Lisa Meyerhans, Sie sind Stiftungsrätin der Asuera und der Alexander Schmidheiny Stiftung und Vizepräsidentin von SwissFoundations – was machen Förderorganisationen heute grundsätzlich anders?
SwissFoundations engagiert sich seit über 20 Jahren für eine wirksame Philanthropie. Aus dem Dialog mit unseren Mitgliedern und meinem eigenen Engagement in Stiftungen weiss ich: Förderstiftungen haben sich in den letzten Jahren professionalisiert und entwickeln sich laufend weiter. Sie warten nicht mehr «im stillen Kämmerlein» auf Gesuche, sondern gestalten die Zusammenarbeit mit ihren Partnern immer aktiver. Der Austausch mit Projektpartnern und anderen Förderern wird gesucht und gepflegt. Wir verstehen Wirkung heute als etwas, das durch den gemeinsamen Effort von NGO’s und Förderorganisationen entsteht, und wollen deshalb auch genau wissen, mit wem wir wie und wofür zusammenarbeiten.
Was verpassen NGO’s, die mit einer klassischen Fundraising-Brille auf einen Förderer schauen?
Erst einmal, die Chance, eine tragfähige Beziehung aufzubauen, die auch in schwierigeren Zeiten trägt. Die herausfordernden Situationen während der Covid-Lockdowns sind dazu ein gutes Beispiel: Bestand zwischen einer vom Lockdown betroffenen Organisation und einem Förderer eine gute Beziehung, konnten beispielsweise schnell faire Lösungen für abgesagte oder verschobene Veranstaltungen gefunden werden. Zudem entwickeln sich gute Projekte oft durch den Dialog weiter. Viele kleinere Organisationen verfügen über tolle Ideen, es mangelt ihnen aber an der Kapazität, die Organisation stabil zu halten oder auf neue Anforderungen anzupassen. Hier können Förderorganisationen ihr Know How zur Verfügung stellen. Daraus entsteht eine spannende Zusammenarbeit. Wenn eine Organisation einfach einen schriftlichen Antrag platziert, statt den Dialog zu suchen, kann schwer eine echte Zusammenarbeit entstehen.
Auf stiftungschweiz.ch sind auch viele Förderorganisationen verzeichnet, die keine Korrespondenz führen und nicht ansprechbar sind – wie erkennt man einen Förderer, der dialogisch vorgeht?
Der auf der Plattform sichtbare Hinweis auf eine Mitgliedschaft bei SwissFoundations ist sicher schon ein guter Ausgangspunkt. Generell kann man nach Förderorganisationen Ausschau halten, die ihr Profil pflegen und die Kontaktangaben ersichtlich sind. Oft wird auch unter «Förderpolitik» offengelegt, wie man vorzugehen hat und auf die Website verwiesen. Ebenfalls gute Signale sind: Transparenz über thematische Schwerpunkte und klare Kommunikation von Ausschlusskriterien.
Patrizia Rezzoli, als Geschäftsführerin der Seedling Foundation und Vorstandsmitglied von SwissFoundations, suchen Sie aktiv nach Projekten – wie gehen Sie dabei vor?
Wir verfolgen einen proaktiven Scouting-Ansatz, bei dem wir selbst potenzielle Projektpartner identifizieren, anstatt auf Förderanträge zu warten. Dies ermöglicht es uns, die Anzahl der Förderanträge überschaubar zu halten und unser Portfolio aktiv zu gestalten. Wir konzentrieren uns auf innovative Lösungen im Bereich des Klimaschutzes, insbesondere auf Projekte, die das Ernährungssystem nachhaltig verbessern und somit direkt zur Bekämpfung der Klimakrise beitragen.
Sind die von Ihnen unterstützten NGO’s alle auf StiftungSchweiz vertreten?
Leider oftmals noch nicht, aber wir werden sie nun aktiv dazu einladen. Es findet langsam ein Umdenken statt, aber viele NGO’s sind noch etwas unsicher, wie sie auf den Radar von scoutenden Förderorganisationen gelangen. Bevor NGO’s eine Mail schreiben, sollten sie sich fragen: Sind wir überhaupt auffindbar und wie können wir einer interessierten Förderorganisation dabei helfen, rasch zu erfassen, was wir machen und wollen? Ein strukturiertes Profil auf StiftungSchweiz unterstützt die Sichtbarkeit enorm. Es geht hier um kurze, aber präzise Angaben auf der digitalen Plattform zur Vision, Mission, zu den Aktivitäten und zu früheren Erfolgen einer NGO. Diese Informationen sollten à jour gehalten werden und sind dann für Alle sichtbar und verfügbar – der Aufwand lohnt sich also. So können wir NGO’s, die noch nicht in unserem Netzwerk sind, einfacher finden und kontaktieren, wenn ein Vorhaben zu unserer Förderstrategie und unserem bestehenden Förderportfolio passt.
Lisa Meyerhans, Sie sind als Kommunikationsexpertin und Verwaltungsrätin sehr vernetzt – welchen Rat geben Sie einem Nonprofit für den Aufbau eines guten Netzwerks?
Hausaufgaben machen, sich wirklich gut informieren und an die Vorgaben halten – und dann kurz und fokussiert sein. Sicherlich hilft es auch, sich an Anlässen wie beispielsweise dem Zürcher Stiftungsforum oder am SwissFoundations Symposium zu vernetzen. Die vielen Möglichkeiten zur Vernetzung finden sich auch auf der Website von SwissFoundations und StiftungSchweiz.
Wie stellen Sie sich das Matching zwischen Nonprofit und Funder in 5–10 Jahren vor?
Die digitale Welt schafft neue Chancen. Als Plattform für die gemeinnützige Schweiz schafft StiftungSchweiz gerade auch für kleine gemeinnützige Vereine oder neue Initiativen eine einfache und schnelle Möglichkeit, die eigenen Projekte einer grossen Community zu präsentieren und so passende Partner zu finden. Das erleichtert das Matching und schont die Ressourcen, die ja gerade in Milizorganisationen der limitierende Faktor sind. Und parallel zu technologischen Entwicklungen rücken die menschlichen Aspekte und der Beziehungsaufbau wieder verstärkt in den Vordergrund. Dank der grösseren Reichweite über die Plattform können NGO’s mehr Zeit in die menschliche Beziehung investieren. Anstelle des kostspieligen Versands von Hunderten auf Hochglanz polierten Anfragen kann schneller konkret über ein Projekt gesprochen werden. Vertrauen ist in einer Förderbeziehung schon heute sehr zentral. Wer Fundraising ausschliesslich als Mittelbeschaffung versteht, fällt zurück.
Patrizia Rezzoli, wie macht man bei Ihnen einen ersten Punkt?
Wie eingangs erwähnt, gehen wir selbst auf potenzielle Projektpartner zu, bewirtschaften aktiv unser Netzwerk und machen natürlich auch entsprechendes Research. Somit machen wir oft den ersten Schritt. Aber selbstverständlich kontaktieren uns mögliche Projektpartner auch direkt, obwohl wir offiziell keine Förderanträge unaufgefordert annehmen. Da hilft es natürlich, wenn sich die NGO klar präsentieren kann (vor allem auf StiftungSchweiz) und bereits einen kurzen Projektantrag mitsendet. Wir können dann in relativer kurzer Zeit bereits eine erste Rückmeldung geben, ob das Vorhaben passen könnte und ob ein erstes Gespräch zum Kennenlernen vereinbart werden soll.
Und wohin geht die Reise Ihrer Förderorganisation in den nächsten 5–10 Jahren?
Wir werden uns kontinuierlich weiterentwickeln, den Scouting-Prozess weiter verfeinern und noch partizipativer fördern. Ich gehe davon aus, dass dabei auch vermehrt Technologie zum Einsatz kommt, wie etwa künstliche Intelligenz. Wir stehen hier jedoch erst am Anfang und müssen uns vorerst mit den Vor- und Nachteilen auseinandersetzen. Sicher wird sein, dass wir den persönlichen Dialog und die gemeinsame Weiterentwicklung von Ideen / Lösungen zusammen mit unseren Partnern langfristig weiterverfolgen werden. Das heisst, wir möchten weiterhin partnerschaftlich und auf Augenhöhe zusammenarbeiten.
Gemeinsam mit StiftungSchweiz setzt sich SwissFoundations, der Verband der Förderstiftungen in der Schweiz, für eine starke digitale Philanthropie ein. Dazu gehört eine starke digitale Plattform mit präziser und aktueller Information zu Stiftungen und NGO’s. Stiftungen, die ihre Projektpartner zum Erstellen eines kostenlosen Profils einladen möchten, können dazu dieses Infoblatt nutzen.
SwissFoundations hat die Future-Proof Funding Initiative ins Leben gerufen, denn viele Stiftungen stellen sich die Frage, wie sie auch in Zukunft grösstmögliche Wirkung erzielen können. Der Leitgedanken der Initiative ist: Durch Austausch und Einblicke in aktuelle Entwicklungen rund ums Thema Förderung gewinnen wir Orientierung, Wissen und Impulse. Weitere Infos finden Sie hier.