Beate Eckhardt, Eckhardt Consulting, fotografiert von Rita Palanikumar

Studie zur Stär­kung des Stif­tungs­stand­orts Zürich

Die Standortförderung des Kantons Zürich und SwissFoundations, der Verband der Schweizer Förderstiftungen, haben den Stiftungssektor im Kanton Zürich einer vertieften Analyse unterzogen. Die Studie ist im Dezember, kurz vor Weihnachten, mit einer Reihe von Empfehlungen an den Kanton erschienen.

The Philanthropist konnte mit Beate Eckhard, einer der drei Autor*innen ein Inter­view führen. Sie ist die ehema­lige Geschäfts­füh­re­rin von Swiss­Foun­da­ti­ons und Geschäfts­füh­re­rin von Eckard Consul­ting. Die beauf­trag­ten Autorin­nen und der Autor haben rele­vante Daten und Fakten erho­ben, ausge­wer­tet und mit 26 Exper­tin­nen und Exper­ten aus den Berei­chen Phil­an­thro­pie, Recht, Finanz­sek­tor, Verwal­tung, Busi­ness Inno­va­tion, Kultur, Wissen­schaft und Forschung über die Zukunfts­chan­cen und ‑poten­ziale des Sektors gesprochen.

Was hat im Jahr 2020 die Stand­ort­för­de­rung, das Amt für Wirt­schaft und Arbeit, den Kanton Zürich und Swiss­Foun­da­ti­ons dazu bewegt eine Studie zum Stif­tungs­stand­ort Zürich in Auftrag zu geben?

In keinem ande­ren Kanton gibt es so viele gemein­nüt­zige Stif­tun­gen wie in Zürich. Mit über 2200 gemein­nüt­zi­gen Stif­tun­gen und einem geschätz­ten Gesamt­ver­mö­gen von 18 Milli­ar­den Fran­ken ist Zürich der grösste Stif­tungs­stand­ort der Schweiz. Gleich­zei­tig begann das Stif­tungs­wachs­tum in den letz­ten Jahren zu erodie­ren, während die Liqui­da­tio­nen zunah­men. Dies machte deut­lich, dass der Kanton Zürich an Attrak­ti­vi­tät für Stif­tun­gen verlor und von ande­ren Kanto­nen wie Genf, Bern, Basel und Zug über­holt wurde. Durch die regel­mäs­sige Publi­ka­tion der kanto­na­len Stif­tungs­zah­len im Schwei­zer Stif­tungs­re­port wurden sowohl Swiss­Foun­da­ti­ons als auch die kanto­nale Stand­ort­för­de­rung auf diese Entwick­lung aufmerk­sam. Mit der Studie, die ich gemein­sam mit Georg von Schnur­bein und Theresa Gehrin­ger vom Center for Phil­an­thro­pie Studies der Univer­si­tät Basel erar­bei­ten durfte, woll­ten die beiden Initi­an­tin­nen den Ursa­chen für diese Entwick­lung auf den Grund gehen und mögli­che Lösungs­an­sätze skizzieren.

Die Schweiz hat im inter­na­tio­na­len Vergleich eine der höchs­ten Stif­tungs­dich­ten welt­weit. Was sind die Gründe?

Das Stif­ten hat in der Schweiz lange Tradi­tion. Bereits ab dem 14. Jahr­hun­dert entstan­den in der Schweiz neben kirch­li­chen auch welt­li­chen Stif­tun­gen priva­ten Rechts. Unser Staats­sys­tem, das Macht auf so viele verschie­dene Ebenen verteilt, fördert das private indi­vi­du­elle Enga­ge­ment. Es spielt in unse­rem Land eine Rolle, ob sich der Einzelne zuguns­ten des Gemein­we­sens einbringt. Dies ist in Ländern mit stark zentra­lis­tisch ausge­rich­te­ten Syste­men wie beispiels­weise Frank­reich anders. Entspre­chend war dort die Neugrün­dung gemein­nüt­zi­ger priva­ter Stif­tun­gen bis 1987 sogar verbo­ten. Das Stif­tungs­we­sen in der Schweiz profi­tiert zudem von libe­ra­len gesetz­li­chen Rahmen­be­din­gun­gen, einer hohen Stif­ter­frei­heit und einem gut ausge­bau­ten Finanz­sys­tem und profes­sio­nel­lem Ökosys­tem an Bera­tern und Dienstleistern.

Was ist der Grund für die hohe Ansied­lung von Stif­tun­gen in Zürich?

Was für die Schweiz gilt, gilt in hohem Mass auch für den Kanton Zürich. Als Wirt­schafts- und Finanz­mo­tor sind in Zürich zudem grosse private Vermö­gens­werte ange­sie­delt. Dies spielt eine entschei­dende Rolle als Stif­tun­gen letzt­end­lich dann und dort entste­hen, wo frei verfüg­ba­res, nicht ander­wei­tig benö­tig­tes Kapi­tal vorhan­den ist. Ein weite­rer Grund liegt in der Inter­na­tio­na­li­tät des Kantons und dem Umstand, dass in Zürich viele NGOs und Förder­part­ner von Stif­tun­gen ihren Sitz haben.

Wie sieht die Koope­ra­tion zwischen den verschie­de­nen Akteur*innen aus?

Während Koope­ra­tio­nen zwischen Förder­stif­tun­gen vermehrt Fahrt aufneh­men, sind klas­si­sche Public Private Part­ner­ships im Kanton Zürich noch wenig anzu­tref­fen. Sie sind am ehes­ten noch auf der kommu­na­len Ebene zu finden, beispiel­weise im Bereich der früh­kind­li­chen Förde­rung. Kanto­nal gibt es noch keinen insti­tu­tio­na­li­sier­ten Dialog, was aus meiner Sicht eine entschei­dende Basis für Koope­ra­tio­nen wäre.

Vorla­gen, die das Stif­tungs­we­sen betref­fen, haben es im natio­na­len Parla­ment schwer. Wie sieht das im Kantons­rat Zürich aus? Hat der Sektor ein Image Problem?

Die Diskurs­stra­te­gie von Swiss­Foun­da­ti­ons hat gezeigt: Der Stif­tungs­sek­tor kämpft noch immer mit vielen Vorur­tei­len. Diese schla­gen sich auch in den poli­ti­schen Debat­ten nieder. Stif­tun­gen wird insbe­son­dere im Zusam­men­hang mit der Steu­er­be­frei­ung skep­tisch begeg­net. Haben sie diese verdient? Wer verdient daran? Leis­ten sie tatsäch­lich einen Mehr­wert? Die aktu­elle Diskus­sion um die Hono­rie­rung von Stif­tungs­rä­ten geschieht vor diesem Hinter­grund. Es ist immer noch die weit verbrei­tete poli­ti­sche Meinung, dass der Stif­tungs­rat, im Gegen­zug zur Steu­er­be­frei­ung, ein Opfer erbrin­gen muss. Das ist natür­lich Nonsens. Der Stif­tungs­rat muss den Stif­tungs­zweck best­mög­lich umset­zen und eine höchst­mög­li­che Wirkung im Sinne der Stif­tung sicher­stel­len. Das Opfer hat einzig und allein der Stif­ter erbracht, als er der Gesell­schaft einen Teil seines Vermö­gens vermacht hat. Diese Argu­men­ta­ti­ons­li­nie ist für Stif­tun­gen aber schwie­rig. Sie brau­chen aner­kannte Fürspre­cher wie beispiels­weise Regie­rungs- und Parlamentsmitglieder.

Stif­tun­gen sind in ihrem Handeln in der Regel agiler, schnel­ler und flexi­bler als die öffent­li­che Hand, die alle demo­kra­ti­schen Prozesse durch­lau­fen muss. Braucht es hier mehr Aufklä­rung gegen­über der Öffent­lich­keit, welche Leis­tun­gen Stif­tun­gen für die Gesell­schaft erbringen?

Unbe­dingt! Wobei ich die staat­li­chen Entscheid­pro­zesse nicht gegen Stif­tungs­wir­ken ausspie­len möchte. Beide Systeme haben ihre Wich­tig­keit und Bedeu­tung. Die Stärke liegt in der Komple­men­ta­ri­tät. Wir zeigen in unse­rer Studie auf, dass mehr Dialog zu mehr Vertrauen und damit auch zu mehr gemein­sa­men Wirken zuguns­ten eines star­ken und inno­va­ti­ven Kantons Zürich führen könnte. «Tue Gutes und sprich darüber» ist aber auch Aufgabe des Sektors. Stif­tun­gen soll­ten sicht­bar, zugäng­lich und nach­voll­zieh­bar sein. Nur wenn man zeigt, was man wie und weshalb tut, wird man zu einem vertrau­ens­wür­di­gen Part­ner und Akteur.

Was machen Genf, Aargau, Bern und Basel ande­res als der Kanton Zürich? Weshalb nehmen die Stif­tungs­grün­dun­gen ab? 

Sie sind in erster Linie etwas schnel­ler als der Kanton Zürich. Gleich­zei­tig hat der Zürcher Regie­rungs­rat mit seiner Bekun­dung, den Stif­tungs­stand­ort zu stär­ken, Mitte Dezem­ber ein star­kes State­ment gemacht. Die Einset­zung einer direk­ti­ons­über­grei­fen­den Arbeits­gruppe, welche die vorge­schla­ge­nen Mass­nah­men der Studie prüfen und quali­fi­zie­ren soll, ist aus meiner Sicht ein erster wich­ti­ger Schritt. Der Vergleich mit dem Kanton Genf zeigt, dass eine gute Kommu­ni­ka­tion, kurze Wege in die Verwal­tung, die Ausein­an­der­set­zung mit den Rahmen­be­din­gun­gen und ein insti­tu­tio­na­li­sier­ter Dialog den Sektor entschei­dend und ziel­füh­rend stär­ken und fördern kann. 

Was ist Ihre Vision für den Stif­tungs­stand­ort Zürich?

Ich wünsche mir einen rele­van­ten, wirkungs­ori­en­tier­ten und inno­va­ti­ven Stif­tungs­stand­ort. Einen Stand­ort, der natio­nal und inter­na­tio­nal ausstrahlt, sich posi­tiv entwi­ckelt und seiner Bedeu­tung gerecht wird. Gemein­sam mit dem Finanz­platz Zürich, mit Behör­den, die ein moder­nes Stif­tungs­ver­ständ­nis vertre­ten und einer Regie­rung, welche den Sektor aktiv fördert und wert­schätzt, und mit Stif­tun­gen, die sich ihrer Rolle bewusst sind, koope­rie­ren und gemein­sam mit der öffent­li­chen Hand Wirkung erzie­len, kann es dem Kanton gelin­gen, eine inter­na­tio­nal heraus­ra­gende Rolle in der Welt der Phil­an­thro­pie zu spielen.

Beate Eckhardt, Theresa Gehrin­ger, Georg von Schnur­bein, Stif­tun­gen im Kanton Zürich – Die unter­schätzte Ressource. Analyse, Vision und Stra­te­gie für einen star­ken und inno­va­ti­ven Stif­tungs­stand­ort Zürich, hsg. von Stand­ort­för­de­rung, Amt für Wirt­schaft und Arbeit, Kanton, und Swiss­Foun­da­ti­ons, Verband der Schwei­zer Förder­stif­tun­gen, 2021, www.stiftungsstandortzh.ch

Zürich, Bild: Patrick Federi unsplash
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