The Philanthropist konnte mit Beate Eckhard, einer der drei Autor*innen ein Interview führen. Sie ist die ehemalige Geschäftsführerin von SwissFoundations und Geschäftsführerin von Eckard Consulting. Die beauftragten Autorinnen und der Autor haben relevante Daten und Fakten erhoben, ausgewertet und mit 26 Expertinnen und Experten aus den Bereichen Philanthropie, Recht, Finanzsektor, Verwaltung, Business Innovation, Kultur, Wissenschaft und Forschung über die Zukunftschancen und ‑potenziale des Sektors gesprochen.
Was hat im Jahr 2020 die Standortförderung, das Amt für Wirtschaft und Arbeit, den Kanton Zürich und SwissFoundations dazu bewegt eine Studie zum Stiftungsstandort Zürich in Auftrag zu geben?
In keinem anderen Kanton gibt es so viele gemeinnützige Stiftungen wie in Zürich. Mit über 2200 gemeinnützigen Stiftungen und einem geschätzten Gesamtvermögen von 18 Milliarden Franken ist Zürich der grösste Stiftungsstandort der Schweiz. Gleichzeitig begann das Stiftungswachstum in den letzten Jahren zu erodieren, während die Liquidationen zunahmen. Dies machte deutlich, dass der Kanton Zürich an Attraktivität für Stiftungen verlor und von anderen Kantonen wie Genf, Bern, Basel und Zug überholt wurde. Durch die regelmässige Publikation der kantonalen Stiftungszahlen im Schweizer Stiftungsreport wurden sowohl SwissFoundations als auch die kantonale Standortförderung auf diese Entwicklung aufmerksam. Mit der Studie, die ich gemeinsam mit Georg von Schnurbein und Theresa Gehringer vom Center for Philanthropie Studies der Universität Basel erarbeiten durfte, wollten die beiden Initiantinnen den Ursachen für diese Entwicklung auf den Grund gehen und mögliche Lösungsansätze skizzieren.
Die Schweiz hat im internationalen Vergleich eine der höchsten Stiftungsdichten weltweit. Was sind die Gründe?
Das Stiften hat in der Schweiz lange Tradition. Bereits ab dem 14. Jahrhundert entstanden in der Schweiz neben kirchlichen auch weltlichen Stiftungen privaten Rechts. Unser Staatssystem, das Macht auf so viele verschiedene Ebenen verteilt, fördert das private individuelle Engagement. Es spielt in unserem Land eine Rolle, ob sich der Einzelne zugunsten des Gemeinwesens einbringt. Dies ist in Ländern mit stark zentralistisch ausgerichteten Systemen wie beispielsweise Frankreich anders. Entsprechend war dort die Neugründung gemeinnütziger privater Stiftungen bis 1987 sogar verboten. Das Stiftungswesen in der Schweiz profitiert zudem von liberalen gesetzlichen Rahmenbedingungen, einer hohen Stifterfreiheit und einem gut ausgebauten Finanzsystem und professionellem Ökosystem an Beratern und Dienstleistern.
Was ist der Grund für die hohe Ansiedlung von Stiftungen in Zürich?
Was für die Schweiz gilt, gilt in hohem Mass auch für den Kanton Zürich. Als Wirtschafts- und Finanzmotor sind in Zürich zudem grosse private Vermögenswerte angesiedelt. Dies spielt eine entscheidende Rolle als Stiftungen letztendlich dann und dort entstehen, wo frei verfügbares, nicht anderweitig benötigtes Kapital vorhanden ist. Ein weiterer Grund liegt in der Internationalität des Kantons und dem Umstand, dass in Zürich viele NGOs und Förderpartner von Stiftungen ihren Sitz haben.
Wie sieht die Kooperation zwischen den verschiedenen Akteur*innen aus?
Während Kooperationen zwischen Förderstiftungen vermehrt Fahrt aufnehmen, sind klassische Public Private Partnerships im Kanton Zürich noch wenig anzutreffen. Sie sind am ehesten noch auf der kommunalen Ebene zu finden, beispielweise im Bereich der frühkindlichen Förderung. Kantonal gibt es noch keinen institutionalisierten Dialog, was aus meiner Sicht eine entscheidende Basis für Kooperationen wäre.
Vorlagen, die das Stiftungswesen betreffen, haben es im nationalen Parlament schwer. Wie sieht das im Kantonsrat Zürich aus? Hat der Sektor ein Image Problem?
Die Diskursstrategie von SwissFoundations hat gezeigt: Der Stiftungssektor kämpft noch immer mit vielen Vorurteilen. Diese schlagen sich auch in den politischen Debatten nieder. Stiftungen wird insbesondere im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung skeptisch begegnet. Haben sie diese verdient? Wer verdient daran? Leisten sie tatsächlich einen Mehrwert? Die aktuelle Diskussion um die Honorierung von Stiftungsräten geschieht vor diesem Hintergrund. Es ist immer noch die weit verbreitete politische Meinung, dass der Stiftungsrat, im Gegenzug zur Steuerbefreiung, ein Opfer erbringen muss. Das ist natürlich Nonsens. Der Stiftungsrat muss den Stiftungszweck bestmöglich umsetzen und eine höchstmögliche Wirkung im Sinne der Stiftung sicherstellen. Das Opfer hat einzig und allein der Stifter erbracht, als er der Gesellschaft einen Teil seines Vermögens vermacht hat. Diese Argumentationslinie ist für Stiftungen aber schwierig. Sie brauchen anerkannte Fürsprecher wie beispielsweise Regierungs- und Parlamentsmitglieder.
Stiftungen sind in ihrem Handeln in der Regel agiler, schneller und flexibler als die öffentliche Hand, die alle demokratischen Prozesse durchlaufen muss. Braucht es hier mehr Aufklärung gegenüber der Öffentlichkeit, welche Leistungen Stiftungen für die Gesellschaft erbringen?
Unbedingt! Wobei ich die staatlichen Entscheidprozesse nicht gegen Stiftungswirken ausspielen möchte. Beide Systeme haben ihre Wichtigkeit und Bedeutung. Die Stärke liegt in der Komplementarität. Wir zeigen in unserer Studie auf, dass mehr Dialog zu mehr Vertrauen und damit auch zu mehr gemeinsamen Wirken zugunsten eines starken und innovativen Kantons Zürich führen könnte. «Tue Gutes und sprich darüber» ist aber auch Aufgabe des Sektors. Stiftungen sollten sichtbar, zugänglich und nachvollziehbar sein. Nur wenn man zeigt, was man wie und weshalb tut, wird man zu einem vertrauenswürdigen Partner und Akteur.
Was machen Genf, Aargau, Bern und Basel anderes als der Kanton Zürich? Weshalb nehmen die Stiftungsgründungen ab?
Sie sind in erster Linie etwas schneller als der Kanton Zürich. Gleichzeitig hat der Zürcher Regierungsrat mit seiner Bekundung, den Stiftungsstandort zu stärken, Mitte Dezember ein starkes Statement gemacht. Die Einsetzung einer direktionsübergreifenden Arbeitsgruppe, welche die vorgeschlagenen Massnahmen der Studie prüfen und qualifizieren soll, ist aus meiner Sicht ein erster wichtiger Schritt. Der Vergleich mit dem Kanton Genf zeigt, dass eine gute Kommunikation, kurze Wege in die Verwaltung, die Auseinandersetzung mit den Rahmenbedingungen und ein institutionalisierter Dialog den Sektor entscheidend und zielführend stärken und fördern kann.
Was ist Ihre Vision für den Stiftungsstandort Zürich?
Ich wünsche mir einen relevanten, wirkungsorientierten und innovativen Stiftungsstandort. Einen Standort, der national und international ausstrahlt, sich positiv entwickelt und seiner Bedeutung gerecht wird. Gemeinsam mit dem Finanzplatz Zürich, mit Behörden, die ein modernes Stiftungsverständnis vertreten und einer Regierung, welche den Sektor aktiv fördert und wertschätzt, und mit Stiftungen, die sich ihrer Rolle bewusst sind, kooperieren und gemeinsam mit der öffentlichen Hand Wirkung erzielen, kann es dem Kanton gelingen, eine international herausragende Rolle in der Welt der Philanthropie zu spielen.
Beate Eckhardt, Theresa Gehringer, Georg von Schnurbein, Stiftungen im Kanton Zürich – Die unterschätzte Ressource. Analyse, Vision und Strategie für einen starken und innovativen Stiftungsstandort Zürich, hsg. von Standortförderung, Amt für Wirtschaft und Arbeit, Kanton, und SwissFoundations, Verband der Schweizer Förderstiftungen, 2021, www.stiftungsstandortzh.ch