Schein­wer­fer­licht für die Medien

Scheinwerferlicht für die Medien

«Demo­cracy Dies in Dark­ness» – «Demo­kra­tie stirbt in der Dunkel­heit» ist der Slogan der Tages­zei­tung «The Washing­ton Post». Die Formu­lie­rung geht auf Bob Wood­ward zurück, der zusam­men mit Carl Bern­stein 1972 in eben­die­ser Tages­zei­tung jene Recher­chen veröf­fent­lichte, die zur Water­gate-Affäre und damit zum Rück­tritt von Präsi­dent Nixon führ­ten. Ohne die scho­nungs­lose Aufklä­rung durch die beiden jungen Jour­na­lis­ten (und den Mut ihrer Verle­ge­rin Katha­rine Graham) wäre die ameri­ka­ni­sche Demo­kra­tie über die Machen­schaf­ten ihres Präsi­den­ten im Dunkeln geblie­ben. Deshalb leuch­tet auch der Slogan der Schwei­zer Online­zei­tung «Repu­blik» ein: «Ohne Jour­na­lis­mus keine Demo­kra­tie.» In seinem neuen Buch «Das Prin­zip Trotz­dem» bezeich­net Roger de Weck den Jour­na­lis­mus denn auch als «Infra­struk­tur der Demokratie».

Demo­kra­tie braucht Medienjournalismus

Doch Jour­na­lis­mus ist keine Kunst im luft­lee­ren Raum. Jour­na­lis­mus gibt es nicht ohne Medien. Im ganz prak­ti­schen Sinn heisst das: Jour­na­lis­mus, ob Text, Ton, Bild oder Video, braucht einen «Mitt­ler», einen Trans­por­teur. Das ist im enge­ren Sinn die Bedeu­tung des Worts «Medium»: das «Mitt­lere» zwischen Sender und Empfän­ger. Zum Problem für die Demo­kra­tie wird zuneh­mend, dass dieses «Mitt­lere» alles andere als neutral ist: Medien unter­lie­gen ökono­mi­schen Rahmen­be­din­gun­gen, die einen viel stär­ke­ren Einfluss auf die Inhalte und damit den Jour­na­lis­mus haben, als sich auch viele Jour­na­lis­ten bewusst sind. 

Wie stark ökono­mi­sche Inter­es­sen eine Zeitung beein­flus­sen können, zeigte ausge­rech­net die «Washing­ton Post»: Zum ersten Mal seit bald 50 Jahren gab die Zeitung heuer keine Empfeh­lung für die Wahl des US-Präsi­den­ten ab. Dies, obwohl die Jour­na­lis­ten der «Washing­ton Post» zuvor immer wieder betont hatten, dass sie Donald Trump für abso­lut unge­eig­net hiel­ten und es in den USA verbrei­tete publi­zis­ti­sche Gepflo­gen­heit ist, vor Wahlen eine Empfeh­lung auszu­spre­chen. Die Verwei­ge­rung des erwar­te­ten «Endor­se­ment» von Kamala Harris ist keine Rück­be­sin­nung auf die jour­na­lis­ti­sche Unab­hän­gig­keit, sondern entspringt eher der ökono­mi­schen Vorsicht des Besit­zers der «Washing­ton Post»: Jeff Bezos wollte wohl verhin­dern, dass er mit seinen Unter­neh­men, dem Online­händ­ler Amazon und dem Raum­fahrt­un­ter­neh­men Blue Origin, in die Schuss­li­nie eines allfäl­li­gen Präsi­den­ten Trump gerät. Denn der gilt als noto­risch nachtragend.

Das kleine Beispiel zeigt, wie wich­tig es ist, die Besit­zer von Medien und deren Inter­es­sen zu kennen. Eine leben­dige Demo­kra­tie braucht deshalb einen Jour­na­lis­mus, der gewillt ist, den Schein­wer­fer auf sich selbst zu rich­ten: Die Demo­kra­tie braucht den Medienjournalismus. 

Kampf um die Aufmerksamkeit

Medi­en­jour­na­lis­mus ist insbe­son­dere deshalb nötig, als die Medien ökono­misch brutal unter Druck sind. Das Inter­net hat das Busi­ness­mo­dell der Medien zerstört. Bis vor eini­gen Jahren haben sich die meis­ten Medien zu etwa zwei Drit­teln mit Anzei­gen finan­ziert. Heute geht mehr als jeder zweite Werbe­fran­ken in der Schweiz an Google und Face­book (Meta Plat­forms, Inc.). Die gros­sen Tech-Netz­werke sorgen mit Künst­li­cher Intel­li­genz und riesi­gen Daten­ban­ken dafür, dass die Werbung ihrer Kunden präzis auf den Bild­schir­men der ange­peil­ten Ziel­gruppe erscheint. Die klas­si­schen Medien gehen dabei so gut wie leer aus. 

Die jour­na­lis­ti­schen Medien versu­chen, mitzu­hal­ten im Kampf um die Aufmerk­sam­keit der Nutze­rin­nen und Nutzer. Wer im Inter­net Aufmerk­sam­keit erre­gen will, muss aber extrem auffal­len. Muss die Nutzer aufschre­cken mit immer noch drän­gen­de­ren Schlag­zei­len. Das hat massi­ven Einfluss auf die Inhalte: Es zählt nicht mehr die Rele­vanz eines Inhalts, sondern nur noch sein Klick­po­ten­zial. Der Inhalt kann längst nicht mehr mithal­ten mit der Dring­lich­keit, in der die Schlag­zeile formu­liert wird. Wer aber immer öfter Lärm um nichts macht, wird nicht Nutzer gewin­nen, sondern verlie­ren. Die para­doxe Folge einer aufmerk­sam­keits­ori­en­tier­ten Publi­zis­tik ist deshalb der Verlust an Aufmerksamkeit. 

Ein kriti­scher Medi­en­jour­na­lis­mus legt diese Mecha­nis­men offen. Und sorgt dafür, dass die Menschen, die guten Jour­na­lis­mus machen, eine Platt­form erhal­ten. Neben den ökono­mi­schen Rahmen­be­din­gun­gen, die den Jour­na­lis­mus stär­ker formen und prägen, als es ihm selbst lieb sein darf, ist das der zweite wich­tige Punkt, den Medi­en­jour­na­lis­mus leis­tet. Jour­na­lis­mus ist kein seelen­lo­ser Schein­wer­fer, keine mecha­ni­sche Infra­struk­tur der Demo­kra­tie. Jour­na­lis­mus ist immer das Resul­tat leiden­schaft­li­cher Arbeit von Menschen. Sich um sie zu kümmern, ist die zweite Aufgabe des Medienjournalismus. 

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