The Brown Sisters, New Canaan, Connecticut, 1975 | © Nicholas Nixon, courtesy Fraenkel Gallery, San Francisco

Wann ist alt?

Mehr gemeinsame Zeit

Die Sorge für Menschen der älte­ren Gene­ra­tion ist tradi­tio­nell ein Sektor, in dem viele Stif­tun­gen aktiv sind. Mit dem aktu­el­len demo­gra­fi­schen Wandel gewinnt das Enga­ge­ment zusätz­lich an Bedeu­tung. Denn wir werden immer älter. Und die Älte­ren werden mehr. Diese neue Situa­tion fordert die gesamte Gesellschaft.

«Das Herz wird nicht dement», sagt Beat Hänni, Präsi­dent des Stiftungsrates. 

Die Stif­tung Humor & Gesund­heit unter­stützt seit gut 15 Jahren Initia­ti­ven und Projekte, die mit einfühl­sa­mem und respekt­vol­lem Humor die Lebens­qua­li­tät von betag­ten, behin­der­ten und demenz­be­trof­fe­nen Menschen erhö­hen. Der Stif­tungs­rat folgt im Stif­tungs­zweck der Erkennt­nis der heil­sa­men «thera­peu­ti­schen» Wirkung des Humors zum Wohl der psychi­schen und körper­li­chen Gesund­heit des Menschen. Humor in ein Alters- und Pfle­ge­heim zu brin­gen, ist eine anspruchs­volle und heikle Heraus­for­de­rung. Es ist immer eine Grat­wan­de­rung. Die geis­tig agilen Menschen sollen sich ebenso wieder­fin­den wie jene, deren intel­lek­tu­elle Fähig­kei­ten nach­ge­las­sen haben. Denn gerade für demente Perso­nen ist die Wirkung von Humor nicht zu unter­schät­zen. Lächeln, Lachen und Aufleuch­ten helfen. «Spezi­ell geschulte Begeg­nungs­clowns wissen und spüren sehr genau, wie sie die Sinne von demen­ten Menschen noch anspre­chen können. «So wird gespro­chen, berührt, musi­ziert und mit Mimik gespielt», erklärt Beat Hänni. «Der Hörsinn und die opti­sche Wahr­neh­mung lösen Gefühle aus. Und oft sind auch Lang­zeit­er­in­ne­run­gen noch sehr präsent.» Dieser feine Humor erlaubt es, mit Mitmen­schen Kontakt aufzu­neh­men, sie zu berüh­ren, zu beglü­cken, wenn andere Wege schwie­rig gewor­den sind.

Wach­sende Gruppe

Die Frage nach dem rich­ti­gen Altern ist facet­ten­reich. Ihre Beant­wor­tung wird für unsere Gesell­schaft weiter an Bedeu­tung gewin­nen. Sie wird Staat und Wissen­schaft, Wirt­schaft, NPOs und Stif­tun­gen fordern.

Nicht Konkur­renz­den­ken, sondern sich ergän­zen­des Enga­ge­ment ist gefor­dert. «Ich sehe vor allem ein Mitein­an­der», sagt Maja Nagel Dett­ling von der Paul Schil­ler Stiftung.

Die phil­an­thro­pi­sche Insti­tu­tion setzt sich für eine gute Betreu­ung älte­rer Menschen in der Schweiz ein. Sie enga­giert sich insbe­son­dere dort, wo der Staat nicht oder noch nicht aktiv ist. «Wir sehen uns als ausglei­chende Kraft. Wir haben finan­zi­elle Ressour­cen und sind im Vergleich zum Staat oder zu der Privat­wirt­schaft unab­hän­gig», sagt sie. Dies ermög­licht der Stif­tung ein agile­res Handeln. Stif­tun­gen können eigen­stän­dig Probleme auffin­den, defi­nie­ren lassen und Lösun­gen finden. Gerade in der Alters­frage ist dies drin­gend notwen­dig. Poli­ti­sche Refor­men stecken fest. Die demo­gra­fi­sche Entwick­lung macht es zwin­gend, zeit­nah Antwor­ten zu finden. Das Refe­renz­sze­na­rio des Bundes­amts für Statis­tik geht davon aus, dass bis 2045 ein Vier­tel der Bevöl­ke­rung über 65 Jahre alt sein wird – 2015 lag der Anteil noch bei 18 Prozent. Betrug die Lebens­er­war­tung einer 65-jähri­gen Frau im Jahre 1998 noch 20,6 Jahre, durfte sie 2018 schon mit 22,7 zusätz­li­chen Jahren rech­nen. Auch bei den Männer stieg die durch­schnitt­li­che Lebens­er­war­tung nach der Pensio­nie­rung gemäss dem Bundes­amt für Statis­tik auf 19,9 Jahre. Dies entspricht 3,4 Jahren mehr als Ende des 20 Jahr­hun­derts. Grund­sätz­lich ist ein gewon­ne­nes Lebens­jahr posi­tiv. Jedoch ist mit dieser Verän­de­rung eine grosse gesell­schaft­li­che Heraus­for­de­rung verbun­den, denn mit der zuneh­men­den demo­gra­fi­schen Umver­tei­lung zwischen erwerbs­tä­ti­ger Bevöl­ke­rung und Pensio­nier­ten betre­ten wir Neuland. 

Die Geschäfts­füh­re­rin der Age-Stif­tung, Anto­nia Jann, erklärt: «Wir kommen in eine Situa­tion, die wir schlicht nicht kennen. Wir werden immer älter und die Älte­ren werden immer mehr. Gleich­zei­tig blei­ben die Menschen länger selb­stän­dig. Es gibt dafür keine histo­ri­schen Vorbil­der.» Die Wahr­neh­mung unse­rer Gesell­schaft ist geprägt von frühe­ren Struk­tu­ren, die es nicht mehr gibt.

In der enor­men Heraus­for­de­rung des Themas sieht Anto­nia Jann aber auch eine Chance. «Wir müssen neu denken und andere Lösun­gen finden. Denn die bishe­ri­gen funk­tio­nie­ren unter den neuen demo­gra­fi­schen Bedin­gun­gen nicht mehr problem­los.» Die Age-Stif­tung widmet sich, wie vom unbe­kann­ten engli­schen Stif­ter gewünscht, dem Thema Alter mit dem Schwer­ge­wicht auf Wohnen. «Wohnen ist sehr wich­tig – und je älter jemand wird, umso wich­ti­ger wird es», sagt Anto­nia Jann. Die Age-Stif­tung will einen Beitrag leis­ten, den Blick­win­kel weiten. Wir sind die Stif­tung, die nicht selber handelt. Wir sind eine Art Treib­stoff für Inno­va­tio­nen», betont Anto­nia Jann. Die Stif­tung geht davon aus, dass Menschen, die im Feld arbei­ten, gute Ideen haben und merken, was über­haupt möglich und nötig ist. Sie fördert dort, wo es jenen hilft, die das Projekt umset­zen, und wo man etwas aus einem Projekt lernen kann, wo es multi­pli­zier­bar ist. «Wir fördern nicht eine Stan­dard­lö­sung, sondern Breite und Viel­falt von mögli­chen Ideen», fügt sie hinzu. Die Stif­tung hat seit ihrer Grün­dung im Jahr 2000 rund 300 Projekte geför­dert und sie unter­stützt jähr­lich Projekte mit rund drei Millio­nen Franken.

Wohn­si­tua­tion zentral

«Die Wohn­si­tua­tion hat einen gros­sen Einfluss auf die Lebens­qua­li­tät, das Wohl­erge­hen und die Zufrie­den­heit. Dies wird mit zuneh­men­dem Alter noch wich­ti­ger», sagt Tatjana Kistler, Medi­en­ver­ant­wort­li­che von Pro Senectute.

Die Stif­tung ist die grösste und bedeu­tendste Dienst­leis­tungs­or­ga­ni­sa­tion für ältere Menschen und ihre Ange­hö­ri­gen in der Schweiz. Zusam­men mit Raiff­ei­sen hat sie kürz­lich die Studie «Wohnen im Alter» veröf­fent­licht. Und diese zeigt, dass die Wohn­si­tua­tion im Renten­al­ter viele beschäf­tigt. Fast zwei Drit­tel der 35- bis 44-Jähri­gen haben sich dazu bereits Gedan­ken gemacht. Jedoch lassen sich erst 10 Prozent bera­ten. Die Befra­gung ergab weiter, dass bei den Miete­rin­nen und Mietern mit zuneh­men­dem Alter die Zufrie­den­heit markant zunimmt. Bei den 35- bis 44-Jähri­gen sind erst rund 60 Prozent mit ihrem Wohn­sitz zufrie­den. Dieser Wert steigt auf 90 Prozent bei Perso­nen zwischen 65 und 75 Jahren. Doch eine gute Wohn­si­tua­tion ist keine Selbst­ver­ständ­lich­keit. «Um bis ins hohe Alter so lange wie möglich selbst­be­stimmt zu leben und zu wohnen, bedarf es zusam­men mit den Ange­hö­ri­gen einer früh­zei­ti­gen Planung und eini­ger Über­le­gun­gen», rät Tatjana Kistler. Pro Senec­tute bietet dabei Unter­stüt­zung. «Denn das aktu­elle Zuhause ist nicht immer auch ideal als Wohn­ort im Alter geeig­net.» Mit bauli­chen Mass­nah­men lassen sich zwar einige Anfor­de­run­gen an ein alters­ge­rech­tes Wohnen erfül­len. Doch es gibt Gren­zen. Es gibt Situa­tio­nen, die einen Umzug erfor­dern. Dieser kann ein prägen­der Einschnitt sein. Gewohn­tes muss zurück­ge­las­sen werden. «Der Umzug in eine Alters­woh­nung heisst für viele dann doch, ein Stück der selbst­be­stimm­ten Lebens­weise abzu­ge­ben», sagt Tatjana Kistler. 

Wohnen ist mehr als vier Wände

Die Studie «Wohnen im Alter» zeigt die Bedeu­tung des selbst­be­stimm­ten Wohnens. Ein Gross­teil der Befrag­ten bis 75 Jahre gibt an, keine Hilfe zu benö­ti­gen. Und falls doch, seien es Fami­li­en­an­ge­hö­rige, die unter­stüt­zen. Klar ist, dass die Förde­rung des selbst­be­stimm­ten Lebens an Bedeu­tung gewinnt. Und dabei spie­len nicht nur die persön­li­chen Präfe­ren­zen der Direkt­be­trof­fe­nen eine Rolle.Unsere Gesell­schaft ist förm­lich dazu gezwun­gen, Wohn­for­men zu fördern, die ein weit­ge­hend selbst­be­stimm­tes Leben ermög­li­chen. Denn in den kommen­den Jahren gehen die Baby­boo­mer in Pension. Das heisst konkret: Jeder fünfte Beschäf­tigte in der Schweiz schei­det aus dem ersten Arbeits­markt aus. «Die Poli­tik sagt ambu­lant vor statio­när. Die Menschen sollen und wollen möglichst selbst­be­stimmt zu Hause blei­ben», sagt Anto­nia Jann. Auch eine 90-Jährige soll in der eige­nen Wohnung leben können. «Bekommt sie keiner­lei Hilfe und Unter­stüt­zung, kann es jedoch schwie­rig werden», sagt sie. Infra­struk­tu­ren und Vergü­tungs­mo­delle müssen deshalb entspre­chend ange­passt werden. Und gerade weil der demo­gra­fi­sche Wandel gesell­schaft­li­che Verän­de­run­gen mit sich bringt, braucht es gute Beispiele, wie die Wohn­frage im Alter ange­gan­gen werden kann. Es gibt heute bereits Ange­bote, die das Wohnen zu Hause unter­stüt­zen – Spitex, Mahl­zeit­lie­fer­dienste oder Haus­halts­hil­fen, wie sie Pro Senec­tute anbie­tet. Doch das Thema muss weiter gedacht werden. «Die Alters­frage muss von Anfang an bei der Areal­ent­wick­lung mitge­dacht werden», sagt Anto­nia Jann. «Und neben den priva­ten Akteu­ren müssen auch die Gemein­den das Thema aufneh­men.» Um die Kommu­nen dabei zu unter­stüt­zen, hat die Age-Stif­tung im laufen­den Jahr die zweite Runde des Socius-Programms gestar­tet. Das Programm will die Daten­ba­sis verbes­sern und Erkennt­nisse darüber gewin­nen, wie Gemein­den und Regio­nen möglichst gut mit der demo­gra­fi­schen Verän­de­rung umge­hen können. Zehn Gemein­den nehmen teil. Sie bauen Unter­stüt­zungs­sys­teme für ältere Menschen auf. Gemäss Anto­nia Jann nehmen Gemein­den und Regio­nen in der Neuori­en­tie­rung der Alters­vor­sorge eine wich­tige Rolle ein. Sie müssen schauen, dass keine gros­sen Ange­bots­lü­cken bestehen, und sie soll­ten dafür sorgen, dass zivil­ge­sell­schaft­li­ches Enga­ge­ment geför­dert und sorg­fäl­tig gepflegt werden kann.

Auszug The Philanthropist, Heft 2/2020

Alt ist nicht gleich alt

In der Diskus­sion um neue Wohn­for­men zeigt sich ein span­nen­des Phäno­men in der Bezeich­nung. «Gene­ra­tio­nen­woh­nen ist ein Zauber­be­griff», sagt Anto­nia Jann. «Niemand hat etwas dage­gen.» Für die Älte­ren ist der Begriff posi­tiv, weil sie sehr gerne mit jünge­ren Leuten zusam­men sind. Umge­kehrt stört es diese nicht, wenn es auch Ältere hat. Schwie­rig wird es mit dem Begriff «alt». Heute deckt der Begriff eine Zeit­spanne von prak­tisch 40 Jahren ab. 60-jährige Arbeit­neh­mende wie auch 100 Jahre alte Rent­ne­rin­nen können damit gemeint sein. Deswe­gen gibt es eigent­lich kein Alter, sondern ein Älter­wer­den. Anto­nia Jann ist denn auch der Meinung, dass ein einzi­ges Wort wie «alt» nicht ausreicht. Als Vergleich zieht sie den Schnee heran. In Afrika mag es genü­gen, ein Wort für Schnee zu nutzen. In Grön­land dage­gen braucht es eine Viel­zahl. Deswe­gen auch die Skep­sis gegen­über dem Wort «alt». «Sagen die Leute, ich bin noch nicht alt, heisst das, ich bin noch nicht gebrech­lich, ich kann noch für mich selber sorgen. Ich kann meinen Alltag gestal­ten», sagt Anto­nia Jann. «Das heisst aber nicht, dass diese Perso­nen meinen, sie seien noch jung. Viel­mehr brin­gen sie zum Ausdruck, dass sie noch gewillt sind, selb­stän­dig zu sein.»

Gesunde Jahre verlängern

Damit dies gelingt, braucht es die eigene Gesund­heit. Doch die zusätz­li­chen Jahre, welche die stei­gende Lebens­er­war­tung bringt, erle­ben die Menschen nicht auto­ma­tisch bei bester Gesund­heit. Krank­hei­ten können das selbst­be­stimmte Leben jäh been­den. Um diese Gefahr zu mindern und die gesun­den Lebens­jahre zu verlän­gern, forscht die ETH Zürich im Bereich Healthy Aging. Zusätz­li­che Lebens­jahre sollen möglichst von chro­ni­schen Krank­hei­ten entkop­pelt werden. Neben der bestehen­den Forschungs­ar­beit zahl­rei­cher Profes­so­rin­nen und Profes­so­ren der ETH Zürich mit viel­fäl­ti­gen Bezü­gen zum Thema wurde eine zusätz­li­che Profes­sur für dieses Thema geschaf­fen. Seit Anfang 2020 ist James Mitchell Profes­sor für Biolo­gie des gesun­den Alterns. Zuvor war er ausser­or­dent­li­cher Profes­sor an der Harvard School of Public Health in Boston. Er beschäf­tigt sich mit spezi­fi­schen Aspek­ten der biolo­gi­schen Alte­rung und mit wissen­schaft­lich fundier­ten Ansät­zen der Beein­flus­sung dieses Prozes­ses sowie damit einher­ge­hen­den Erkran­kun­gen. Die Gren­zen zwischen der Medi­zin und seiner Forschung sind flies­send: Er erforscht die mole­ku­la­ren Mecha­nis­men, welche die Entwick­lung alters­be­ding­ter Krank­hei­ten verzö­gern und uns länger gesund halten. 

«Durch die Unter­stüt­zung von Gönne­rin­nen und Gönnern sowie Part­nern wird Forschung für unsere Gesund­heit und für gesun­des Altern beschleu­nigt», sagt Donald Till­man, Geschäfts­füh­rer der ETH Foundation.

Mehr als Pflege

Auch die Paul Schil­ler Stif­tung enga­giert sich in der Forschung, aller­dings in einem Bereich, der im Kontext zu ihren Förder­kri­te­rien steht. Der Fokus ihrer Arbeit im Förder­be­reich Alter liegt aktu­ell stär­ker auf den sozio­kul­tu­rel­len und psycho­so­zia­len Fakto­ren. Deren Bedeu­tung lässt sich beispiels­weise vom Tages­ab­lauf eines älte­ren Menschen ablei­ten: «So entschei­dend die pfle­ge­ri­sche und die medi­zi­ni­sche Betreu­ung sind, sie nehmen nur einen sehr klei­nen Zeit­ab­schnitt im Tages­ver­lauf ein», hält Maja Nagel Dett­ling fest. So sind es in der Regel auch diese Leis­tun­gen, die als Erstes sicher­ge­stellt und finan­ziert sind. Doch für die Lebens­qua­li­tät älte­rer Menschen, gerade bei einge­schränk­ter Selb­stän­dig­keit, ist die rest­li­che Alltags­ge­stal­tung die grosse Heraus­for­de­rung. «Hier ist defi­ni­to­ri­sche Arbeit wich­tig und die Wissen­schaft gefor­dert. «Es gilt, den Austausch mit der gesam­ten Gesell­schaft und der Fach­welt zu fördern», sagt sie. Gerade im Zeichen des Coro­na­vi­rus werde reali­siert, dass neben der Pflege auch psycho­lo­gi­sche und soziale Betreu­ung gefragt sind. Dazu braucht es die entspre­chen­den Kompe­ten­zen, bspw. sozi­al­päd­ago­gi­sches Fach­wis­sen oder Fach­wis­sen, wie es die Fach­an­ge­stell­ten in der Betreu­ung oder die Akti­vie­rungs­fach­frauen mitbrin­gen. Hier will die Stif­tung wirken. «Es gilt, den häufigs­ten Leiden im Alter entge­gen­zu­wir­ken», sagt Maja Nagel und sie zählt – basie­rend auf der Eden-Philo­so­phie – die Einsam­keit, die Nutz­lo­sig­keit und die Lange­weile dazu. In der Stär­kung dieser ganz­heit­li­chen Sicht­weise auf das Alter sieht sie gros­ses Poten­zial. Hier können Stif­tun­gen viel bewir­ken. Vernet­zung und Koor­di­na­tion verstär­ken den Dialog, dessen ist sich Maja Nagel Dett­ling bewusst. «Wir brau­chen Fakten. Wir müssen wissen, was die Heraus­for­de­run­gen sind», sagt sie. Deswe­gen enga­giert sie sich auch im Arbeits­kreis Alter von Swiss­Foun­da­ti­ons, in dem sich verschie­dene Stif­tun­gen über die gros­sen Heraus­for­de­run­gen austau­schen und dazu abstim­men. Für Maja Nagel Dett­ling ist ein ganz­heit­li­ches Verständ­nis vom Menschen und damit auch vom Alter wich­tig. Es gehe nicht nur um gesund oder krank, genauso entschei­dend sind die Umfeld­fak­to­ren, eine sinn­ge­bende Alltags­ge­stal­tung und soziale Kontakte. 

Gegen die Einsam­keit können einfa­che Dinge wie ein Lachen helfen oder ein unbe­schwer­ter Austausch mit Kindern. «Die ersten Akti­vi­tä­ten mit soge­nann­ten Begeg­nungs­clowns fanden in Alters­hei­men in den 90er Jahren statt», sagt Beat Hänni. Oft hätten jedoch die finan­zi­el­len Mittel gefehlt. Die 2005 gegrün­dete Stif­tung für 

Humor & Gesund­heit ermög­lichte seit­her mit Teil- und Anschub­fi­nan­zie­rung rund 70 solcher Projekte. Dazu gehö­ren auch Projekte wie die Besu­che mit Kinder­gar­ten­klas­sen in einem Heim für Demente. Die Kinder schaf­fen es, mit ihrer Unbe­schwert­heit eine heitere Brücke zu schla­gen. Die Stif­tung für Humor & Gesund­heit enga­giert sich neben Begeg­nungs­clowns auch für Humor­schu­lun­gen in Alters- und Pfle­ge­hei­men als Aus- und Weiter­bil­dung von Mitar­bei­ten­den. Dies erleich­tert den Umgang mit den Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­nern und mobi­li­siert den eige­nen Humor als Ressource zur Bewäl­ti­gung schwie­ri­ger Situa­tio­nen. Denn Humor kennt kein Alter!

Coro­na­krise

Ein direk­ter persön­li­cher Austausch ist in der aktu­el­len Krise schwie­ri­ger gewor­den. Gleich­zei­tig zeigt sich gerade jetzt, welche Macht diese zwischen­mensch­li­chen Aspekte haben. Aufgrund des Coro­na­vi­rus sind ältere Menschen isoliert, verblei­ben gröss­ten­teils in ihren Wohnun­gen oder Heimen. Es gibt aber auch viel sozia­les Enga­ge­ment, viel Posi­ti­ves. Der Wert der Betreu­ung wird sicht­ba­rer. Viele Initia­ti­ven nehmen sich der älte­ren Menschen an. Oft steht vorder­grün­dig eine einfa­che Dienst­leis­tung wie das Einkau­fen auf dem Programm. Von Bedeu­tung ist jedoch der dazu­ge­hö­rige soziale Aspekt. «Dank dieser Kontakte haben die Menschen doch noch einen Zugang zur Gesell­schaft – trotz der Isola­tion», sagt Maja Nagel Dett­ling. Viele Stif­tun­gen haben in der Krise ihre Kompe­ten­zen genutzt und viel­fäl­tig und schnell reagiert: Pro Senec­tute bspw. hat mit der Migros einen Einkaufs- und kosten­lo­sen Liefer­ser­vice ausschliess­lich mit Frei­wil­li­gen für Menschen in Quaran­täne lanciert und in Kürze fast 30’000 regis­trierte Helfe­rin­nen und Helfer gefun­den. In der Krise wurde offen­sicht­lich, was meist im Hinter­grund verbor­gen bleibt: die Bedeu­tung und das Poten­zial der frei­wil­li­gen Helfe­rin­nen und Helfer – eine unter­schätzte Arbeit. «Eigent­lich sind wir eine grosse Bran­che: Jeder Dritte leis­tet Frei­wil­li­gen­ar­beit. Insge­samt leis­ten sie rund 660 Millio­nen Arbeits­stun­den im Wert von 34 Milli­ar­den Fran­ken pro Jahr», sagt Thomas Hauser, Geschäfts­lei­ter von Bene­vol, der Dach­or­ga­ni­sa­tion für Frei­wil­li­gen­ar­beit in der Schweiz.

Helfen ist schwie­rig, Hilfe anneh­men schwieriger

Frei­wil­li­gen­ar­beit ist aus unse­rer Gesell­schaft nicht wegzu­den­ken. Prak­tisch jeder Lebens­be­reich wird von ihr geprägt. Doch sie muss sich der Schwie­rig­keit stel­len, sich als Bran­che Beach­tung zu verschaf­fen: «Im Klei­nen ist sie oft von gros­sem Stel­len­wert, im Gros­sen aber von klei­nem», sagt Thomas Hauser. Die klei­nen, loka­len Projekte sind oft von stil­len Schaf­fe­rin­nen und Schaf­fern getra­gen. Diese Nähe zu den Menschen, das Einge­bun­den­sein in lokale, indi­vi­du­elle Projekte verhin­dert, dass die gesamt­ge­sell­schaft­li­che Leis­tung gebüh­rend wahr­ge­nom­men wird. «Frei­wil­li­gen­ar­beit erfährt aus Bundes­bern keine Förde­rung und ist gesetz­lich nicht gere­gelt», sagt Thomas Hauser. Auch wenn er sich bessere Rahmen­be­din­gun­gen wünscht, bspw. in Form zur Verfü­gung gestell­ter Loka­li­tä­ten würde er eine Regu­lie­rung als kontra­pro­duk­tiv erach­ten. Denn Frei­wil­li­gen­ar­beit kann nicht erzwun­gen werden. «Es braucht die persön­li­che Betrof­fen­heit. Dann sind die entspre­chen­den Ressour­cen schnell vorhan­den», sagt er. Die Frei­wil­li­gen­ar­beit kommt aus der Zivil­ge­sell­schaft. Und hier spielt die ältere Gene­ra­tion einen wich­ti­gen Part. Die aktu­elle Krise zeigt ihre Doppel­rolle. Sie sind Leis­tungs­er­brin­ger und ebenso Leis­tungs­emp­fän­ger. Dass viele ältere Menschen jetzt aufgrund von Corona in der Frei­wil­li­gen­ar­beit fehlen, ist spür­bar. Die jüngere Gene­ra­tion ist gefor­dert und zeigt sich sehr enga­giert bezüg­lich Versor­gungs­hil­fen für die Risi­ko­grup­pen. Der Krisen­all­tag zeigt, dass das Wech­sel­spiel zwischen Helfen und Hilfe anneh­men gelernt werden muss und kann. «Helfen ist schwie­rig», sagt Thomas Hauser, «Hilfe anneh­men manch­mal noch schwie­ri­ger.» Wer die Erfah­rung gemacht hat, als Frei­wil­li­ger zu helfen, dem wird es leich­ter fallen, Hilfe anzu­neh­men. Gerade bei der älte­ren Gene­ra­tion ist das entschei­dend. Thomas Hauser spricht denn auch von einer drit­ten und vier­ten Gene­ra­tion, einer akti­ven drit­ten und einer vier­ten, die auf Unter­stüt­zung ange­wie­sen ist. «Im Austausch kann man sich besser vorstel­len, was einen im letz­ten Lebens­ab­schnitt erwar­tet und wie man den gestal­ten möchte», sagt er. Um die dritte Gene­ra­tion zu Frei­wil­li­gen­ar­beit zu moti­vie­ren, braucht es vor allem attrak­tive Ange­bote. «Moderne Frei­wil­li­gen­ar­beit geht nicht ohne Parti­zi­pa­tion: Sinn­haf­tig­keit entsteht, wenn das Indi­vi­duum das Gefühl hat, den Unter­schied zu machen. Frei­wil­lige wollen mitprä­gen, mitbe­stim­men.» Dabei hat sich in den vergan­ge­nen Jahren eine grund­le­gende Verän­de­rung erge­ben. Frei­wil­lige enga­gie­ren sich heute viel lieber projekt­be­zo­gen, als sich für eine längere Zeit zu verpflich­ten – auch wenn das Enga­ge­ment am Ende von Projekt zu Projekt über Jahre gehen kann. Die Indi­vi­dua­li­sie­rung in der Frei­wil­li­gen­ar­beit hat auch etwas Para­do­xes. Thomas Hauser hält fest: «Die Sinn­ge­bung ist erst im Kollek­tiv erlebbar.» 

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