Vom Antrag zum Dialog – Fund­rai­sing im Wandel

Fundraising wandelt sich – weg von der reinen Mittelbeschaffung hin zur aktiven Zusammenarbeit zwischen Förderern und Projektpartnern. Immer häufiger setzen Förderer auf strategische Partnerschaften und gehen aktiv auf NGO’s zu. Doch was bedeutet das für die Projektarbeit und das Fundraising? Lisa Meyerhans (SwissFoundations und Asuera Stiftung) und Patrizia Rezzoli (SwissFoundations und Seedling Foundation) erklären, wie das Matching gelingen kann und warum Dialog und Sichtbarkeit dabei entscheidend sind.

Lisa Meyer­hans, Sie sind Stif­tungs­rä­tin der Asuera und der Alex­an­der Schmid­heiny Stif­tung und Vize­prä­si­den­tin von Swiss­Foun­da­ti­ons – was machen Förder­or­ga­ni­sa­tio­nen heute grund­sätz­lich anders?

Lisa Meyer­hans

Swiss­Foun­da­ti­ons enga­giert sich seit über 20 Jahren für eine wirk­same Phil­an­thro­pie. Aus dem Dialog mit unse­ren Mitglie­dern und meinem eige­nen Enga­ge­ment in Stif­tun­gen weiss ich: Förder­stif­tun­gen haben sich in den letz­ten Jahren profes­sio­na­li­siert und entwi­ckeln sich laufend weiter. Sie warten nicht mehr «im stil­len Kämmer­lein» auf Gesu­che, sondern gestal­ten die Zusam­men­ar­beit mit ihren Part­nern immer akti­ver. Der Austausch mit Projekt­part­nern und ande­ren Förde­rern wird gesucht und gepflegt. Wir verste­hen Wirkung heute als etwas, das durch den gemein­sa­men Effort von NGO’s und Förder­or­ga­ni­sa­tio­nen entsteht, und wollen deshalb auch genau wissen, mit wem wir wie und wofür zusammenarbeiten.

Was verpas­sen NGO’s, die mit einer klas­si­schen Fund­rai­sing-Brille auf einen Förde­rer schauen? 

Erst einmal, die Chance, eine trag­fä­hige Bezie­hung aufzu­bauen, die auch in schwie­ri­ge­ren Zeiten trägt. Die heraus­for­dern­den Situa­tio­nen während der Covid-Lock­downs sind dazu ein gutes Beispiel: Bestand zwischen einer vom Lock­down betrof­fe­nen Orga­ni­sa­tion und einem Förde­rer eine gute Bezie­hung, konn­ten beispiels­weise schnell faire Lösun­gen für abge­sagte oder verscho­bene Veran­stal­tun­gen gefun­den werden. Zudem entwi­ckeln sich gute Projekte oft durch den Dialog weiter. Viele klei­nere Orga­ni­sa­tio­nen verfü­gen über tolle Ideen, es mangelt ihnen aber an der Kapa­zi­tät, die Orga­ni­sa­tion stabil zu halten oder auf neue Anfor­de­run­gen anzu­pas­sen. Hier können Förder­or­ga­ni­sa­tio­nen ihr Know How zur Verfü­gung stel­len. Daraus entsteht eine span­nende Zusam­men­ar­beit. Wenn eine Orga­ni­sa­tion einfach einen schrift­li­chen Antrag plat­ziert, statt den Dialog zu suchen, kann schwer eine echte Zusam­men­ar­beit entstehen.

Auf stiftungschweiz.ch sind auch viele Förder­or­ga­ni­sa­tio­nen verzeich­net, die keine Korre­spon­denz führen und nicht ansprech­bar sind – wie erkennt man einen Förde­rer, der dialo­gisch vorgeht? 

Der auf der Platt­form sicht­bare Hinweis auf eine Mitglied­schaft bei Swiss­Foun­da­ti­ons ist sicher schon ein guter Ausgangs­punkt. Gene­rell kann man nach Förder­or­ga­ni­sa­tio­nen Ausschau halten, die ihr Profil pfle­gen und die Kontakt­an­ga­ben ersicht­lich sind. Oft wird auch unter «Förder­po­li­tik» offen­ge­legt, wie man vorzu­ge­hen hat und auf die Website verwie­sen. Eben­falls gute Signale sind: Trans­pa­renz über thema­ti­sche Schwer­punkte und klare Kommu­ni­ka­tion von Ausschlusskriterien. 

Patri­zia Rezzoli, als Geschäfts­füh­re­rin der Seed­ling Foun­da­tion und Vorstands­mit­glied von Swiss­Foun­da­ti­ons, suchen Sie aktiv nach Projek­ten – wie gehen Sie dabei vor? 

Patri­zia Rezzoli

Wir verfol­gen einen proak­ti­ven Scou­ting-Ansatz, bei dem wir selbst poten­zi­elle Projekt­part­ner iden­ti­fi­zie­ren, anstatt auf Förder­an­träge zu warten. Dies ermög­licht es uns, die Anzahl der Förder­an­träge über­schau­bar zu halten und unser Port­fo­lio aktiv zu gestal­ten. Wir konzen­trie­ren uns auf inno­va­tive Lösun­gen im Bereich des Klima­schut­zes, insbe­son­dere auf Projekte, die das Ernäh­rungs­sys­tem nach­hal­tig verbes­sern und somit direkt zur Bekämp­fung der Klima­krise beitragen.

Sind die von Ihnen unter­stütz­ten NGO’s alle auf StiftungSchweiz vertreten? 

Leider oftmals noch nicht, aber wir werden sie nun aktiv dazu einla­den. Es findet lang­sam ein Umden­ken statt, aber viele NGO’s sind noch etwas unsi­cher, wie sie auf den Radar von scou­ten­den Förder­or­ga­ni­sa­tio­nen gelan­gen. Bevor NGO’s eine Mail schrei­ben, soll­ten sie sich fragen: Sind wir über­haupt auffind­bar und wie können wir einer inter­es­sier­ten Förder­or­ga­ni­sa­tion dabei helfen, rasch zu erfas­sen, was wir machen und wollen? Ein struk­tu­rier­tes Profil auf StiftungSchweiz unter­stützt die Sicht­bar­keit enorm. Es geht hier um kurze, aber präzise Anga­ben auf der digi­ta­len Platt­form zur Vision, Mission, zu den Akti­vi­tä­ten und zu frühe­ren Erfol­gen einer NGO. Diese Infor­ma­tio­nen soll­ten à jour gehal­ten werden und sind dann für Alle sicht­bar und verfüg­bar – der Aufwand lohnt sich also. So können wir NGO’s, die noch nicht in unse­rem Netz­werk sind, einfa­cher finden und kontak­tie­ren, wenn ein Vorha­ben zu unse­rer Förder­stra­te­gie und unse­rem bestehen­den Förder­port­fo­lio passt.

Lisa Meyer­hans, Sie sind als Kommu­ni­ka­ti­ons­exper­tin und Verwal­tungs­rä­tin sehr vernetzt – welchen Rat geben Sie einem Nonpro­fit für den Aufbau eines guten Netzwerks? 

Haus­auf­ga­ben machen, sich wirk­lich gut infor­mie­ren und an die Vorga­ben halten – und dann kurz und fokus­siert sein. Sicher­lich hilft es auch, sich an Anläs­sen wie beispiels­weise dem Zürcher Stif­tungs­fo­rum oder am Swiss­Foun­da­ti­ons Sympo­sium zu vernet­zen. Die vielen Möglich­kei­ten zur Vernet­zung finden sich auch auf der Website von Swiss­Foun­da­ti­ons und StiftungSchweiz. 

Wie stel­len Sie sich das Matching zwischen Nonpro­fit und Funder in 5–10 Jahren vor? 

Die digi­tale Welt schafft neue Chan­cen. Als Platt­form für die gemein­nüt­zige Schweiz schafft StiftungSchweiz gerade auch für kleine gemein­nüt­zige Vereine oder neue Initia­ti­ven eine einfa­che und schnelle Möglich­keit, die eige­nen Projekte einer gros­sen Commu­nity zu präsen­tie­ren und so passende Part­ner zu finden. Das erleich­tert das Matching und schont die Ressour­cen, die ja gerade in Miliz­or­ga­ni­sa­tio­nen der limi­tie­rende Faktor sind. Und paral­lel zu tech­no­lo­gi­schen Entwick­lun­gen rücken die mensch­li­chen Aspekte und der Bezie­hungs­auf­bau wieder verstärkt in den Vorder­grund. Dank der grös­se­ren Reich­weite über die Platt­form können NGO’s mehr Zeit in die mensch­li­che Bezie­hung inves­tie­ren. Anstelle des kost­spie­li­gen Versands von Hunder­ten auf Hoch­glanz polier­ten Anfra­gen kann schnel­ler konkret über ein Projekt gespro­chen werden. Vertrauen ist in einer Förder­be­zie­hung schon heute sehr zentral. Wer Fund­rai­sing ausschliess­lich als Mittel­be­schaf­fung versteht, fällt zurück. 

Patri­zia Rezzoli, wie macht man bei Ihnen einen ersten Punkt? 

Wie eingangs erwähnt, gehen wir selbst auf poten­zi­elle Projekt­part­ner zu, bewirt­schaf­ten aktiv unser Netz­werk und machen natür­lich auch entspre­chen­des Rese­arch. Somit machen wir oft den ersten Schritt. Aber selbst­ver­ständ­lich kontak­tie­ren uns mögli­che Projekt­part­ner auch direkt, obwohl wir offi­zi­ell keine Förder­an­träge unauf­ge­for­dert anneh­men. Da hilft es natür­lich, wenn sich die NGO klar präsen­tie­ren kann (vor allem auf StiftungSchweiz) und bereits einen kurzen Projekt­an­trag mitsen­det. Wir können dann in rela­ti­ver kurzer Zeit bereits eine erste Rück­mel­dung geben, ob das Vorha­ben passen könnte und ob ein erstes Gespräch zum Kennen­ler­nen verein­bart werden soll. 

Und wohin geht die Reise Ihrer Förder­or­ga­ni­sa­tion in den nächs­ten 5–10 Jahren? 

Wir werden uns konti­nu­ier­lich weiter­ent­wi­ckeln, den Scou­ting-Prozess weiter verfei­nern und noch parti­zi­pa­ti­ver fördern. Ich gehe davon aus, dass dabei auch vermehrt Tech­no­lo­gie zum Einsatz kommt, wie etwa künst­li­che Intel­li­genz. Wir stehen hier jedoch erst am Anfang und müssen uns vorerst mit den Vor- und Nach­tei­len ausein­an­der­set­zen. Sicher wird sein, dass wir den persön­li­chen Dialog und die gemein­same Weiter­ent­wick­lung von Ideen / Lösun­gen zusam­men mit unse­ren Part­nern lang­fris­tig weiter­ver­fol­gen werden. Das heisst, wir möch­ten weiter­hin part­ner­schaft­lich und auf Augen­höhe zusammenarbeiten.

Gemein­sam mit StiftungSchweiz setzt sich Swiss­Foun­da­ti­ons, der Verband der Förder­stif­tun­gen in der Schweiz, für eine starke digi­tale Phil­an­thro­pie ein. Dazu gehört eine starke digi­tale Platt­form mit präzi­ser und aktu­el­ler Infor­ma­tion zu Stif­tun­gen und NGO’s. Stif­tun­gen, die ihre Projekt­part­ner zum Erstel­len eines kosten­lo­sen Profils einla­den möch­ten, können dazu dieses Info­blatt nutzen.

Swiss­Foun­da­ti­ons hat die Future-Proof Funding Initia­tive ins Leben geru­fen, denn viele Stif­tun­gen stel­len sich die Frage, wie sie auch in Zukunft grösst­mög­li­che Wirkung erzie­len können. Der Leit­ge­dan­ken der Initia­tive ist: Durch Austausch und Einbli­cke in aktu­elle Entwick­lun­gen rund ums Thema Förde­rung gewin­nen wir Orien­tie­rung, Wissen und Impulse. Weitere Infos finden Sie hier.

StiftungSchweiz engagiert sich für eine Philanthropie, die mit möglichst wenig Aufwand viel bewirkt, für alle sichtbar und erlebbar ist und Freude bereitet.

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