Sie haben für Ihre Trendstudie Schweiz 2022 «Kommunikation in der digitalen Transformation» unterschiedliche Organisationen, Kommunikationsprofis in NPOs, grossen privaten und öffentlichen Unternehmen sowie in Verwaltungen befragt. In welchen der befragten Organisationen/Branchen ist neben der technologischen Transformation, die Kultur oder die Änderung der Haltung zur Digitalisierung am weitesten fortgeschritten?
Unsere Daten beziehen sich auf die Antworten von 133 quantitativ befragten Kommunikationsleiterinnen und ‑leitern (CCOs) sowie auf 12 Interviews mit ausgewählten Expertinnen und Experten. Rund 50 Prozent der befragten CCOs repräsentieren grössere private Unternehmen. Die andere Hälfte verteilt sich auf Verwaltung, NPOs, staatsnahe Betriebe sowie Verbände. In Bezug auf einzelne Organisationstypen kann man wegen den kleinen Fallzahlen nur Tendenzen festhalten.
So scheinen grosse klassische Wirtschaftsunternehmen einen höheren Transformationsgrad aufzuweisen als kleinere Organisationen aus dem Non-Profit-Bereich. Die Daten zeigen, dass rund zwei Drittel aller befragten Organisationen den Transformationsgrad der Kommunikationsabteilung mit einem mittleren Wert beurteilen. Die digitale Transformation ist also in vollem Gange.
Kommunikationsprozesse können durch Automatisierung und Künstliche Intelligenz beschleunigt werden.
Markus Niederhäuser, Co-Autor der Trendstudie
Der Bericht zeigt, dass insbesondere Schnelligkeit an Bedeutung gewinnt. Wie gelingt die richtige Balance zwischen der Schnelligkeit in der Kommunikation und der Präzision bei der Botschaft?
Dies ist in der Tat eine grosse Herausforderung für die Kommunikationsverantwortlichen. Ich möchte hier zwei Entwicklungen nennen, die das Problem zu lösen versuchen. Erstens haben viele Organisationen in den letzten Jahren einen Corporate Newsroom eingerichtet. Dabei wird der Fokus auf eine strategisch abgestimmte Themenagenda mit definierten Kernbotschaften gelegt. Die daraus entwickelten Geschichten können dann über die verschiedenen Kommunikationskanäle an die Zielgruppen ausgespielt werden. Zweitens können die Kommunikationsprozesse durch Automatisierung und Künstliche Intelligenz (KI) beschleunigt werden. Unsere Studie hat gezeigt, dass Automatisierung vor allem in der Analyse bereits breite Anwendung findet. Die neusten Entwicklungen um sogenannte generative KI-Anwendungen wie ChatGPT könnten zu einem Automatisierungs- und Effizienzschub auch in der Text- und Bilderstellung führen. Allerdings gibt es dabei noch viele rechtliche Unsicherheiten. Zudem muss die Qualität und die «Präzision der Botschaft» zwingend von Menschen überprüft werden.
Der Bericht zeigt auch, dass die Kommunikationsspezialist:innen in den Betrieben die Digitalisierung vorantreiben sollten. Was wird für Kommunikationsspezialist:innen künftig wichtiger sein; technologische Handfertigkeiten oder die Kommunikationskompetenzen in allen Disziplinen?
Es steht ausser Frage, dass technologisches Know-how für Kommunikationsverantwortliche enorm an Bedeutung gewinnt. Trotzdem würde ich eine Lanze brechen für die ureigene Aufgabe der Kommunikation: nämlich über gutes Storytelling die Themen der Organisation mit den Lebenswelten der Zielgruppen zu verknüpfen. Unsere Untersuchung hat auch gezeigt, dass die Kommunikationsverantwortlichen im kulturellen Wandel der Organisation eine Schlüsselrolle spielen sollten – im Zusammenspiel mit der HR-Abteilung und der Unternehmensführung. Ohne Zweifel eine Herkulesaufgabe.
Sie haben vor allem CCOs von grossen Unternehmen befragt. Gibt es Erkenntnisse, wie eine kleine gemeinnützige Organisation mit wenig finanziellen und personellen Ressourcen handeln soll?
In unseren Weiterbildungen – bspw. im CAS Digitale Transformation und Kommunikation – sitzen in der Regel Kommunikationsprofis von grossen Unternehmen neben solchen von kleinen und Kleinstorganisationen. Wir kennen also die entsprechenden Herausforderungen gut. Unsere Erfahrung ist, dass viele Teilnehmenden trotz wenig Ressourcen tolle Kommunikationsarbeit machen. Für innovative Ideen braucht es nicht unbedingt die grossen Budgets.
Alle Mitarbeitenden einer Organisation sind ja potenzielle Kommunikatorinnen und Kommunikatoren.
Markus Niederhäuser, Co-Autor der Trendstudie
Um hier noch einen weiteren Weg aufzuzeigen: Alle Mitarbeitenden einer Organisation sind ja potenzielle Kommunikatorinnen und Kommunikatoren. Wenn man diese entsprechend befähigt und auch motiviert, über ihre Social-Media-Kanäle über die Themen der Organisation zu reden, gewinnt man unglaublich an Schubkraft und Reichweite.
Trendstudie
Das Forschungsprojekt «Kommunikation in der digitalen Transformation» des Instituts für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW ist als Trendstudie angelegt und untersucht seit 2018 alle zwei Jahre den Zustand und den Entwicklungsbedarf der Unternehmenskommunikation in der digitalen Transformation. Für die Trendstudie 2022 wurden 133 CCOs befragt sowie 12 Gespräche mit Expert:innen geführt.