Mit Ihrer breiten beruflichen Erfahrung, bei einem Grossverteiler, bei der Produzentenorganisation Bio Suisse und zuletzt als Co-Geschäftsführer des Schweizerischen Tierschutz haben Sie nun entschieden, einen Verein zu gründen, der fairen Märkten in der Schweiz zum Durchbruch verhilft. Was genau gab den Anstoss dazu?
Bei den Märkten besteht ein gewaltiges Potenzial, um die Nachhaltigkeit voranzubringen, was heute noch sehr unterschätzt wird. Seit meiner Zeit am Institut für Agrarwirtschaft der ETH Zürich beschäftige ich mich mit den Foodmärkten und der Nachhaltigkeit. Beim Schweizer Tierschutz STS konnten wir mit Studien belegen, dass der Tierschutz fürs Tier nur begrenzte Fortschritte ermöglicht, wenn die Rahmenbedingungen in Markt und Politik nicht stimmen. Fazit, das Marktversagen belastet Umwelt, Mensch und Tier enorm.
Das Marktversagen belastet Umwelt, Mensch und Tier enorm.
Stefan Flückiger
Wie sieht für Sie ein nachhaltiger und fairer Markt aus?
Das Konzept der (Markt) Fairness legt den Fokus nicht nur auf faire Produzentenpreise im Süden, wie es das klassische Fairtrade-Konzept macht. Wir konzentrieren uns auf die gesamte Wertschöpfungskette. Die Nichtberücksichtigung von Umwelt- und Tierwohlkosten in den Ladenpreisen ist nur das eine. Es gibt ein neues Phänomen, das durch die Marktmacht marktbeherrschender Unternehmen stark zugenommen hat. Beispielsweise können die Grossverteiler mit ihrer Marktmacht den Wettbewerb ausschalten und sich mehr rausnehmen als die weniger Mächtigen. Da müssen wir umdenken, es braucht ein anderes Verständnis von Markt.
Wie wollen Sie erreichen, dass alle Marktteilnehmer:innen gleich lange Spiesse erhalten?
Zuerst muss es uns gelingen, dass unsere Hypothese bei den Leuten ankommt: Denn gut funktionierende Märkte sind heute eher die Ausnahme als die Regel, was extreme Kollateralschäden verursacht. Erst wenn das klar ist, wird die Fairness-Debatte so richtig in Fahrt kommen und unsere Massnahmen werden fruchten. Marktmacht heisst eben auch, dass diese Akteure Verantwortung übernehmen sollten. Tun sie dies nicht, werden wir in Markt und Politik aktiv.
Sie erwähnen, dass Sie sich für eine Preisbildung einsetzen, die überhöhte Konsumentenpreise vermeidet und an die Produzent:innen faire Preise bezahlt. Wie wollen Sie das im stark regulierten Fleisch- sowie im Gemüse- und Früchtemarkt mit dem vorherrschenden Zollprotektionismus umsetzen?
Es ist richtig, die Lebensmittelmärkte sind in der Schweiz stark reguliert, was aufgrund des speziellen Auftrages für die Landwirtschaft auch so bleiben dürfte. Von diesem Schutz profitieren jedoch Verarbeitung und Handel genauso oder sogar mehr. In unserem liberalen, marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem existiert für diese Wertschöpfungsstufen weitgehend eine Blackbox. Darin finden diese Marktverzerrungen statt und sie werden vom Regulator nicht verhindert. FMS bringt Licht in diese Blackbox und hat bereits gezielte Massnahmen in Markt und Politik lanciert.
Sie wollen auch den Dialog in der Öffentlichkeit fördern. Haben Sie schon eine Idee, wie das geschehen soll?
Wir betreiben sehr aktive Sensibilisierungs- und Dialogarbeit. Mit der ersten Öffentlichkeitsarbeit haben wir einen enormen Dialog angestossen. Wichtig ist dabei, der Einbezug der Bevölkerung, sowohl im Dialog bei den Reaktionen, die bei uns eintreffen, wie auch in konkreten Projekten. Mit einem Projekt «lokal + fair» beispielsweise haben wir mit lokalen Akteuren aus Gewerbe und Politik in Stäfa ZH einen Aktionstag im kommenden September mitentwickelt. Im nächsten Jahr wird das Projekt national breit ausgerollt.
Wer unterstützt Sie bei Ihrem Anliegen finanziell?
Wir hatten das Glück, dass wir mit einem weitsichtig denkenden Stifter in Kontakt gekommen sind. Er hat schnell erkannt, dass der Umwelt- und Tierschutz nur wirksam verbessert werden kann, wenn die Rahmenbedingungen in Markt und Politik dies zulassen. Deshalb unterstützt die Stiftung ProCare die wichtige Startphase von FMS und erlaubt uns so, die Fairnessdebatte in Gang zu bringen. Für die erfolgreiche Zukunft sind weitere Stiftungen und Unterstützende eine wichtige Voraussetzung.
Wer sind Ihre Partnerorganisationen, die am gleichen Strick ziehen?
Wir sind mit zahlreichen interessierten Partnern im Gespräch. Sie interessieren sich für eine Mitgliedschaft bei FMS und viele Privatpersonen haben sich bereits angemeldet. Erfreulich sind auch die Produzentenmeldungen von Missbrauchsfällen. Ende Jahr können wir dann konkreter sagen, wer die Partnerorganisationen sind. Eigentlich müssten alle Mitglied werden, die für einen förderlichen Wettbewerb sind.
Gibt es weitere Mitglieder?
Die vielen Anfragen von Privatpersonen und auch von einigen Institutionen haben uns positiv überrascht. Für Betriebe dagegen gibt es Schwierigkeiten für mögliche Mitgliedschaften: Die marktbeherrschenden Unternehmungen sind im Schweizer Markt so mächtig, dass sehr viele kleinere und mittlere Betriebe von diesen abhängig und deshalb mit einer Mitgliedschaft bei uns zurückhaltend sind. Doch stehen viele Bevölkerungsgruppen – und hoffentlich auch weitere Stiftungen — hinter unseren Bestrebungen und geben uns viel Mut für die Zukunft, unsere Arbeit für faire und nachhaltige Märkte fortzuführen.