Das Forschungsinstitut Sotomo hat im Auftrag des Vereins Geschlechtergerechter über 3500 Personen aus der Schweiz zum Thema Toleranz befragt. Die vor Kurzem veröffentlichte Studie «Toleranz & Meinungsfreiheit» zeigt: Für eine grosse Mehrheit der Befragten (91 Prozent) ist Toleranz ein wichtiger Wert. Allerdings verstehen unter dem Begriff nicht alle das Gleiche. Frauen und Linke definieren Toleranz eher als Akzeptanz gegenüber Minderheiten, anderen Religionen oder sexuellen Orientierungen. Rechte und Männer interpretieren sie hingegen eher als Meinungsfreiheit und Offenheit für Andersdenkende.
Junge Frauen am stärksten von Intoleranz betroffen
Das Bekenntnis zu Toleranz und vor allem zur Bekämpfung von Intoleranz sei für Personen im linken Spektrum tendenziell wichtiger als für solche, die am rechten Rand des politischen Spektrums stehen, heisst es in der Studie. Ein deutlicher Geschlechtergraben zeige sich dabei bei Erwachsenen unter 36 Jahren: Während über die Hälfte der jungen Frauen die Bekämpfung von Intoleranz als sehr wichtig bezeichnen, gilt das nur für 26 Prozent der jungen Männer. Gemäss der Studie sei das wohl dadurch zu erklären, dass junge Frauen selbst besonders häufig Intoleranz erfahren und dafür stärker sensibilisiert seien. Die Bereitschaft, sich mit politisch Andersdenkenden auszutauschen, ist bei jungen Frauen am geringsten. Was andere Lebensentwürfe angeht, zeigen sie sich hingegen toleranter als Männer.
Gefahr durch soziale Medien
Das Spannungsfeld zwischen Toleranz und Meinungsfreiheit zeigt sich gemäss der Studie besonders ausgeprägt in den sozialen Medien. Sie seien der einzige Bereich, in dem eine Mehrheit der Befragten in den letzten Jahren eine Zunahme der Meinungsfreiheit festgestellt habe. «Zugleich erleben ausgerechnet hier besonders viele Intoleranz. Anfeindungen in den sozialen Medien sehen die Schweizerinnen und Schweizer als grösste Gefahr für die offene Gesellschaft.» Eine klare Mehrheit der Befragten ist der Ansicht, dass Rassismus, Antisemitismus oder Sexismus inakzeptabel sind und nicht durch Meinungsfreiheit gedeckt sind. Gleichzeitig findet auch eine Mehrheit, dass es in der Schweiz mehr Toleranz für andere politische Ansichten brauche und dass es auch Meinungen auszuhalten gilt, die einem widerstreben.