Bild: zVg Kai Isemann

Stif­tung WeCon­tri­bute: Lose Fäden zusam­men­füh­ren und stabile Knoten knüpfen

Kai Isemann, Gründer und Präsident des Stiftungsrates der gemeinnützigen Stiftung WeContribute, hat sich vor rund fünf Jahren entschieden, einen neuen beruflichen Weg zu gehen. Gemeinsam mit Gleichgesinnten möchte er Projekten, die in einem ökologischen, sozialen und ökonomischen Gleichgewicht agieren, Schwung verleihen.

Sie haben die Stif­tung WeCon­tri­bute 2017 gegrün­det. Was gab den Ausschlag, die Stif­tung zu gründen?

Ursprüng­lich komme ich aus der Gross­fi­nanz und ich fragte mich schon lange, warum ich erst mit aller Kraft ökono­mi­sche Ener­gie aus dem System pres­sen soll, um es dann, bei erfolg­rei­chem Geschäft, wieder in Projekte zu stecken, welche sich Proble­men anneh­men, die ich im Vorfeld selbst ange­rich­tet habe. «So funk­tio­niert Wirt­schaf­ten», wird mir auf mein Unver­ständ­nis gerne geant­wor­tet. Das ist mir nicht genug. Kurz nach meinem Ausstieg aus der Zürcher Finanz­welt und meiner Arbeit als Projekt­ent­wick­ler habe ich daher die Stif­tung WeCon­tri­bute gegrün­det. Der defi­nierte Rahmen inner­halb des gege­be­nen Zwecks und das zwin­gende Fest­hal­ten an der Gemein­nüt­zig­keit liegt meinem Selbst sehr nah.

Was sind Ihre Ziele? 

Die Stif­tung WeCon­tri­bute arbei­tet als Kata­ly­sa­tor für «gute» Projekte und Ideen. Sie folgt den drei Säulen eines effek­tiv nach­hal­ti­gen Handelns, wir nennen es gerne «enkel­taug­li­ches Wirt­schaf­ten», und möch­ten so ein ökolo­gi­sches, sozia­les und ökono­mi­sches Gleich­ge­wicht fördern. Die berech­tigte Frage stellt sich schnell: Was ist denn tatsäch­lich ein «gutes» Projekt. Die Meinun­gen gehen hier stark ausein­an­der. Die Antwort redu­ziert sich unse­rer Ansicht nach auf drei rudi­men­täre Fragen:
Ist es gut für unsere Biosphäre?
Ist es gut für unser sozia­les Mitein­an­der – die direkt und die indi­rekt Betrof­fe­nen?
Ist es gut für die Ökono­mie unse­rer Werte­ge­mein­schaft?
Die Reihen­folge der Frage­stel­lung ist äusserst wich­tig. Rein ökono­misch moti­vierte Projekte haben lang­fris­tig keinen Bestand. Dazu befin­det sich unsere Welt in zu gros­ser Aufruhr. Immer mehr Menschen reali­sie­ren, was in dersel­ben tatsäch­lich sinn­haft ist und was nicht. Enkel­taug­li­ches Wirt­schaf­ten ist aller­dings nicht zu verwech­seln mit dem vieler­orts prak­ti­zier­ten Green­wa­shing, von welchem wir uns gar nicht weit genug distan­zie­ren können! 

Der Gross­teil unse­rer Arbeit ist bera­ten­der Natur. Wir analy­sie­ren Ideen, Projekte und Unter­neh­mun­gen anhand eines Rahmen­werks, welches sich an den eben genann­ten drei Fragen orien­tiert – und welches wir unter dem Begriff «Triple Bottom Line» selbst entwi­ckelt haben. Wir füllen allfäl­lige Lücken in Stra­te­gie, ORM, Leader­ship oder Finanz­the­men mit Exper­tise aus unse­rem Netz­werk. Ich sehe unsere Funk­tion gerne als Dolmet­scher zwischen einem sinn­haf­ten Projekt und der ökono­mi­schen Ener­gie, der Wirtschaft. 

Ihre Stif­tung heisst WeCon­tri­bute, ihre URL enkeltauglich-wirtschaften.ch. Was sind die Gedan­ken dahinter?

Der Begriff «Enkel­taug­lich Wirt­schaf­ten», den ich seit 2012 verwende, hat sich mitt­ler­weile eindrück­lich etabliert, was mich sehr freut. Frei von apoka­lyp­ti­schen Anwand­lun­gen bin ich davon über­zeugt, dass enkel­taug­li­ches Wirt­schaf­ten als Denk- und Heran­ge­hens­weise nicht nur längst über­fäl­lig, sondern auch eine Grund­vor­aus­set­zung für zeit­ge­mäs­sen Erfolg ist. Enkel­taug­li­ches Wirt­schaf­ten verste­hen wir als ein Handeln, welches auf mehrere Gene­ra­tio­nen und Rege­ne­ra­tion ausge­rich­tet ist. Das heisst konkret, ein Handeln, welches sich ganz bestimmt nicht nur an der nächs­ten Bonus­runde oder an der Lauf­zeit einer Legis­la­tur orien­tiert, sondern mindes­tens bis zu unse­ren Enkeln blickt. Soviel Vorstel­lungs­kraft sollte uns allen gege­ben sein. Damit wäre schon sehr viel gelöst. Rege­ne­ra­ti­ves Handeln wird ebenso notwen­dig sein, in allen Berei­chen. Wir haben viel an gutem Boden zerstört, den es aufzu­bauen gilt, nicht nur in der Land­wirt­schaft, in allen Bran­chen und Berei­chen, auch zwischenmenschlich. 

… und WeCon­tri­bute?

Mit «WeCon­tri­bute» haben wir der Orga­ni­sa­tion den Namen für eine Vision gege­ben. Sie soll von den Menschen für die Menschen aufge­baut und getra­gen werden. Wir bieten ledig­lich den Rahmen für sinn­haf­tes Wirken – ein wenig Montessori für Erwach­sene: «Hilf’ mir, es selbst zu tun.». Unser star­kes Netz­werk an wert­ver­wand­ten Orga­ni­sa­tio­nen und Menschen sowie eine gewisse Radi­ka­li­tät machen WeCon­tri­bute zu einer Platt­form für dieje­ni­gen, die es wirk­lich ernst meinen.

Ihre Orga­ni­sa­tion ist sehr hete­ro­gen – Bera­tung & Coaching, Perma­kul­tur, Inves­t­ing – Wie sind Sie in Bezug auf die Zusam­men­ar­beit organisiert?

Lassen Sie mich mit einem Bild aus der Natur arbei­ten. Selten exis­tiert ein Lebe­we­sen für sich alleine. Es braucht eine geeig­nete Umge­bung mit vielen unter­stüt­zen­den Funk­tio­nen, sodass sich das in diesem Moment im Fokus stehende Lebe­we­sen seiner Bestim­mung entspre­chend entfal­ten kann. Genauso funk­tio­niert der Mensch oder die Gesell­schaft als Gesam­tes in einer ande­ren Dimen­sion. Die drei Kanäle, in welchen wir unser Wirken konso­li­die­ren, stehen in diesem Bild für jeweils eine Pflanze, die ohne die Fürsorge für die beiden ande­ren nicht exis­tie­ren kann.

Das heisst?

Oft wird die Perma­kul­tur ledig­lich als alter­na­tive land­wirt­schaft­li­che Gestal­tungs­me­thode «perma­nent (agri)culture» verstan­den. Das ist nur teil­weise rich­tig. Perma­kul­tur ist weit mehr. Sie hat sich zu einer ökolo­gi­schen, sozia­len und ökono­mi­schen Lebens­phi­lo­so­phie entwi­ckelt, welche dem Verständ­nis von enkel­taug­li­chem Wirt­schaf­ten 1:1 entspricht. Ein guter Boden ist die Grund­lage allen Lebens, sei es draus­sen auf dem Feld oder im inne­ren unse­res Seins. Was hilft mir eine Erkennt­nis, wenn dann niemand da ist für eine stra­te­gi­sche Beglei­tung der Trans­for­ma­tion? Und meis­tens, wie bei jedem ande­ren Geschäft auch, braucht es eine gewisse ökono­mi­sche Ener­gie, um die Vision umzusetzen.

Wie lesen Sie Ihre Projekte aus? 

Enkel­taug­li­che oder Triple Bottom Line-konforme Projekte werden von unse­rem Team und wert­ver­wand­ten Orga­ni­sa­tio­nen und Projekt­ent­wick­lern durch Scree­ning syste­ma­tisch iden­ti­fi­ziert und anhand des Triple Bottom Line-Rahmen­werks analy­siert. Zudem nehmen wir Ausschrei­bun­gen neuer Projekte vor, die mit unse­rem Werte­rah­men über­ein­stim­men und so konzi­piert sind, dass sie klar defi­nierte Fach­kri­te­rien für die jewei­lige Projekt­ka­te­go­rie erfüllen.

Oder wie kommen Sie mit den unter­schied­li­chen Projek­ten in Kontakt?

Die Quel­len für unsere Projekte sind sehr unter­schied­lich. Grund­sätz­lich gilt für mich persön­lich, wenn es Ande­ren zu kompli­ziert wird oder die Verzagt­heit über­hand nimmt, dann wird es meist rich­tig span­nend. Dort ist gestaute Ener­gie, Poten­zial. Wenn man ein wenig beob­ach­tend durch die Welt läuft, dann bieten sich an jeder Ecke Möglich­kei­ten, wo wir es besser tun könn­ten – im Klei­nen und im Gros­sen, meist ohne über­bor­den­den Aufwand – und wo wir als Stif­tung unser Netz­werk und unsere Ener­gie einbrin­gen können. 

Wie gehen Sie vor?

Wir stel­len viele Fragen. Das «Warum?» ist allge­gen­wär­tig. Viel Werbung braucht es nicht. Wenn man einmal einen kräf­ti­gen Samen in einen guten Boden gelegt hat und ihn bei der natür­li­chen Entwick­lung beglei­tet, dann kann nur Gutes dabei heraus­kom­men. Die Orches­trie­rung der Umge­bung ist unser Auftrag, lose Fäden zusam­men­füh­ren und stabile Knoten knüp­fen. Die Projekte erge­ben sich aus den Heraus­for­de­run­gen unse­res tägli­chen Lebens und fallen uns allen zu. In unse­rem Hams­ter­rad (oder auch golde­nen Käfig) wehren wir uns nur gerne gegen Zuge­fal­le­nes. Dabei kann es unglaub­lich berei­chernd sein, wenn man es zulässt.

Wie muss ich das verstehen?

Unsere Gesell­schaft ist extrem auf eine vermeint­li­che Sicher­heit bedacht und hat oft zu gros­sen Respekt davor, Fragen zu stel­len. Wir scheuen uns vor mögli­cher­weise falschen Entschei­dun­gen und gehen dann lieber den bekann­ten und durch tausende Seiten von Richt­li­nien «veri­fi­zier­ten» Weg. So funk­tio­niert die Biosphäre nicht. Und wir sind ein Teil davon – somit funk­tio­nie­ren wir so auch nicht.

Im Bereich Inves­t­ing, auf der Platt­form für – Crowd­in­ves­t­ing – gibt es Projekte, die hohe Summen sammeln. Ein «Ticket» beträgt 10’000 Fran­ken. An wen rich­tet sich das Angebot?

Im Moment spre­chen wir primär vermö­gende Privat­per­so­nen und Family Offices an, solche die das Vertrauen in das Asset Manage­ment der etablier­ten Anbie­ter verlo­ren haben und begin­nen, Verant­wor­tung für die ökono­mi­sche Ener­gie zu über­neh­men, die sie auf ihren Schul­tern tragen. Es ist eine unsag­bar grosse Verant­wor­tung, welcher sich nur Wenige bewusst sind, wie mir scheint.

Zu Beginn waren wir von Tickets ab 100’000 Fran­ken für insti­tu­tio­nelle Anleger*innen ausge­gan­gen. Es zeigte sich dann aber schnell, dass das Segment um 10’000 Fran­ken Anla­ge­summe gros­ses Inter­esse an unse­ren Produk­ten hat. Man ist hier offe­ner für einen neuen Prozess und flexi­bler bei der Umstel­lung als die Insti­tu­tio­nel­len aus teils verständ­li­chen und teils nicht nach­voll­zieh­ba­ren Grün­den. Inzwi­schen sind aber auch klei­nere Pensi­ons­kas­sen und andere Finanz­dienst­leis­ter an unse­ren Produk­ten inter­es­siert, was mich sehr freut, weil es doch die Markt­fä­hig­keit unse­res Prozes­ses unterstreicht.

Bei unse­ren aktu­el­len Projek­ten ist das Heraus­lö­sen von expo­nier­ten Immo­bi­lien aus dem Speku­la­ti­ons­markt sowie die Rege­ne­ra­tion von Land­wirt­schafts­land ein gros­ser gemein­sa­mer Nenner, verbun­den mit der Umset­zung von enkel­taug­li­chen Nutzungs­kon­zep­ten. Daher sind die Summen auch schnell einmal hoch.

Was erhalte ich als Investorin?

Vor allem ande­ren die Gewiss­heit, die ökono­mi­sche Ener­gie enkel­taug­lich (= lang­fris­tig) inves­tiert zu wissen – nicht unmit­tel­bar in Bezug auf die Lauf­zeit des Produkts, sondern viel­mehr auf die Dauer­haf­tig­keit des zugrun­de­lie­gen­den Geschäfts. Wir lassen uns nicht von sinn­frem­den Taxo­no­mie-Anpas­sun­gen blenden. 

Wer sich nur am ökono­mi­schen ROI (Return on Invest­ment) orien­tiert, wird bei uns herbe enttäuscht werden. Unser erstes Projekt haben wir mit durch­schnitt­lich 0,1 Prozent Zins auf knapp 15 Jahre bis zur Finan­zie­rungs­schwelle gebracht. Da bleibt eine Menge Ener­gie im Projekt – dort wo sie wirken soll. In den tradi­tio­nel­len Prozes­sen geht der Gross­teil der ökono­mi­schen Ener­gie nach ausser­halb des Projekts, um Löhne und Boni von Bankern, Juris­ten, Versi­che­rern und Consul­tants zu finan­zie­ren (Ich kenne das; war mitten­drin im Hams­ter­rad.) … und dem Ernte­hel­fer aus Polen geste­hen wir keine acht Fran­ken auf die Stunde zu? Das ist falsch.

Wer es mit SDG/ESG-Invest­ments wirk­lich ernst meint, der wird an Triple Bottom Line nicht vorbei­kom­men. An unse­rer Platt­form schon, aber nicht an der Defi­ni­tion des Begriffs. Mittel­fris­tig sehe ich hier schnell einen Sekun­där­markt wach­sen und wir setzen uns bereits mit Ideen einer Handels­platt­form für Besit­zer von Triple Bottom Line Plat­zie­run­gen ausein­an­der. Der Markt wird sich wandeln. Schnell. 

Wie ist das Control­ling dieser Projekte?

Jedes Projekt, welches auf unse­rer Platt­form erscheint, durch­läuft eine akri­bi­sche Prüfung mithilfe verschie­de­ner Schritte und Metho­den: Selbst­ein­schät­zung, Peer-Review, laufen­des Mento­ring, bran­chen­spe­zi­fi­sche Stan­dards und Zerti­fi­zie­run­gen, Alli­an­zen mit Triple Bottom Line-kompa­ti­blen Fach­ver­bän­den und Exper­ten­grup­pen, Best-Prac­tice-Leit­fä­den, Schu­lungs­work­shops und Ratge­ber, tech­ni­sche Exper­ti­sen und Berichte.

Wir bewer­ten Projekte nach umfas­sen­den Krite­rien der Nach­hal­tig­keit – ökolo­gisch, sozial und wirt­schaft­lich – wenn irgend möglich anhand über­prüf­ba­rer Stan­dards. Wir stel­len Fragen wie: Was ist das Konzept für die Schad­stoff- und Abfall­ent­sor­gung? Über­zeugt es? Gibt es eine Ände­rung der Land­nut­zung oder der Land­be­de­ckung? Wenn ja, ist diese posi­tiv? Hat das Projekt einen posi­ti­ven Einfluss auf die gesund­heits­be­rei­nigte Lebens­er­war­tung? Wurde die Gemein­schaft in die Entschei­dungs­fin­dung einbe­zo­gen oder ist dies für die Zukunft geplant? Gibt es Verknüp­fun­gen mit einem Regio­nal­plan? Wirkt sich das Projekt posi­tiv auf die regio­nale Wett­be­werbs­fä­hig­keit des Wissens, lokale Unter­neh­mens­clus­ter oder die Sanie­rung von Gebie­ten aus. Wird loka­les Fach­wis­sen so weit wie möglich genutzt? etc.

  1. Hallo Kai,

    Wie leben­dig ist denn diese Stif­tung aktu­ell? Was ist der Mitgliederbeitrag?

    By the way: Open­foodswitz­er­land hat eine erste Genos­sen­schaft und der Verein Nenana ist eben­falls gegrün­det in der Ostschweiz.
    Und schau mal, was auf der Webseite/Karte gesche­hen ist. 

    Herz­dank dir, Pascal

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