Im südlichen Gebiet Äthiopiens, Borena, ist die Situation aufgrund der langanhaltenden Trockenperiode prekär. Am stärksten leiden die einfachen Hirtenfamilien unter den Folgen der Dürre. Rinder, Ziegen und sogar genügsame Kamele verenden. Die Stiftung «Menschen für Menschen» leistet nun Nothilfe.
Hilfe dringend notwendig
Die Stiftung habe die Situation in Borena untersucht und stellte fest, dass Notfälle weit verbreitet seien. «Es besteht das Risiko, dass die Unterernährung ein extrem kritisches Niveau erreicht und eine hohe hungerbedingte Sterblichkeitsrate auftritt», sagt Kelsang Kone, Geschäftsführer des Hilfswerks «Menschen für Menschen». Nun möchte die Stiftung mit einem Nothilfeprogramm besonders bedürftige Familien unterstützen. Sie sollen insgesamt in fünf Zentren versorgt werden. Mit drei monatlichen Verteilungen sollen mehr als 4500 Menschen Maismehl, Speiseöl, Waschseifen und Zeltblachen erhalten. «Nun geht es darum, das Überleben der Klimaflüchtlinge über die nächsten Monate hinweg zu sichern», sagt Kelsang Kone. «Denn in jeder Dürre und Hungersnot sind es die kleinsten Kinder, die am meisten leiden. Ihre Gesundheit und Leben sind als Erstes bedroht.»
Denn in jeder Dürre und Hungersnot sind es die kleinsten Kinder, die am meisten leiden.
Kelsang Kone, Geschäftsführer des Hilfswerks «Menschen für Menschen»
Menschen werden zu Klimaflüchtlingen
Es sei ein klimatisches Ereignis, das es seit mindestens 40 Jahren nicht mehr gegeben hat, so das UN-Amt OCHA, das für humanitäre Angelegenheiten zuständig ist. Vier aufeinanderfolgende Regenzeiten sind ausgeblieben – nicht nur in Äthiopien, sondern auch in den Nachbarstaaten Kenia und Somalia. Borena ist besonders stark betroffen. In zwei Jahren fiel praktisch kein Regen. Dürren gab es schon früher, doch die Häufigkeit nimmt zu und die Dürreperioden halten länger an. Geschäftsführer Kelsang Kone meint: «Da die Dürren häufiger und schwerwiegender werden, scheint sicher, dass die Nomaden Borenas zu Opfern des globalen Klimawandels werden, für den der Lebensstil in den reichen Ländern verantwortlich ist.» Aufgrund der sich häufenden Klimakrisen werden die negativen Folgen auf Wirtschaft und Gesellschaft deutlich sichtbarer. Hinzu kommt, dass traditionelle Bewältigungsstrategien der Nomad*innen nicht mehr greifen.
Da die Dürren häufiger und schwerwiegender werden, scheint sicher, dass die Nomaden Borenas zu Opfern des globalen Klimawandels werden, für den der Lebensstil in den reichen Ländern verantwortlich ist.
Kelsang Kone
Weitreichende Auswirkungen
Die Hirt*innen müssen immer weiter gehen, um Wasser und Weide zu finden. Oftmals vergebens. «Der Boden ist nackt, das Gras vertrocknet», schreibt die Stiftung «Menschen helfen Menschen». Gemäss staatlichen Stellen seien bereits jetzt mehr als eineinhalb Millionen Nutztiere verendet. Der Schaden läge laut Hilfswerk umgerechnet bei 220 Millionen Franken. Die Existenzgrundlage von rund 200’000 Hirtenfamilien sei bedroht. «Für die Borena-Hirten ist das Vieh der einzige Besitz. Die Familien sind dringend auf den Verkauf ihrer Tiere angewiesen, um Grundnahrungsmittel kaufen zu können», sagt Kelsang Kone. Doch für abgemagerte Tiere Käufer*innen zu finden, sei schwierig. Und auch die Coronapandemie wirkt sich auf Äthiopiens Wirtschaft aus: Die Preise der Lebensmittel seien drastisch gestiegen. Die Inflationsrate beträgt rund 34 Prozent (Trading Economics). Viele Hirtenfamilien könnten sich die wenigen Produkte auf dem Markt überhaupt nicht mehr leisten.