The Philanthropist: SwissFoundations feiert im laufenden Jahr das 20jährige Jubiläum. Was waren die Höhepunkte?
Lukas von Orelli: Auch wenn es ein undankbares Jahr für ein Jubiläum war, ein Highlight war unser Symposium. Die rund 400 Teilnehmenden sind bis zum Schluss geblieben. Für eine Online-Veranstaltung ist das toll. Es zeigt, auf welch hohem Standard die Veranstaltung stattfinden konnte. Ein Meilenstein war auch die weiterentwickelte Jubiläumsfassung des SwissFoundations Codes. Er enthält den neuen Grundsatz, die gesellschaftliche Weiterentwicklung in jene der Stiftungswelt einzubinden. Dass wir das Forum des Fondations in Lausanne durchführen konnten, war erfreulich. Zudem haben wir zusammen mit educa Suisse einen Foundation for future Bildungsfonds lanciert für von der Krise betroffene Studierende. Besonders freut mich, dass wir eine Rekordzahl an Neueintritten verzeichneten.
TP: Wie viele sind das?
LvO: Im 2021 hatten wir mehr als 20 Eintritte. Wir zählen jetzt über 200 Mitglieder. Wir können damit sagen, dass wir einen Drittel der jährlichen Ausschüttungen in der Schweiz repräsentieren. Mit den neuen Mitgliedern hat diese Aussage noch mehr Substanz.
TP: Wie hat sich die Arbeit des Verbandes in den vergangenen 20 Jahren verändert?
LvO: Das waren ein paar Schritte mit Siebenmeilenstiefeln. Angefangen haben wir mit elf Mitgliedern. Als die Velux Stiftung beitrat, waren es rund 30. Zu Beginn haben sich alle gekannt. Wir waren eine Art «Familie». Mit dem Wachstum brauchte es andere Gefässe, eine andere Führung und Dienstleistungen. Zu Beginn haben wir einfach Themen behandelt, die auf dem Tisch lagen.
TP: Welche waren das?
LvO: Schon damals wollten wir Transparenz, Good Governance und Wirkungsorientierung in den Sektor bringen. Diese Themen sind auch heute aktuell. In den 20 Jahren hat sich aber das Umfeld stark verändert. Vor zehn Jahren waren Finanzen noch ein Nebenthema. Impact Investing und Venture Philanthropy haben sich unterdessen zu zentralen Themen entwickelt – das ganze Thema Nachhaltigkeit sowieso.
TP: Was macht die Politik?
LvO: Auf politischer Ebene ist es intensiver geworden. Im Quartals-Takt kommen neue Vorlagen, neue Regulierungen und Vorschriften. Vor 20 Jahren war es deutlich ruhiger. 2006 wurde das Stiftungsrecht revidiert, danach blieb es wieder ruhig.
TP: Stiftungen werden heute etwas kritischer betrachtet …
LvO: … dies ist vor allem wegen Unkenntnis. Für viele Parlamentsmitglieder ist der Stiftungssektor sehr weit weg. Mit dem Einsatz für Stiftungen gewinnt man keine Wählerstimmen.
TP: Braucht es die Politik?
LvO: Für uns ist es sehr wichtig, den Volksvertreterinnen und ‑Vertretern die Bedeutung, die Leistung zu vermitteln. Wir wollen ihnen den Mehrwert näherbringen, den der Sektor für die Gesellschaft bedeutet. Wir wollen aufzeigen, wie Stiftungen viele Staatsaufgaben unterstützen, vorantreiben und gute Partnerschaften ermöglichen. Es wäre ein Verlust, würde dies wegfallen. Es würden auch die Gefässe fehlen und Entfaltungsmöglichkeiten.
TP: Das heisst?
LvO: Es entspricht der Schweizer Mentalität, grosszügig zu sein. Wir sind uns unseres Wohlstands bewusst. Und wir geben gerne davon ab. Ohne die passenden Gefässe würden diese Gelder nicht mehr für die Gesellschaft eingesetzt. Dazu brauchen wir aber gute Rahmenbedingungen. Diese kommen zunehmend unter Druck, auch aus dem Ausland. Umso mehr müssen wir aus dem stillen Kämmerlein treten. Wir können es uns nicht mehr leisten zu denken, dass es niemanden etwas angeht, was wir machen. Und wir müssen den Tatbeweis erbringen, sonst vergisst man uns.
TP: Stiftungen wie SKKG oder Clima Now setzen verstärkt auf Partizipation. Sie wollen die Zivilgesellschaft beteiligen.
LvO: Das ist so. Das zeigt die grosse Pluralität, die riesige Spannweite der Förderprogramme. Genau das macht unser Land aus, dass dies möglich ist. Partizipative Ansätze finde ich toll. Genauso begrüsse ich es, wenn eine Stifterin allein entscheidet, was sie fördern will. Hauptsache, sie macht etwas. Natürlich ist Transparenz wichtig. Das Schöne ist aber, wir haben die Freiheit, dass alle eine Stiftung nach eigenem Gutdünken gründen und führen können und das unabhängig davon, ob jemand viel Geld hat oder ob er nach der Stiftungsgründung die Mittel erst einwerben muss. Wir haben diese Möglichkeit und wir können damit gesellschaftliche Themen angehen. Das ist eine Privileg unserer Gesellschaft.
TP: Sie sehen diese Breite positiv?
LvO: Ich bin weit davon entfernt zu sagen, nur ein Modell ist gut. Es sollen ganz viele Formen erlaubt und gelebt werden. Dadurch entsteht Wettbewerb. Es zeigt sich, wer wirklich reüssiert und etwas bewegt.
TP: SwissFoundations hatte zwei Führungswechsel in den vergangenen Jahren. Welches sind die Herausforderungen dieser Stelle.
LvO: In der Branche besteht zurzeit eine riesige Dynamik. Das alleine ist eine sehr grosse Herausforderung. Es stehen viele Ansprüche im Raum. Der Sektor wird zunehmend sichtbar. Das bringt neue Stakeholder. Nicht nur der Staat sondern auch die Medien und die Finanzwelt interessieren sich verstärkt für den Sektor. Der Schweiz wird langsam bewusst, dass es einen Philanthropiesektor gibt.
TP: Das fordert den Verband.
LvO: Es gibt viele Akteur*innen mit unterschiedlichsten Ansprüchen, die sich bemerkbar machen und etwas bewegen wollen. Unsere Förderpartner verändern sich. Sie werden professioneller. Sie setzen auf partizipative Arbeitsmodelle. Sie haben sehr gute Ideen. Dies alles zu erfassen, mitzugestalten, SwissFoundations zu positionieren, unterlegt mit einem unternehmerischen Bewusstsein, das ist sehr anspruchsvoll. Insbesondere, wenn man von aussen dazukommt.
TP: Wie ist die Situation heute?
LvO: Der Vorstand hat sehr viel gelernt. Wir sind an einem ganz anderen Punkt als vor zwei Jahren, als Beate Eckhardt gesagt hat, dass sie den Verband verlassen werde. Wir wissen heute viel klarer, wo wir stehen und was wir wollen. Genau diese Schärfung war notwendig. Und das bestehende Team, der Vorstand und die einzelnen Mitglieder tragen in der aktuellen Situation gemeinsam mit.
TP: Wie geht es weiter?
LvO: Es ist relativ einfach. Wir stärken das vorhandene Team. Wir fördern dieses und bauen es auf. Der Vorstand ist in der Verantwortung, dass dieser Aufbau homogen und zielgerichtet erfolgt. Wir wollen relativ bald sagen können, wie die künftige Organisation aussieht.
TP: Was bedeutet dies für Aussenstehende?
LvO: Mitglieder und Aussenstehende sollten nicht viel zu spüren bekommen. Alle Angebote ziehen wir in der gewohnten Dienstleistungsqualität weiter. Publikationen erscheinen wie gewohnt. Das Symposium ist für 2022 geplant.
TP: Immer noch in Basel?
LvO: Voraussichtlich. Auch andere Dinge konnten wir wegen der Pandemie nicht oder nicht in gewohnter Art durchführen wie das Stiftungsgespräch in Zürich. Auch unser Anlass für die Präsident*innen in Bern fällt schon zum zweiten mal aus. Es sind Formate, die man online nicht mit der gleichen Qualität durchführen kann wie in der direkten Begegnung. Das ist schade, ist aber der Pandemie geschuldet.
TP: Was planen Sie für das 2022?
LvO: Für das kommende Jahr haben wir Themen wie Professionalisierung oder Diversität im Stiftungsrat. Auch impact Investing und Finanzen generell sollen eine wichtige Rolle spielen. Natürlich wird Gesellschaft und Verantwortung, der neue Grundsatz aus dem Foundations Code, im Fokus stehen. Und auch der automatische Informationsaustausch AIA wird uns wieder beschäftigen. Das Thema ist nicht zu unterschätzen. Hier kommt Druck aus dem Ausland. Da braucht es Beziehungen nicht nur nach Bern sondern nach Europa.