Bild: Christine Roy, unsplash

Spen­den helfen – Punkt

Ausgehend vom UN-Bericht zum weltweiten Hunger schreibt Lisa von Zobeltitz im Blogbeitrag ihre Meinung über den Sinn des Spendens und über die Zufälligkeit des Geburtsorts und der damit verbundenen Konsequenzen.

Blog­bei­trag von Lisa von Zobeltitz

Von Gaza, über Soma­lia bis Simbabwe, die Zahl der welt­weit Hungern­den und der poten­zi­ell Verhun­gern­den steigt seit Wochen rasant an, ein Ende ist nicht in Sicht. Ein im Juli veröf­fent­lich­ter Bericht der United Nati­ons wird konkret und beschreibt, dass 2023 rund 733 Millio­nen Menschen Hunger litten, und damit der Hunger in der Welt weiter zuge­nom­men hat. Die Konse­quenz: NGOs – wie auch die, für die ich arbeite – fokus­sie­ren sich derzeit, und wieder einmal, auf die «Hunger­be­kämp­fung». Eine Frage, die ich in dem Kontext nicht selten höre: Lohnt es sich über­haupt «gegen Hunger» zu spenden?

Hunger als Dauerthema

Entwe­der wird diese Frage beglei­tet von einem resi­gnier­tem Schul­ter­zu­cken oder ankla­gend hoch gezo­ge­nen Augen­brauen. Ich verstehe den Hinter­grund der Frage, und ihre Konno­ta­tion: Wirft man einen Blick auf die Medi­en­be­richt­erstat­tung, scheint der Mangel an so vielen Orten der Welt nie zu enden. Scheint der Hunger zum Dauer­thema zu avan­cie­ren – dessen man manch­mal auch über­drüs­sig werden kann. Hinzu kommt, dass es viele Orga­ni­sa­tio­nen gibt, die sich offen­kun­dig eben dieses Miss­stan­des anneh­men wollen. Möchte man das Schul­ter­zu­cken und die hoch gezo­ge­nen Augen­brauen in Fragen über­set­zen, könn­ten diese lauten: Warum schaf­fen wir es nicht, trotz millio­nen­fa­cher Anstren­gung, eine Lösung für den globa­len Dauer­bren­ner Hunger zu etablie­ren? Und wenn es keine Lösung gibt – warum über­haupt für diesen Zweck spenden?

Doch wann kommt es zu Hunger­kri­sen? Ein Blick in die (neuere) Geschichte zeigt: Hunger ist oftmals die Folge von Krie­gen und Vertrei­bun­gen, des fort­schrei­ten­den Klima­wan­dels oder die Folge von wirt­schaft­li­chem Druck. Kurz: Dass im 21. Jahr­hun­dert rund 733 Millio­nen Menschen auf dieser Welt Hunger leiden, dass jähr­lich rund 5 Millio­nen Klein­kin­der an Mangel­er­näh­rung ster­ben, ist am Ende vor allem uns selbst zuzu­schrei­ben. Und dem Bedürf­nis, sich über so vieles und so viele zu erhe­ben, trotz der Kollateralschäden.

Ein trau­ri­ger Evergreen

Doch die Wahr­schein­lich­keit, dass sich der Mensch ändert, damit sich wiederum struk­tu­rell etwas verbes­sert, liegt opti­mis­tisch im Promille-Bereich. Viel­mehr trifft es das Zitat «Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf» auf den Punkt. Dieses wird gerne dem Philo­so­phem Thomas Hobbes zuge­schrie­ben, kann aber auch schon viel früher und bei ande­ren Zeit­geis­tern gefun­den werden: bei Plau­tus, Plinius dem Älte­ren, Rabelais, Montai­gne … Sie alle beschrei­ben in Prosa, Lyrik oder philo­so­phi­schen Abhand­lun­gen, dass die Menschen unter­ein­an­der zu Schlimms­ten fähig sind. Das Thema ist ein trau­ri­ger Evergreen.

Es ist jedoch auch bemer­kens­wert, dass fast immer verkürzt zitiert wird. Denn das oft verges­sene Gegen­stück besagt, dass «der Mensch dem Menschen [auch] ein Gott» ist. Dies ist nicht an einen christ­li­chen Kontext gebun­den, sondern bedeu­tet über­setzt in unsere säku­lare Zeit, dass der Mensch neben dem Schlimms­ten auch befä­higt ist, Gutes zu tun, Soli­da­ri­tät und Liebe walten zu lassen. Dieser Zwei­klang beschreibt die uns urei­gene Ambi­va­lenz, die wir als Gesamt­heit und, mit einem Blick auf unsere Geschichte, wohl immer in uns tragen werden.

Wenn­gleich wir also nichts am Wesen Mensch ändern werden, so können wir aner­ken­nen, dass wir sind, wer wir sind. Und so können und müssen wir davon ausge­hen, dass das Gegen­ein­an­der weiter­hin zu unse­rer Reali­tät gehö­ren wird – ebenso wie das Mitein­an­der. Welcher Part in unse­rem eige­nen, über­schau­ba­ren Leben über­wie­gen soll und kann, bleibt indi­vi­du­ell zu beantworten.

Sinn­haf­tig­keit von Spenden

Und hier schlage ich die Brücke zur Sinn­haf­tig­keit von Spen­den. Ein persön­li­ches Beispiel: Wann wir wo und demnach wie leben, ist meist dem Zufall unse­rer Geburt geschul­det. Und wenn­gleich beispiels­weise Afrika in meinen Augen die schöns­ten Natur­schau­spiele dieser Welt behei­ma­tet, bin ich mehr als froh, dass meine Kinder nicht in den krie­ge­ri­schen Welten des Sudan oder in den hungern­den Gemein­schaf­ten der zentral­afri­ka­ni­schen Repu­blik, sondern in der siche­ren Beschau­lich­keit des mittel­eu­ro­päi­schen 21. Jahr­hun­derts gebo­ren wurden. Dieses Privi­leg wird mir jedes Mal bewusst, wenn ich meine Kinder frage, ob sie etwas essen möch­ten. Wenn ich meinen Sohn wegen seines Asth­mas vom Fach­arzt behan­deln lassen kann. Wenn ich meine Toch­ter morgens ohne Sorgen auf den Weg zur Schule schicke.

Nun habe ich kein schlech­tes Gewis­sen, dass wir es gutha­ben. Es macht aber in meinen Augen durch­aus Sinn, sich ab und an dieser Zufäl­lig­keit bewusst zu werden. Und, wenn man finan­zi­ell dazu in der Lage ist, beispiels­weise durch eine Spende, etwas von diesem wahren Lebens-Glück, weiter­zu­ge­ben. Mir ist klar, dass diese nicht unsere komple­xen Probleme lösen wird, weil keine Spende der Welt uns in Summe «besser» werden lässt. Und dass wir vor allem auf poli­ti­scher Ebene gefor­dert sind, Nach­hal­tig­keit zu etablie­ren. Aber wenn ich als Mutter einer ande­ren, weni­ger privi­le­gier­ten Mutter dabei helfen kann, ihr Kind vor dem Verhun­gern zu bewah­ren, dann fällt mir beim besten Willen kein Grund ein, warum ich das nicht tun sollte.


Autorin

Lisa von Zobel­titz
Corpo­rate Commu­ni­ca­ti­ons and Public Rela­ti­ons, World Vision Schweiz & Liechtenstein

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