The Philanthropist: Sie selbst sind in einer speziellen Situation. Sie forschen über Stiftungen und werden von diesen finanziert.
Georg von Schnurbein: Ich sage immer zum Spass, ich bin so unabhängig wie ein Politologe, der vom Staat finanziert wird. In meinen Forschungsentscheiden werde ich nicht beeinflusst. Wir haben dies organisatorisch mit einem Advisory Board gelöst. In diesem sind Wissenschaft und Geldgeber vertreten. Dieses Gremium hat aber keine Entscheidungsbefugnis. Diese liegt bei der Institutsleitung. In dieser sind drei Fakultäten der Universität vertreten. Wir haben also eine ganz klare Trennung.
Ist diese Nähe ein Vor- oder Nachteil?
Ich betrachte die Nähe zum Forschungsgegenstand mehr als Vorteil an. Es ermöglicht uns Forschung, die ansonsten nicht möglich wäre.
Sehen Sie allgemein eine Gefahr, dass Private mit ihren Mittel die Ausrichtung der Forschung bestimmen?
Wichtig ist, dass die Universitäten ihre eigene Strategie verfolgen und Spenden entsprechend verwenden. Sowieso darf man nicht vergessen, den grössten Einfluss auf die Forschung und die Forschungsrichtung hat der Bund. Als er bspw. den Atomausstieg beschloss schuf er auch ein Fonds für die Erforschung erneuerbarer Energien. Dieser war mit rund 60 Millionen Franken dotiert. Das gab einen unheimlichen Schub. Neue Forschungsbereiche wurden geschaffen. Auch die jährlich 800 Millionen Franken des Schweizerischen Nationalfonds übersteigen die privaten Spenden für Forschung bei weitem.
Ist es ein Vorteil, dass in der Schweiz die «Grundfinanzierung» durch den Staat gesichert ist?
Es ist richtig und wichtig, dass der Staat für die Grundfinanzierung aufkommt. Aber man muss sich eingestehen: Wenn wir Topforschung wollen, braucht es private Zusatzmittel.
Mit dem Scheitern des Rahmenabkommens ist auch die Forschungszusammenarbeit mit der EU in Gefahr. Können Stiftungen hier einspringen?
Uns Forschenden bereitet die Situation grosse Sorgen. Wir haben ja schon einmal einen Zeitraum erlebt, in welchem der Zugang zu Horizon 2020 verschlossen war. Die Schäden alleine durch diesen kurzen Unterbruch waren gewaltig. Man muss klar sagen. Die Förderung durch Private und Stiftungen hilft, aber sie kann niemals die Summe aufwiegen, welche die Universitäten mit europäischen Fördergeldern generieren. Bleibt in Zukunft der Zugang zum europäischen Förderprogramm verwehrt, wird es keinen Ersatz geben.
Wichtig ist, dass die Universitäten ihre eigene Strategie verfolgen und Spenden entsprechend verwenden.
Georg von Schnurbein
Geht es nur ums Geld oder auch um den Zugang zu gemeinsamen Forschungsprojekten?
Es geht natürlich ums Geld. Und es geht um die Reputation. Eine Horizon-Unterstützung zu erhalten ist ein Ritterschlag. Und dann geht es auch um den internationalen Wettbewerb. Für die europäischen Projekte wurden unheimliche Netzwerke aufgebaut. Ich muss sagen, die Schweiz ist keine aktuell sehr attraktive Partnerin für diese EU Anträge mehr. Bei Anträgen für die EU-Fördergelder ist es wichtiger, dass Forschende aus Ungarn, Polen, Rumänien oder Spanien dabei sind. Wir verlieren also nicht nur den Zugang zu Fördergeldern und Reputation. Es bedeutet auch den Verlust der Vernetzung. Und Wissenschaft lebt von der Vernetzung.
Mehr zum Thema gibt es ab dem 3. September: The Philanthropist, «Wissenswert – was Stiftungen in der Forschung ermöglichen». Lesen Sie bereits jetzt den Beitrag «Wissen stiften».