Stefan Flückiger, geschäftsführender Präsident Verein Faire Märkte Schweiz+. Bild, zVg

Schlecht funk­tio­nie­rende Märkte verur­sa­chen Kollateralschäden

Der Verein Faire Märkte Schweiz+ (FMS) setzt sich für funktionierende Märkte und damit für gleichlange Spiesse bei Agrarprodukten ein. Dabei konzertiert er sich auf die gesamte Wertschöpfungskette. Der Verein wurde erst vor wenigen Monaten gegründet. The Philanthropist hat mit dem geschäftsführenden Präsidenten Stefan Flückiger gesprochen.

Mit Ihrer brei­ten beruf­li­chen Erfah­rung, bei einem Gross­ver­tei­ler, bei der Produ­zen­ten­or­ga­ni­sa­tion Bio Suisse und zuletzt als Co-Geschäfts­füh­rer des Schwei­ze­ri­schen Tier­schutz haben Sie nun entschie­den, einen Verein zu grün­den, der fairen Märk­ten in der Schweiz zum Durch­bruch verhilft. Was genau gab den Anstoss dazu?

Bei den Märk­ten besteht ein gewal­ti­ges Poten­zial, um die Nach­hal­tig­keit voran­zu­brin­gen, was heute noch sehr unter­schätzt wird. Seit meiner Zeit am Insti­tut für Agrar­wirt­schaft der ETH Zürich beschäf­tige ich mich mit den Food­märk­ten und der Nach­hal­tig­keit. Beim Schwei­zer Tier­schutz STS konn­ten wir mit Studien bele­gen, dass der Tier­schutz fürs Tier nur begrenzte Fort­schritte ermög­licht, wenn die Rahmen­be­din­gun­gen in Markt und Poli­tik nicht stim­men. Fazit, das Markt­ver­sa­gen belas­tet Umwelt, Mensch und Tier enorm.

Das Markt­ver­sa­gen belas­tet Umwelt, Mensch und Tier enorm.

Stefan Flücki­ger

Wie sieht für Sie ein nach­hal­ti­ger und fairer Markt aus?

Das Konzept der (Markt) Fair­ness legt den Fokus nicht nur auf faire Produ­zen­ten­preise im Süden, wie es das klas­si­sche Fair­trade-Konzept macht. Wir konzen­trie­ren uns auf die gesamte Wert­schöp­fungs­kette. Die Nicht­be­rück­sich­ti­gung von Umwelt- und Tier­wohl­kos­ten in den Laden­prei­sen ist nur das eine. Es gibt ein neues Phäno­men, das durch die Markt­macht markt­be­herr­schen­der Unter­neh­men stark zuge­nom­men hat. Beispiels­weise können die Gross­ver­tei­ler mit ihrer Markt­macht den Wett­be­werb ausschal­ten und sich mehr raus­neh­men als die weni­ger Mäch­ti­gen. Da müssen wir umden­ken, es braucht ein ande­res Verständ­nis von Markt.

Wie wollen Sie errei­chen, dass alle Marktteilnehmer:innen gleich lange Spiesse erhalten?

Zuerst muss es uns gelin­gen, dass unsere Hypo­these bei den Leuten ankommt: Denn gut funk­tio­nie­rende Märkte sind heute eher die Ausnahme als die Regel, was extreme Kolla­te­ral­schä­den verur­sacht. Erst wenn das klar ist, wird die Fair­ness-Debatte so rich­tig in Fahrt kommen und unsere Mass­nah­men werden fruch­ten. Markt­macht heisst eben auch, dass diese Akteure Verant­wor­tung über­neh­men soll­ten. Tun sie dies nicht, werden wir in Markt und Poli­tik aktiv.

Sie erwäh­nen, dass Sie sich für eine Preis­bil­dung einset­zen, die über­höhte Konsu­men­ten­preise vermei­det und an die Produzent:innen faire Preise bezahlt. Wie wollen Sie das im stark regu­lier­ten Fleisch- sowie im Gemüse- und Früch­te­markt mit dem vorherr­schen­den Zoll­pro­tek­tio­nis­mus umsetzen?

Es ist rich­tig, die Lebens­mit­tel­märkte sind in der Schweiz stark regu­liert, was aufgrund des spezi­el­len Auftra­ges für die Land­wirt­schaft auch so blei­ben dürfte. Von diesem Schutz profi­tie­ren jedoch Verar­bei­tung und Handel genauso oder sogar mehr. In unse­rem libe­ra­len, markt­wirt­schaft­li­chen Wirt­schafts­sys­tem exis­tiert für diese Wert­schöp­fungs­stu­fen weit­ge­hend eine Black­box. Darin finden diese Markt­ver­zer­run­gen statt und sie werden vom Regu­la­tor nicht verhin­dert. FMS bringt Licht in diese Black­box und hat bereits gezielte Mass­nah­men in Markt und Poli­tik lanciert.

Sie wollen auch den Dialog in der Öffent­lich­keit fördern. Haben Sie schon eine Idee, wie das gesche­hen soll?

Wir betrei­ben sehr aktive Sensi­bi­li­sie­rungs- und Dialog­ar­beit. Mit der ersten Öffent­lich­keits­ar­beit haben wir einen enor­men Dialog ange­stos­sen. Wich­tig ist dabei, der Einbe­zug der Bevöl­ke­rung, sowohl im Dialog bei den Reak­tio­nen, die bei uns eintref­fen, wie auch in konkre­ten Projek­ten. Mit einem Projekt «lokal + fair» beispiels­weise haben wir mit loka­len Akteu­ren aus Gewerbe und Poli­tik in Stäfa ZH einen Akti­ons­tag im kommen­den Septem­ber mitent­wi­ckelt. Im nächs­ten Jahr wird das Projekt natio­nal breit ausgerollt.

Wer unter­stützt Sie bei Ihrem Anlie­gen finanziell?

Wir hatten das Glück, dass wir mit einem weit­sich­tig denken­den Stif­ter in Kontakt gekom­men sind. Er hat schnell erkannt, dass der Umwelt- und Tier­schutz nur wirk­sam verbes­sert werden kann, wenn die Rahmen­be­din­gun­gen in Markt und Poli­tik dies zulas­sen. Deshalb unter­stützt die Stif­tung ProCare die wich­tige Start­phase von FMS und erlaubt uns so, die Fair­ness­de­batte in Gang zu brin­gen. Für die erfolg­rei­che Zukunft sind weitere Stif­tun­gen und Unter­stüt­zende eine wich­tige Voraussetzung.

Wer sind Ihre Part­ner­or­ga­ni­sa­tio­nen, die am glei­chen Strick ziehen?

Wir sind mit zahl­rei­chen inter­es­sier­ten Part­nern im Gespräch. Sie inter­es­sie­ren sich für eine Mitglied­schaft bei FMS und viele Privat­per­so­nen haben sich bereits ange­mel­det. Erfreu­lich sind auch die Produ­zen­ten­mel­dun­gen von Miss­brauchs­fäl­len. Ende Jahr können wir dann konkre­ter sagen, wer die Part­ner­or­ga­ni­sa­tio­nen sind. Eigent­lich müss­ten alle Mitglied werden, die für einen förder­li­chen Wett­be­werb sind.

Gibt es weitere Mitglieder?

Die vielen Anfra­gen von Privat­per­so­nen und auch von eini­gen Insti­tu­tio­nen haben uns posi­tiv über­rascht. Für Betriebe dage­gen gibt es Schwie­rig­kei­ten für mögli­che Mitglied­schaf­ten: Die markt­be­herr­schen­den Unter­neh­mun­gen sind im Schwei­zer Markt so mäch­tig, dass sehr viele klei­nere und mitt­lere Betriebe von diesen abhän­gig und deshalb mit einer Mitglied­schaft bei uns zurück­hal­tend sind. Doch stehen viele Bevöl­ke­rungs­grup­pen – und hoffent­lich auch weitere Stif­tun­gen — hinter unse­ren Bestre­bun­gen und geben uns viel Mut für die Zukunft, unsere Arbeit für faire und nach­hal­tige Märkte fortzuführen.

StiftungSchweiz engagiert sich für eine Philanthropie, die mit möglichst wenig Aufwand viel bewirkt, für alle sichtbar und erlebbar ist und Freude bereitet.

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