Sie haben die Stiftung WeContribute 2017 gegründet. Was gab den Ausschlag, die Stiftung zu gründen?
Ursprünglich komme ich aus der Grossfinanz und ich fragte mich schon lange, warum ich erst mit aller Kraft ökonomische Energie aus dem System pressen soll, um es dann, bei erfolgreichem Geschäft, wieder in Projekte zu stecken, welche sich Problemen annehmen, die ich im Vorfeld selbst angerichtet habe. «So funktioniert Wirtschaften», wird mir auf mein Unverständnis gerne geantwortet. Das ist mir nicht genug. Kurz nach meinem Ausstieg aus der Zürcher Finanzwelt und meiner Arbeit als Projektentwickler habe ich daher die Stiftung WeContribute gegründet. Der definierte Rahmen innerhalb des gegebenen Zwecks und das zwingende Festhalten an der Gemeinnützigkeit liegt meinem Selbst sehr nah.
Was sind Ihre Ziele?
Die Stiftung WeContribute arbeitet als Katalysator für «gute» Projekte und Ideen. Sie folgt den drei Säulen eines effektiv nachhaltigen Handelns, wir nennen es gerne «enkeltaugliches Wirtschaften», und möchten so ein ökologisches, soziales und ökonomisches Gleichgewicht fördern. Die berechtigte Frage stellt sich schnell: Was ist denn tatsächlich ein «gutes» Projekt. Die Meinungen gehen hier stark auseinander. Die Antwort reduziert sich unserer Ansicht nach auf drei rudimentäre Fragen:
Ist es gut für unsere Biosphäre?
Ist es gut für unser soziales Miteinander – die direkt und die indirekt Betroffenen?
Ist es gut für die Ökonomie unserer Wertegemeinschaft?
Die Reihenfolge der Fragestellung ist äusserst wichtig. Rein ökonomisch motivierte Projekte haben langfristig keinen Bestand. Dazu befindet sich unsere Welt in zu grosser Aufruhr. Immer mehr Menschen realisieren, was in derselben tatsächlich sinnhaft ist und was nicht. Enkeltaugliches Wirtschaften ist allerdings nicht zu verwechseln mit dem vielerorts praktizierten Greenwashing, von welchem wir uns gar nicht weit genug distanzieren können!
Der Grossteil unserer Arbeit ist beratender Natur. Wir analysieren Ideen, Projekte und Unternehmungen anhand eines Rahmenwerks, welches sich an den eben genannten drei Fragen orientiert – und welches wir unter dem Begriff «Triple Bottom Line» selbst entwickelt haben. Wir füllen allfällige Lücken in Strategie, ORM, Leadership oder Finanzthemen mit Expertise aus unserem Netzwerk. Ich sehe unsere Funktion gerne als Dolmetscher zwischen einem sinnhaften Projekt und der ökonomischen Energie, der Wirtschaft.
Ihre Stiftung heisst WeContribute, ihre URL enkeltauglich-wirtschaften.ch. Was sind die Gedanken dahinter?
Der Begriff «Enkeltauglich Wirtschaften», den ich seit 2012 verwende, hat sich mittlerweile eindrücklich etabliert, was mich sehr freut. Frei von apokalyptischen Anwandlungen bin ich davon überzeugt, dass enkeltaugliches Wirtschaften als Denk- und Herangehensweise nicht nur längst überfällig, sondern auch eine Grundvoraussetzung für zeitgemässen Erfolg ist. Enkeltaugliches Wirtschaften verstehen wir als ein Handeln, welches auf mehrere Generationen und Regeneration ausgerichtet ist. Das heisst konkret, ein Handeln, welches sich ganz bestimmt nicht nur an der nächsten Bonusrunde oder an der Laufzeit einer Legislatur orientiert, sondern mindestens bis zu unseren Enkeln blickt. Soviel Vorstellungskraft sollte uns allen gegeben sein. Damit wäre schon sehr viel gelöst. Regeneratives Handeln wird ebenso notwendig sein, in allen Bereichen. Wir haben viel an gutem Boden zerstört, den es aufzubauen gilt, nicht nur in der Landwirtschaft, in allen Branchen und Bereichen, auch zwischenmenschlich.
… und WeContribute?
Mit «WeContribute» haben wir der Organisation den Namen für eine Vision gegeben. Sie soll von den Menschen für die Menschen aufgebaut und getragen werden. Wir bieten lediglich den Rahmen für sinnhaftes Wirken – ein wenig Montessori für Erwachsene: «Hilf’ mir, es selbst zu tun.». Unser starkes Netzwerk an wertverwandten Organisationen und Menschen sowie eine gewisse Radikalität machen WeContribute zu einer Plattform für diejenigen, die es wirklich ernst meinen.
Ihre Organisation ist sehr heterogen – Beratung & Coaching, Permakultur, Investing – Wie sind Sie in Bezug auf die Zusammenarbeit organisiert?
Lassen Sie mich mit einem Bild aus der Natur arbeiten. Selten existiert ein Lebewesen für sich alleine. Es braucht eine geeignete Umgebung mit vielen unterstützenden Funktionen, sodass sich das in diesem Moment im Fokus stehende Lebewesen seiner Bestimmung entsprechend entfalten kann. Genauso funktioniert der Mensch oder die Gesellschaft als Gesamtes in einer anderen Dimension. Die drei Kanäle, in welchen wir unser Wirken konsolidieren, stehen in diesem Bild für jeweils eine Pflanze, die ohne die Fürsorge für die beiden anderen nicht existieren kann.
Das heisst?
Oft wird die Permakultur lediglich als alternative landwirtschaftliche Gestaltungsmethode «permanent (agri)culture» verstanden. Das ist nur teilweise richtig. Permakultur ist weit mehr. Sie hat sich zu einer ökologischen, sozialen und ökonomischen Lebensphilosophie entwickelt, welche dem Verständnis von enkeltauglichem Wirtschaften 1:1 entspricht. Ein guter Boden ist die Grundlage allen Lebens, sei es draussen auf dem Feld oder im inneren unseres Seins. Was hilft mir eine Erkenntnis, wenn dann niemand da ist für eine strategische Begleitung der Transformation? Und meistens, wie bei jedem anderen Geschäft auch, braucht es eine gewisse ökonomische Energie, um die Vision umzusetzen.
Wie lesen Sie Ihre Projekte aus?
Enkeltaugliche oder Triple Bottom Line-konforme Projekte werden von unserem Team und wertverwandten Organisationen und Projektentwicklern durch Screening systematisch identifiziert und anhand des Triple Bottom Line-Rahmenwerks analysiert. Zudem nehmen wir Ausschreibungen neuer Projekte vor, die mit unserem Werterahmen übereinstimmen und so konzipiert sind, dass sie klar definierte Fachkriterien für die jeweilige Projektkategorie erfüllen.
Oder wie kommen Sie mit den unterschiedlichen Projekten in Kontakt?
Die Quellen für unsere Projekte sind sehr unterschiedlich. Grundsätzlich gilt für mich persönlich, wenn es Anderen zu kompliziert wird oder die Verzagtheit überhand nimmt, dann wird es meist richtig spannend. Dort ist gestaute Energie, Potenzial. Wenn man ein wenig beobachtend durch die Welt läuft, dann bieten sich an jeder Ecke Möglichkeiten, wo wir es besser tun könnten – im Kleinen und im Grossen, meist ohne überbordenden Aufwand – und wo wir als Stiftung unser Netzwerk und unsere Energie einbringen können.
Wie gehen Sie vor?
Wir stellen viele Fragen. Das «Warum?» ist allgegenwärtig. Viel Werbung braucht es nicht. Wenn man einmal einen kräftigen Samen in einen guten Boden gelegt hat und ihn bei der natürlichen Entwicklung begleitet, dann kann nur Gutes dabei herauskommen. Die Orchestrierung der Umgebung ist unser Auftrag, lose Fäden zusammenführen und stabile Knoten knüpfen. Die Projekte ergeben sich aus den Herausforderungen unseres täglichen Lebens und fallen uns allen zu. In unserem Hamsterrad (oder auch goldenen Käfig) wehren wir uns nur gerne gegen Zugefallenes. Dabei kann es unglaublich bereichernd sein, wenn man es zulässt.
Wie muss ich das verstehen?
Unsere Gesellschaft ist extrem auf eine vermeintliche Sicherheit bedacht und hat oft zu grossen Respekt davor, Fragen zu stellen. Wir scheuen uns vor möglicherweise falschen Entscheidungen und gehen dann lieber den bekannten und durch tausende Seiten von Richtlinien «verifizierten» Weg. So funktioniert die Biosphäre nicht. Und wir sind ein Teil davon – somit funktionieren wir so auch nicht.
Im Bereich Investing, auf der Plattform für – Crowdinvesting – gibt es Projekte, die hohe Summen sammeln. Ein «Ticket» beträgt 10’000 Franken. An wen richtet sich das Angebot?
Im Moment sprechen wir primär vermögende Privatpersonen und Family Offices an, solche die das Vertrauen in das Asset Management der etablierten Anbieter verloren haben und beginnen, Verantwortung für die ökonomische Energie zu übernehmen, die sie auf ihren Schultern tragen. Es ist eine unsagbar grosse Verantwortung, welcher sich nur Wenige bewusst sind, wie mir scheint.
Zu Beginn waren wir von Tickets ab 100’000 Franken für institutionelle Anleger*innen ausgegangen. Es zeigte sich dann aber schnell, dass das Segment um 10’000 Franken Anlagesumme grosses Interesse an unseren Produkten hat. Man ist hier offener für einen neuen Prozess und flexibler bei der Umstellung als die Institutionellen aus teils verständlichen und teils nicht nachvollziehbaren Gründen. Inzwischen sind aber auch kleinere Pensionskassen und andere Finanzdienstleister an unseren Produkten interessiert, was mich sehr freut, weil es doch die Marktfähigkeit unseres Prozesses unterstreicht.
Bei unseren aktuellen Projekten ist das Herauslösen von exponierten Immobilien aus dem Spekulationsmarkt sowie die Regeneration von Landwirtschaftsland ein grosser gemeinsamer Nenner, verbunden mit der Umsetzung von enkeltauglichen Nutzungskonzepten. Daher sind die Summen auch schnell einmal hoch.
Was erhalte ich als Investorin?
Vor allem anderen die Gewissheit, die ökonomische Energie enkeltauglich (= langfristig) investiert zu wissen – nicht unmittelbar in Bezug auf die Laufzeit des Produkts, sondern vielmehr auf die Dauerhaftigkeit des zugrundeliegenden Geschäfts. Wir lassen uns nicht von sinnfremden Taxonomie-Anpassungen blenden.
Wer sich nur am ökonomischen ROI (Return on Investment) orientiert, wird bei uns herbe enttäuscht werden. Unser erstes Projekt haben wir mit durchschnittlich 0,1 Prozent Zins auf knapp 15 Jahre bis zur Finanzierungsschwelle gebracht. Da bleibt eine Menge Energie im Projekt – dort wo sie wirken soll. In den traditionellen Prozessen geht der Grossteil der ökonomischen Energie nach ausserhalb des Projekts, um Löhne und Boni von Bankern, Juristen, Versicherern und Consultants zu finanzieren (Ich kenne das; war mittendrin im Hamsterrad.) … und dem Erntehelfer aus Polen gestehen wir keine acht Franken auf die Stunde zu? Das ist falsch.
Wer es mit SDG/ESG-Investments wirklich ernst meint, der wird an Triple Bottom Line nicht vorbeikommen. An unserer Plattform schon, aber nicht an der Definition des Begriffs. Mittelfristig sehe ich hier schnell einen Sekundärmarkt wachsen und wir setzen uns bereits mit Ideen einer Handelsplattform für Besitzer von Triple Bottom Line Platzierungen auseinander. Der Markt wird sich wandeln. Schnell.
Wie ist das Controlling dieser Projekte?
Jedes Projekt, welches auf unserer Plattform erscheint, durchläuft eine akribische Prüfung mithilfe verschiedener Schritte und Methoden: Selbsteinschätzung, Peer-Review, laufendes Mentoring, branchenspezifische Standards und Zertifizierungen, Allianzen mit Triple Bottom Line-kompatiblen Fachverbänden und Expertengruppen, Best-Practice-Leitfäden, Schulungsworkshops und Ratgeber, technische Expertisen und Berichte.
Wir bewerten Projekte nach umfassenden Kriterien der Nachhaltigkeit – ökologisch, sozial und wirtschaftlich – wenn irgend möglich anhand überprüfbarer Standards. Wir stellen Fragen wie: Was ist das Konzept für die Schadstoff- und Abfallentsorgung? Überzeugt es? Gibt es eine Änderung der Landnutzung oder der Landbedeckung? Wenn ja, ist diese positiv? Hat das Projekt einen positiven Einfluss auf die gesundheitsbereinigte Lebenserwartung? Wurde die Gemeinschaft in die Entscheidungsfindung einbezogen oder ist dies für die Zukunft geplant? Gibt es Verknüpfungen mit einem Regionalplan? Wirkt sich das Projekt positiv auf die regionale Wettbewerbsfähigkeit des Wissens, lokale Unternehmenscluster oder die Sanierung von Gebieten aus. Wird lokales Fachwissen so weit wie möglich genutzt? etc.