist wichtig. Die diversen Ergebnisse zeigen uns auf, wo Handlungsbedarf besteht.
Wie schliessen Sie die Lücke?
Beispielsweise geschieht dies im Rahmen der Projektförderung. In den Bereichen Prävention in der Gesundheitsversorgung (PGV) sowie den kantonalen Aktionsprogrammen (KAP) unterstützen wir innovative Ansätze. Damit können Lücken, welche dank Evaluationen und Monitorings identifiziert wurden, gezielt geschlossen werden – sei es thematisch, etwa bei der psychischen Gesundheit, oder für spezifische Zielgruppen wie Kinder und Jugendliche.
Wo sehen Sie dringenden Handlungsbedarf?
Die psychische Gesundheit der Jugendlichen müssen wir im Blick behalten. Es ist einer unserer Foki. Studien zeigen, dass die Jugendlichen unter zunehmendem Stress leiden und ihr Wohlbefinden sich verschlechtert. Ein erster Schritt war, das Thema sichtbar zu machen und offen darüber zu sprechen. So sind die zwei sprachregionalen Kampagnen «Wie geht es dir?» und «SantéPsy.ch» entstanden. Diese sensibilisieren für das Thema psychische Gesundheit, fördern den offenen Dialog über Emotionen und bieten praktische Tipps sowie Unterstützungsmöglichkeiten, um das seelische Wohlbefinden zu stärken. Die Massnahmen der Kampagnen reichen von Flyern, Plakaten und Konferenzen bis hin zu Kampagnen in Bussen, Kinos oder Apps. Themenbezogen werden gezielt Weiterbildungen angeboten, etwa für Lehrpersonen, die das Gelernte wiederum an Eltern und Kinder weitergeben.
Welche Rolle haben hier die Kantone?
Sie spielen eine sehr zentrale Rolle: Sie sind in ihrem Kanton zuständig für die Gesundheitsversorgung, die Prävention und die Gesundheitsförderung und setzen zusammen mit uns kantonale Aktionsprogramme (KAP) um. Die KAP beruhen auf schweizweit bewährten Rahmenbedingungen, lassen dabei jedoch genügend Spielraum für die kantonsspezifischen Bedürfnisse und die wichtigen regionalen Besonderheiten.
Sie finanzieren und koordinieren. Was noch?
Gemäss gesetzlichem Auftrag initiieren und evaluieren wir auch Massnahmen zur Förderung der Gesundheit. Beim Initiieren fokussieren wir uns auf Aktivitäten in den drei Interventionsbereichen: den kantonalen Aktionsprogrammen für die Bevölkerung in den Kantonen, dem betrieblichen Gesundheitsmanagement in Unternehmen aller Branchen sowie der Prävention in der Gesundheitsversorgung, beispielsweise in Arztpraxen, Spitälern oder Apotheken. Evaluieren meint die Überprüfung unserer Massnahmen. Um diese Aufgabe zu erfüllen, werden Forschungsaufträge, Evaluations- und Monitoring-Projekte umgesetzt.
Arbeiten Sie auch direkt mit der Privatwirtschaft zusammen?
Ja, sehr intensiv sogar. Zusammen mit Fachleuten aus Wirtschaft, Wissenschaft und staatlichen Institutionen entwickelten wir Angebote im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) mit Fokus auf der psychischen Gesundheit. So entstand unter anderem das Label «Friendly Work Space». Damit unterstützen wir Organisationen und Betriebe beim Aufbau eines systematischen BGM.
Wie ist das Label entstanden?
Uns ist es wichtig, die Bedürfnisse der Betriebe – der Führungspersonen und der Mitarbeitenden – zu kennen. Wir stellen fest, dass das Bewusstsein für die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz steigt. Jede zweite IV-Neurente geht auf psychische Belastungen zurück, insbesondere auch bei jungen Menschen. Wir fördern zudem den Aufbau, die Weiterentwicklung und Koordination von regionalen Foren im Bereich des BGM. Diese helfen Unternehmen, ihr betriebliches Gesundheitsmanagement erfolgreich umzusetzen und leisten wichtige Informations- und Koordinationsarbeiten in ihren Regionen. Die BGM-Angebote der Stiftung werden in Zusammenarbeit mit Expert:innen aus Wirtschaft und Wissenschaft entwickelt und kontinuierlich verbessert. Hier setzen wir uns gezielt für die psychische Gesundheit von Erwerbstätigen ein – denn ihr Wohlbefinden ist Schlüssel zum Unternehmenserfolg.
Wie setzt sich ihr Stiftungsrat zusammen?
Der Stiftungsrat setzt sich aus Vertreter:innen verschiedener Institutionen zusammen, darunter die Kantone, der Bund (BAG), Versicherungen sowie Partnerorganisationen wie beispielsweise die Lungenliga.
Wenn Sie einen Wunsch an Bund und Kantone frei hätten: Was müsste sich ändern, damit Gesundheitsförderung Schweiz noch wirksamer arbeiten könnte?
Es braucht alle Akteur:innen für ein gutes Gelingen. Wichtig ist insbesondere, dass die vulnerablen Gruppen erreicht werden. Das ist eine grosse Herausforderung. Es sollten möglichst alle tätig werden und Ungleichheiten im Gesundheitsbereich bekämpfen, um gefährdete Bevölkerungsgruppen zu erreichen. Wir haben bei den Angeboten gewisse Lücken identifiziert und zielgruppenspezifische Aktionspläne erarbeitet, welche die jeweils zutreffenden Partnerorganisationen einbezieht. So konnten wir bereits dazu beigetragen, das Tabu rund um psychische Gesundheit aufzubrechen. Indem wir die Psyche als Teil der allgemeinen Gesundheit verstehen, sehen wir zunehmend eine präventive und entstigmatisierte Herangehensweise. So können wir und andere Akteur:innen der Gesundheitsförderung immer wieder aufzeigen, wo Bedarf ist zu handeln – beispielsweise wo in den Strukturen und Settings Voraussetzungen zu schaffen sind, die der psychischen Gesundheit dienen.