The Philanthropist: 160 Jahre: Der SchweiÂzer TierÂschutz (STS) wurde 1861 als erste natioÂnal tätige TierÂschutzÂorÂgaÂniÂsaÂtion gegrünÂdet. Wenn Sie die SituaÂtion der Tiere heute beurÂteiÂlen, sehen Sie einen Grund zum Feiern?
Stefan FlückiÂger: Grund gibt es bestimmt zum Feiern, wenn wir mit der Zeit von damals vergleiÂchen. Da präsenÂtiert sich die VerantÂworÂtung des Menschen für die Tiere als unsere MitgeÂschöpfe heute ganz anders. WeniÂger posiÂtiv sieht die SituaÂtion interÂnaÂtioÂnal aus, aber auch in der Schweiz gibt es in vielen BereiÂchen noch keinen verantÂworÂtungsÂbeÂwussÂten Umgang mit den Tieren, in einiÂgen kann man sogar von TierÂquäÂleÂrei sprechen.
Gibt es Themen, von welchen Sie sagen können, der STS hat sich für eine VerbesÂseÂrung eingeÂsetzt, das Ziel ist erreicht, den TierÂschutz braucht es in diesem Thema nicht mehr?
Wir haben noch alle die KäfigÂhalÂtung bei den LegeÂhenÂnen oder die FerkelÂkasÂtraÂtion ohne SchmerzÂausÂschalÂtung in ErinÂneÂrung. Diese MethoÂden sind in der Schweiz verboÂten, leider noch nicht überÂall in Europa. Da hat der STS wesentÂlich zu diesem Verbot beigetragen.
Die VeränÂdeÂrunÂgen beim KonsumÂverÂhalÂten gehen tatsächÂlich langÂsam voran.
Stefan FlückiÂger, SchweiÂzer Tierschutz
FleischÂkonÂsum und TierÂhalÂtung sind auch Teil der KlimaÂdeÂbatte. Hilft dies dem AnlieÂgen des STS?
Ja, es hilft uns dort, wo die Leute wirkÂlich realiÂsiert haben, dass die KlimatheÂmaÂtik komplex ist und ganzÂheitÂlich angeÂschaut werden muss. In diesem ganzÂheitÂliÂchen System spieÂlen auch die Tiere oder die TierÂhalÂtung eine Rolle. Für die Präsenz in den Medien oder in der poliÂtiÂschen Agenda stehen wir dageÂgen oft in KonkurÂrenz mit den Klimathemen.
Mit seiner LabelÂstaÂtisÂtik 2021 zeigt der STS, dass bio, regioÂnale, faire und nachÂhalÂtige TierÂproÂdukte keine gestieÂgene NachÂfrage in der PandeÂmie erlebÂten, im GegenÂsatz zu andeÂren ProdukÂten. Ist das TierÂwohl den KonsuÂmenÂtinÂnen und KonsuÂmenÂten doch egal?
Da zeigt es sich, dass es BedürfÂnisÂverÂlaÂgeÂrunÂgen und KonkurÂrenzÂbeÂzieÂhunÂgen gibt. Die Regio-Produkte, die für AnforÂdeÂrunÂgen an die Herkunft und leider nicht ans TierÂwohl garanÂtieÂren, haben kräfÂtig zugeÂlegt– auch bio hat kräfÂtig profiÂtiert. Auf der andeÂren Seite konnÂten die Tiere nicht von dieser EntwickÂlung profitieren.
Ist TierÂschutz eine reine KostenÂfrage?
TierÂschutz und NachÂhalÂtigÂkeit gibt es nicht zum NullÂtaÂrif. Es besteht dafür auch eine gewisse KaufÂkraft. Die ZahlungsÂbeÂreitÂschaft ist jedoch in vielen LabelÂmärkÂten nicht ausreiÂchend, weil grosse MarktÂverÂzerÂrunÂgen vorhanÂden sind. Wir konnÂten mit Studien nachÂweiÂsen, dass die Preise bei den StanÂdardÂsegÂmenÂten künstÂlich tief gehalÂten werden und so überÂhohe PreisÂdifÂfeÂrenÂzen zu den Label- und BiosegÂmenÂten entsteÂhen. Dies zu Lasten der Tiere, weil der Absatz von tierÂfreundÂlich erzeugÂten ProdukÂten stagniert oder in gewisÂsen SegmenÂten sogar zurückgeht.
Als gemeinÂnütÂzige InstiÂtuÂtion finanÂziert sich der STS zu zwei DritÂteln aus SpenÂden, ErbschafÂten und LegaÂten. Ist es einfaÂcher, die Menschen zum SpenÂden zu beweÂgen als ihr KonsuÂmenÂverÂhalÂten zu ändern?
Ja, wir sind auf diese SpenÂden sehr angeÂwieÂsen. Die VeränÂdeÂrunÂgen beim KonsumÂverÂhalÂten gehen tatsächÂlich langÂsam voran, dies betrifft in der Schweiz 85 MillioÂnen NutzÂtiere. In andeÂren KateÂgoÂrien wie den HeimÂtieÂren kann es aber ganz schnell gehen, wenn z.B. während Corona plötzÂlich die NachÂfrage nach Hunden und RasseÂkatÂzen schlagÂarÂtig nach oben geht.
Wir hoffen, dass die SpenÂder auch akzepÂtieÂren würden, wenn wir uns am Schluss für einen KomproÂmissÂvorÂschlag in Form eines indiÂrekÂten GegenÂvorÂschlaÂges einsetzen.
Stefan FlückiÂger, SchweiÂzer Tierschutz
Der STS engaÂgiert sich für die MassenÂtierÂhalÂtungsÂinÂitiaÂtive und kritiÂsiert die WAK‑N des NatioÂnalÂraÂtes, die sowohl InitiaÂtive wie auch den direkÂten GegenÂentÂwurf des BundesÂraÂtes abgeÂlehnt hat. Hilft diese klare PosiÂtioÂnieÂrung beim GeneÂrieÂren von SpenÂden?
Wir hoffen, dass die SpenÂder auch akzepÂtieÂren würden, wenn wir uns am Schluss für einen KomproÂmissÂvorÂschlag in Form eines indiÂrekÂten GegenÂvorÂschlaÂges einsetÂzen. Dies ist tatsächÂlich immer eine GratÂwanÂdung, ob mit einer klaren Haltung für eine relaÂtiv extreme InitiaÂtive, die dann abgeÂlehnt wird, oder ob mit einem gemäsÂsigÂten KomproÂmissÂvorÂschlag mehr für die Tiere herausÂgeÂholt werden kann, wenn dieser dann angeÂnomÂmen wird.
Sie kritiÂsieÂren bspw. ZoofachÂhandÂlunÂgen und setzen sich für die NutzÂtiere ein. Themen, die sehr nahe an unseÂrem Alltag sind und auch wirtÂschaftÂliÂche InterÂesÂsen betrefÂfen. Führt dies zu AblehÂnung bei den kritiÂsierÂten BranÂchen oder weckt es das InterÂesse, gemeinÂsam VerbesÂseÂrunÂgen zu bewirÂken?
Der STS ist für pragÂmaÂtiÂsche LösunÂgen und sucht die KoopeÂraÂtion mit den AkteuÂren. Auf der andeÂren Seite müssen wir auch unsere Ziele zum Schutz der Tiere konseÂquent umsetÂzen, wenn die MarktÂakÂteure dies ablehÂnen. Die PreisÂpoÂliÂtik in den FoodÂmärkÂten ist so ein Thema. Da haben wir im Rahmen der «AbsatzÂofÂfenÂsive LabelÂfleisch» mit unseÂren Studien viele ErkenntÂnisse erarÂbeiÂtet, die das Nicht-FunkÂtioÂnieÂren der LabelÂmärkte beleÂgen. Da haben wir uns im Markt keine Freunde gemacht.
Der STS ist auch als KontrollÂdienst tätig. Wie pragÂmaÂtisch kann er dabei sein?
Der KontrollÂdienst ist ein eigenÂstänÂdiÂger Bereich innerÂhalb des STS. Dank der unabÂhänÂgiÂgen und konseÂquenÂten KontrolÂlen kann er sicherÂstelÂlen, dass die vorgeÂschrieÂbeÂnen HaltungsÂanÂforÂdeÂrunÂgen verschieÂdeÂner Label und TierÂhalÂtungsÂproÂgramme eingeÂhalÂten werden. Die ausgeÂwieÂseÂnen FachÂleute können nicht pragÂmaÂtisch vorgeÂhen, sondern müssen ein scharÂfes Auge haben.