The Philanthropist: Was macht die Spendentätigkeit von MacKenzie Scott so aussergewöhnlich?
Peter Buss: Auffallend ist die gewaltige Summe: Die gespendeten sechs Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr übersteigen das Spendenvolumen der grössten US-Stiftungen um ein Vielfaches. Dabei agiert MacKenzie Scott schnell, unbürokratisch und knüpft keine Bedingungen an die Gelder, soweit dies bekannt ist. Das beurteile ich als sehr positiv. Schön, dass so etwas möglich ist.
TP: Dennoch ruft ihr Vorgehen auch kritische Stimmen hervor. Weshalb?
PB: Sie lässt sich gemäss eigenen Aussagen von einem Beraterteam unterstützen. Allerdings sind ihre Aktivitäten wenig transparent. Sie kommunizierte über ihre Spenden lediglich in zwei Blog-Artikel auf dem Kanal medium.com. Eine offizielle Kommunikation oder gar Webseite gibt es nicht. Die Initiative besitzt keine Adresse und unterhält kein Büro. Mit einer solch grossen Spendentätigkeit ist sie jedoch systemrelevant. Und das ruft nach Transparenz. Transparenz ist Teil der modernen Philanthropie und fördert die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen. Und die Mäzenin muss sich auch nicht verstecken. Denn ihre Spendentätigkeit scheint nach dem, was bekannt ist, einen tollen Ansatz zu verfolgen. Sie unterstützt viele kleine Organisationen in unterprivilegierten Gemeinschaften, die sonst kaum Zugang zu Fördergeldern haben.
TP: Wo sehen Sie die Gefahr der fehlenden Transparenz?
PB: Mit ihrer zurückhaltenden Kommunikation verleitet sie zu unnötigen Spekulationen. Man könnte so zum Beispiel leicht annehmen, dass die Vergabe der Gelder völlig unreguliert geschieht und allein ihren persönlichen Präferenzen folgt. Das darf natürlich sein, es suggeriert aber bei dieser grossen Summe fälschlicherweise, dass Philanthropie Ausübung von willkürlicher Macht durch die Wohlhabenden darstelle. Zumindest in der Schweiz gilt dies schon lange nicht mehr. In der Schweiz unterliegt die Tätigkeit von gemeinnützigen, steuerbefreiten Stiftungen staatlicher Aufsicht und damit indirekt auch der gesellschaftlichen Kontrolle. Die US-amerikanische Öffentlichkeit subventioniert die Spendenaktivität immerhin durch «tax breaks». Die Kritik gilt daher weniger MacKenzie Scott als dem System. Wie gesagt: Solch grosse Spenden sind systemrelevant und sollten deshalb einem Mindestmass an Transparenz unterliegen. Die Reaktionen auf meinen Linkedin-Post zu dieser Spende bspw. machen es deutlich. Ich darf knapp 6’000 Linkedin-Follower aus der Welt der Schweizer Philanthropie zählen – innert wenigen Tagen haben fast 4’000 die Meldung angeschaut.
TP: MacKenzie Scott bekennt sich zu The Giving Pledge, einer philanthropischen Initiative von Bill Gates und Warren Buffett. Die Teilnehmenden verpflichten sich, einen Grossteil ihres Reichtums philanthropisch zu spenden. Wie unterscheidet sich das Spendenverständnis in den USA von jenem in der Schweiz?
PB: Vorab: Anders als bspw. die bekannten Stifter Bill und Melinda Gates spendet MacKenzie Scott schneller und unaufgefordert grössere Summen an kleinere Organisationen. Das gibt es in der Schweiz nicht so viel. Und generell lässt sich als Unterschied im Spendenverhalten insbesondere die «Lautstärke» nennen. In den USA stellen sich Wohlhabende mit ihrer Wohltätigkeit in den Fokus der Öffentlichkeit. In der Schweiz geschieht das Spenden eher «leise». Schweizerinnen und Schweizer spenden pro Kopf zwar auch sehr viel, sie tun das allerdings noch eher konventionell. Kollektiv-Initiativen im Ausmass des The Giving Pledge gibt es so nicht.