Tech­no­lo­gie als Motor für Medienvielfalt

Die Digitalisierung schafft neue Medienmodelle und verändert Arbeitsweisen – eine Herausforderung für Glaubwürdigkeit und Relevanz.

Heute publi­zie­ren bereits zehn Medien ihre Inhalte online auf der Infra­struk­tur von We.Publish. Vertre­ten sind Regio­nal­me­dien wie Bajour, Hauptstadt.be oder Tsüri, Spezi­al­me­dien wie das Velo­ma­ga­zin Grup­petto oder die Kultur­pu­bli­ka­tion Berner Kultur­agenda BKa. Darüber hinaus kümmert sich We.Publish um die Vernet­zung unter­ein­an­der und orga­ni­siert den Austausch zu allen Fragen, die das Grün­den von Medien mit sich bringt. 

«Als Basis haben wir ein Content-Manage­ment-System, das alle Medien nutzen. Aber We.Publish ist viel mehr als bloss die Tech­nik­ab­tei­lung», sagt Hansi Voigt, Co-Geschäfts­füh­rer von We.Publish. Co-Geschäfts­füh­re­rin Nina Graf ergänzt: «Wir betrei­ben gemein­sam Inno­va­tion. Sei es tech­nisch, orga­ni­sa­to­risch oder unter­neh­me­risch. Wir verste­hen uns nicht als CMS, sondern eher als Brut­kas­ten mit ange­schlos­se­ner Selbsthilfegruppe.» 

Denn obschon We.Publish die tech­ni­sche Infra­struk­tur für Online-Medien bereit­stellt, bieten sie weit mehr. 

Wach­sen­des Ökosystem

Die Stif­tung We.Publish setzt sich für die Medi­en­viel­falt in der Schweiz ein. Auf der Basis der tech­ni­schen Infra­struk­tur ist inzwi­schen ein klei­nes, schnell wach­sen­des Ökosys­tem entstanden. 

Die Medien, die We.Publish nutzen, vereint das Enga­ge­ment für den unab­hän­gi­gen Jour­na­lis­mus. Der Austausch, das gemein­same Lernen und das Weiter­ent­wi­ckeln der Tech­no­lo­gie sehen sie als Stärke, die diesem Ziel dien­lich ist. «Alles, was wir produ­zie­ren, aber auch alles Wissen, das inner­halb vom We.Publish-Ökosystem erar­bei­tet wird, steht allen Teilnehmer:innen zur Verfü­gung», sagt Graf. 

«Das unter­schei­det uns stark von norma­len tech­ni­schen Agen­tu­ren. Die Syner­gien kommen den teil­neh­men­den Medien zugute.» Hat We.Publish beispiels­weise eine Lösung für die Mitglie­der­ver­wal­tung entwi­ckelt, steht diese anschlies­send allen Medien auf We.Publish zur Verfü­gung. Braucht es über­ge­ord­nete Lösun­gen für alle, inves­tiert die Stif­tung, sofern sie über die Mittel verfügt. Sie entwi­ckelt eine TWINT-Anbin­dung oder eine Paywall. Sonder­wün­sche können die einzel­nen Medien auf eigene Kosten bei We.Publish zu mode­ra­ten Ansät­zen reali­sie­ren. Wollen mehrere dasselbe Feature, teilen sie die Kosten unter­ein­an­der auf.

Direk­ter Draht zum Markt

Vom Vorteil des Ökosys­tems profi­tiert auch We.Publish. Die einzel­nen Medien stehen in enger Verbin­dung mit dem Markt, liefern laufende Reali­täts­checks und sind ein perma­nen­tes Opti­mie­rungs­pro­gramm. Sie geben Input an We.Publish. «Bis jetzt hat noch niemand die endgül­tige Lösung gefun­den, wie man im Digi­ta­len nach­hal­tig den Jour­na­lis­mus finan­zie­ren kann. Aber die Medien bei We.Publish probie­ren aus, schei­tern wenn schon schnell und billig und teilen die Erfah­run­gen mitein­an­der. Sie kommen so viel schnel­ler vorwärts, als wenn sie sich dem alleine stel­len», sagt Graf. «Wir betrei­ben zusam­men Inno­va­tion, das geschieht im Austausch und die Tech­nik ist der Weg, wie wir es schaf­fen.» Die Trans­pa­renz zwischen den Titeln ist gross. Nicht nur tech­ni­sche Fines­sen werden geteilt. Auch Lear­nings zu Marke­ting oder andere Erfah­run­gen werden ausge­tauscht. «Die Konkur­renz liegt nicht bei ande­ren jour­na­lis­ti­schen Porta­len, selbst wenn neue Titel im selben Markt agie­ren», sagt Nina Graf, die neben ihrer Rolle bei We.Publish für Tsüri schreibt. Jedes Medium entschei­det selber, welche Infor­ma­tio­nen es teilt. Es ist auch geplant, eine:n Vertreter:in der Medien als Beisitzer:in in den We.Publish-Stiftungsrat zu entsen­den, damit auch dort ein direk­ter Austausch und ein Gefühl fürein­an­der entsteht.

Über­holte Einteilung

Die Digi­ta­li­sie­rung bietet gerade neuen Medien einen erleich­ter­ten Einstieg. Doch stehen sie dort nicht isoliert in der Medi­en­land­schaft. Auch die tradi­tio­nel­len Medien drän­gen in den Online-Markt. Die Präsi­den­tin der Eidge­nös­si­schen Medi­en­kom­mis­sion EMEK, Anna Jobin, spricht von einer Hybri­di­sie­rung der Medi­en­ka­näle. «Zeitun­gen machen Podcasts, Radios haben Websei­ten usw.» 

Sie stellt fest, dass es viele gute digi­tale Infor­ma­ti­ons­an­ge­bote gibt, aller­dings noch Luft nach oben besteht. Und auch wenn in der digi­ta­len Welt die Medi­en­ti­tel neben­ein­an­der stehen, haftet ihnen ihr Ursprung an. Noch wird unter­schie­den zwischen einer Zeitung, die einen Online-Auftritt hat, und dem Inter­net­an­ge­bot eines Radios oder Fern­seh­sen­ders. «Die aktu­elle Medi­en­po­li­tik unter­schei­det aus histo­ri­schen Grün­den zwischen einzel­nen Kanä­len, was ange­sichts der fort­schrei­ten­den Medi­en­kon­ver­genz über­dacht werden sollte», sagt sie. Denn aus demo­kra­tie­po­li­ti­scher Sicht sei dies irrele­vant. «Egal ob digi­tal oder nicht, es ist grund­sätz­lich wünschens­wert, dass Jour­na­lis­mus dort präsent sein kann, wo die Bevöl­ke­rung Infor­ma­tio­nen konsumiert.»

«Medi­en­in­halte konkur­rie­ren mit vielen ande­ren Infor­ma­ti­ons­ka­nä­len um die Aufmerk­sam­keit des Publikums.»

Anna Jobin

Ein neuer Weg

Mit dem Projekt Pola­ris arbei­tet Hannes Gras­seg­ger an der Neuerfin­dung des Lokal­jour­na­lis­mus. Sein Ziel: 150 Lokal­me­dien star­ten, um Hundert­tau­sen­den von Menschen in der Schweiz, aber auch in Deutsch­land und Öster­reich (DACH-Raum) vertrau­ens­wür­dige News aus der eige­nen Umge­bung zu liefern. Gleich dutzend­weise will Gras­seg­ger lokale Mikro­me­dien eröff­nen. Dabei setzt er auf Tech­no­lo­gie – und Partizipation.

Zum Initia­tor wurde er durch seine Förde­rer. Als inves­ti­ga­ti­ver Repor­ter recher­chierte Gras­seg­ger zum Einfluss von Inter­net und Social Media auf die Gesell­schaft. 2016 deckte er die Wahl­be­ein­flus­sung auf Social Media durch Cambridge Analy­tica auf. Was er in seinen Recher­chen sah, berei­tete ihm Sorgen: die zuneh­mende Pola­ri­sie­rung und Zerset­zung des gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halts durch Desin­for­ma­tion. 2019 schlug er in einem Essay vor, die neuen Tech­no­lo­gien zu nutzen, um der Desin­for­ma­tion zuvor­zu­kom­men. Die Vision: verläss­li­che Infor­ma­tio­nen einfa­cher zugäng­lich zu machen als Desin­for­ma­tion. Dazu entstand Ende 2020 ein Austausch mit der Stif­tung Merca­tor Schweiz und dem Migros-Pionierfonds.Mit der Pande­mie war das Bewusst­sein gewach­sen, dass Desin­for­ma­tion auch in der Schweiz wirkt. So ermög­lich­ten sie ihm 2021 die Entwick­lung eines Konzep­tes: Mit der Idee eines sozia­len Netz­werks für News stiess Gras­seg­ger 2022 bei der Stadt Zug auf Inter­esse. Die Heraus­for­de­rung der Stadt beschreibt Gras­seg­ger folgern­der­mas­sen: «Die Expats und die Einhei­mi­schen spre­chen kaum mitein­an­der. Man wollte das Zusam­men­le­ben fördern.» Merca­tor Schweiz und der Migros-Pionier­fonds beschlos­sen, gemein­sam ein Projekt zu fördern, und spra­chen 1,5 Millio­nen Fran­ken. Gras­seg­ger verliess seinen Posten beim Maga­zin – und star­tete Mitte 2023 mit einem bald fünf­köp­fi­gen Team die Soft­ware-Entwick­lung. Pola­ris arbei­tet mit Kleinst­me­dien und Commu­ni­tys in Zug, Genf, Waadt und St. Gallen.

Stadt-Land-Gefälle

«Die Land­be­völ­ke­rung wird von den Medien krass vernach­läs­sigt», sagt Gras­seg­ger. «Das merken die Städ­ter gar nicht. Sie schwim­men im Über­an­ge­bot.» Bald sei ein Drit­tel aller 15’000 Gemein­den im DACH-Raum jour­na­lis­tisch unter­ver­sorgt. Diese News­lü­cken seien klaf­fende Wunden der Infor­ma­ti­ons­ge­sell­schaft: «In News­lü­cken rich­ten sich Radi­kale ein, zirku­lie­ren Verschwö­rungs­theo­rien, hier zerbricht der gesell­schaft­li­che Zusam­men­halt, weil die lokale Bevöl­ke­rung immer weni­ger über­ein­an­der weiss. Das ist der Miss­ing Link bei der unge­lös­ten Frage, warum das poli­ti­sche System in den letz­ten Jahren so unkal­ku­lier­bar gewor­den ist.» Immer grös­sere Bevöl­ke­rungs­teile seien infor­ma­tio­nell ausge­schlos­sen. Es sei para­dox. Gras­seg­ger sagt: «Wir haben die besten Infor­ma­ti­ons­tech­no­lo­gien aller Zeiten – und wissen immer weni­ger, was um uns herum eigent­lich passiert. Wir kennen jeden Huster von Trump – aber haben keine Ahnung, was die Gemein­de­prä­si­den­tin macht.» Die Medien igno­rier­ten aus wirt­schaft­li­chen Grün­den zuneh­mend das oberste jour­na­lis­ti­sche Gebot: je näher ein Ereig­nis, desto rele­van­ter. Dafür konzi­pierte das Projekt Pola­ris eine eigene Form des hyper­lo­ka­len Jour­na­lis­mus, den «Nach­bar­schafts­jour­na­lis­mus». «Wir woll­ten ein Portal für News aus der Nach­bar­schaft aufbauen, gemein­sam mit den Nachbar:innen selbst», sagt Gras­seg­ger. «Pola­ris hat Jour­na­lis­mus neu gedacht – von den Menschen aus. Was für lokale News brau­che ich? Wann und in welcher Form?»

Frage der Glaubwürdigkeit

Unab­hän­gig vom Kanal und der Arbeits­weise bleibt für die jour­na­lis­ti­sche Bericht­erstat­tung die Frage der Glaub­wür­dig­keit zentral. «Glaub­wür­dig­keit von Jour­na­lis­mus ist eigent­lich keine tech­no­lo­gi­sche Frage, sondern hängt mit vielen verschie­de­nen Fakto­ren zusam­men», sagt Anna Jobin. «Medi­en­in­halte konkur­rie­ren mit vielen ande­ren Infor­ma­ti­ons­ka­nä­len um die Aufmerk­sam­keit des Publi­kums. In diesem Umfeld geht es nicht nur um Glaub­wür­dig­keit, sondern auch um Rele­vanz und die Fähig­keit, sich in einer frag­men­tier­ten Medi­en­land­schaft zu behaup­ten.» Die Digi­ta­li­sie­rung hat nicht nur das Geschäfts­mo­dell des Jour­na­lis­mus verän­dert. Mit den neuen Möglich­kei­ten und der Viel­zahl der Infor­ma­tio­nen, die über verschie­dene Kanäle mitein­an­der konkur­ren­zie­ren, muss sich die jour­na­lis­ti­sche Arbeit selbst weiter­ent­wi­ckeln. Eine einschnei­dende Verän­de­rung brach­ten die Anwen­dun­gen von Künst­li­cher Intel­li­genz (KI). Die neuen Möglich­kei­ten bedeu­ten für den Jour­na­lis­mus sowohl eine gradu­elle tech­no­lo­gi­sche Weiter­ent­wick­lung wie auch eine disrup­tive Verän­de­rung. Jobin sagt: «Die kurz­fris­ti­gen Auswir­kun­gen von KI werden eher über­schätzt, denn KI ist nicht das Allheil­mit­tel, für das es manch­mal gehypt wird.» Zudem gibt sie zu beden­ken, dass unter KI eine Viel­zahl unter­schied­lichs­ter Anwen­dun­gen verstan­den wird. Dage­gen ändern sich auf kurze Sicht weder die Aufga­ben noch die Ziele von Jour­na­lis­mus durch neue tech­no­lo­gi­sche Mittel. Gleich­zei­tig stellt sie fest, dass die KI-Tools auf vielen Ebenen der Infor­ma­ti­ons­auf­be­rei­tung und ‑verbrei­tung von immer mehr Menschen und Orga­ni­sa­tio­nen genutzt werden. Das gesamte Infor­ma­ti­ons­öko­sys­tem, das bereits mit dem Aufkom­men des Inter­nets und der Digi­ta­li­sie­rung einen gros­sen Para­dig­men­wech­sel erlebt hat, werde jetzt noch zusätz­lich dyna­mi­siert. Daher sieht Jobin wich­tige länger­fris­tige Auswir­kun­gen, die tief­grei­fen­der sein können. «Diese beein­flus­sen auch die Rolle des Jour­na­lis­mus in der Gesell­schaft und dürfen nicht unter­schätzt werden.» Als weit­rei­chend erach­tet sie etwa die Auswir­kun­gen von gene­ra­ti­ver KI oder wenn KI in auto­ma­ti­sier­ten Empfeh­lungs- und Perso­na­li­sie­rungs­sys­te­men einge­setzt wird. Dabei fokus­siert sie weni­ger auf den indi­vi­du­el­len Infor­ma­ti­ons­kon­sum. Viel­mehr sieht sie die Auswir­kun­gen als bedeu­tend, die der Einsatz solcher Systeme auf die Wahr­neh­mung und Reich­weite von Infor­ma­tio­nen hat. Jobin sagt: «Weil sich Auswir­kun­gen dieser Art nicht unbe­dingt indi­vi­du­ell, sondern vor allem im Aggre­gat, also auf der syste­mi­schen Ebene, bemerk­bar machen, braucht es einen ganz­heit­li­chen Ansatz.»

Vertrauen aufbauen

Das Team von Pola­ris entwi­ckelte, testete und verwarf Konzepte, begann mit KI zu arbei­ten. Digi­tal ist mess­bar, was die Menschen nutzen und sie inter­es­siert. Das Produkt ist radi­kal entschlackt: Ein wöchent­li­cher News­let­ter, direkt zuge­stellt in die Tasche, via E‑Mail oder Whats­App. Darin je rund zehn ultra­lo­kale Meldun­gen, teils aus Einsen­dun­gen und Leser­brie­fen. Dazu gibt es noch eine lokale Agenda. Die Inhalte kommen aus der Bevöl­ke­rung – unter­stützt von der KI. Die KI hilft Beitra­gen­den via Chat­bot beim Verfas­sen von Berich­ten, die Kern-Regeln des Jour­na­lis­mus einzu­hal­ten – und sammelt Updates von den Websites loka­ler Vereine, Behör­den oder Geschäfte. Geprüft werden alle Inhalte von einer loka­len Person als «Commu­nity Editor». Hannes Gras­seg­ger sagt: «Das Ziel von Pola­ris ist, die Verbun­den­heit mit der eige­nen Umge­bung und der Nach­bar­schaft zu stär­ken sowie durch die Befä­hi­gung zur Erstel­lung eige­ner News-Inhalte in jour­na­lis­ti­scher Quali­tät die Medi­en­kom­pe­tenz der Nutzer:innen zu fördern. So sollen gesell­schaft­li­ches Vertrauen und Vertrauen in die Inhalte aufge­baut werden.» Auch das Geschäfts­mo­dell steht: Pola­ris betreibt die Medien wie einen Verlag. Jeder Titel finan­ziere sich lokal über Mitglied­schaf­ten und Inse­rate aus dem loka­len Gewerbe. Dieses profi­tiere von der neuen Möglich­keit, ultra­lo­kal digi­tal zu werben. «Diese Markt­lü­cke haben wir entdeckt im Austausch vor Ort. Anfangs muss­ten wir uns die Augen reiben. Wir dach­ten, Face­book und Co. hätten das Problem schon lang gelöst.» Viel Einnah­men braucht es nicht. Durch die Tech­no­lo­gie konnte Pola­ris den Aufwand für den Betrieb eines Lokal­me­di­ums auf ein Zehn-Prozent-Pensum senken. Gras­seg­ger ist stolz auf die Einfach­heit des Produkts: «Unser Vorbild ist das Bauhaus», sagt er. «Wir wollen den Menschen vor Ort jour­na­lis­tisch endlich wieder ein Zuhause geben. Und dafür über­le­gen wir auf allen Ebenen: Was ist die Essenz?» Nur so sei das Ziel erreich­bar, in gros­ser Zahl neue Lokal­me­dien nach­hal­tig zu star­ten und zu betrei­ben. Bereits betreibt Pola­ris News zwei Medien in drei Spra­chen. In den nächs­ten Wochen sollen weitere Test-Regio­nen akti­viert werden. Zwei Millio­nen Fran­ken Anschub­för­de­rung hatte Gras­seg­ger gesam­melt. Pola­ris ist damit eines der gros­sen Förder­pro­jekte im Jour­na­lis­mus. Für den nächs­ten Schritt der Skalie­rung auf 150 Regio­nen sucht er nun weite­res Geld. Er sieht sich auf Kurs: «Wir liegen insge­samt unter den von mir 2020 ursprüng­lich veran­schlag­ten fünf Millio­nen Fran­ken. Wir haben ein Geschäfts­mo­dell, das lang­fris­tig ohne Förde­rung oder Subven­tio­nen auskommt.
Wir bieten eine Lösung für ein Riesen­pro­blem – für eine Summe, für die sich andere eine Wohnung kaufen.»

Quali­täts­la­bel

Wie ein Medi­en­ti­tel finan­ziert wird, ist für seine jour­na­lis­ti­sche Arbeit rele­vant. Um bei We.Publish mitzu­ma­chen, muss die Redak­tion nach den jour­na­lis­ti­schen Rech­ten und Pflich­ten gemäss Pres­se­rat arbei­ten. «Dazu gehört beispiels­weise, dass Journalist:innen wissen, wie sich ihr Medium finan­ziert», sagt Graf. Die teil­neh­men­den Medien sind wirt­schaft­lich und redak­tio­nell völlig selb­stän­dig. Die poli­ti­sche Ausrich­tung ist unwich­tig. Die Frage stellt sich, ob We.Publish einst als Quali­täts­la­bel für unab­hän­gige jour­na­lis­ti­sche Bericht­erstat­tung funk­tio­nie­ren wird. Die Voraus­set­zun­gen für ein solches Label sind eigent­lich gege­ben. Mit der im Jour­na­lis­mus immer stär­ker einzie­hen­den KI werden garan­tierte und trans­por­tierte Glaub­wür­dig­keit, Sorg­falt und Authen­ti­zi­tät match­ent­schei­dend. Der Umgang mit KI wird den Jour­na­lis­mus weiter heraus­for­dern. Die Infor­ma­ti­ons­flut nimmt weiter zu. Hansi Voigt sieht darin aber auch Chan­cen. Gerade im Loka­len. «Irgend­wann kommt bei jeder Infor­ma­tion die Frage: Wer hat das geprüft?», sagt Voigt. «Ich will den Autor oder die Autorin kennen und muss Vertrauen entwi­ckeln können.» Deswe­gen sieht er auch, dass heute die Autor:innen mehr Gewicht erhal­ten. «Niemand würde heute einen Beitrag nur mit einem Kürzel zeich­nen. Der ganze Name steht für eine Person, die ich allen­falls sogar tref­fen kann», sagt Voigt. Die Glaub­wür­dig­keits­de­batte sieht er gerade durch KI extrem befeu­ert und sie wird – nach einer disrup­ti­ven Phase – für den sorg­fäl­ti­gen Jour­na­lis­mus arbei­ten, und nicht dagegen.

Rote Linien

Die tech­no­lo­gi­sche Entwick­lung wird die Bran­che weiter fordern. Die Medien werden dafür arbei­ten müssen, ihre Rele­vanz und Glaub­wür­dig­keit zu erhal­ten, unab­hän­gig davon, ob sie im Mikro­jour­na­lis­mus oder natio­nal tätig sind. Anna Jobin erach­tet hier­für Bran­chen­stan­dards und ‑lösun­gen sowie rote Linien, die dem Publi­kum bekannt sein müssen, als wich­tig für die Glaub­wür­dig­keit. «Viele Tenden­zen, die seit der Digi­ta­li­sie­rung bekannt sind, werden sich noch verstär­ken. Beispiels­weise nimmt der Einfluss von gros­sen Tech­no­lo­gie­an­bie­tern und Platt­for­men wohl zu, ohne dass diese dabei die gesell­schaft­li­chen Ziele von Jour­na­lis­mus zu berück­sich­ti­gen haben», sagt Jobin. «Zudem machen es neue KI-Tools einfa­cher für alle, Inhalte zu produ­zie­ren und zu verbrei­ten. Jour­na­lis­mus ist immer mehr eine Stimme unter vielen, was ihn vor die Heraus­for­de­rung stellt, seine Wich­tig­keit und seinen Mehr­wert in diesem verän­der­ten Infor­ma­ti­ons­um­feld neu zu bewei­sen und zu bekräftigen.» 

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