716 Milliarden Franken nachhaltig verwalteter Gelder erfasste die Marktstudie Swiss Sustainable Finance (SSF) 2018 für den Schweizer Markt. Dies entspricht einer Zunahme um 83 Prozent gegenüber dem Vorjahr. «Ich gehe davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzen und die Volumen weiter markant zunehmen werden», sagt Sabine Döbeli, Geschäftsleiterin von SSF. «Ein grosser Teil des Anstiegs stammt von institutionellen Investoren, die erst in jüngster Zeit nachhaltige Anlageansätze implementiert haben.» 88 Prozent der nachhaltigen Anlagen tätigten institutionelle Anleger wie Pensionskassen oder Versicherer, 12 Prozent Private. Auch im direkten Kundenkontakt spürt Gerhard Wagner, wie das Thema an Bedeutung gewinnt. Der Senior Portfolio Manager für Nachhaltige Anlagen bei der Zürcher Kantonalbank ZKB stellt deutlich mehr Anfragen von Kundinnen und Kunden bezüglich der nachhaltigen Anlagen fest. Dabei fällt besonders das Interesse von Pensionskassen auf. «Das war in meiner Wahrnehmung vor wenigen Jahren noch ganz anders», sagt er. Die ZKB hat das Thema früh aufgegriffen. 1996 begann sie mit ihren Analysearbeiten. Zwei Jahre später bot sie nachhaltige Anlagen an. In den explizit nachhaltigen Produktlinien «Responsible and Sustainable» verwaltet die ZKB heute acht Milliarden Franken.
Ausschliessen oder verändern
Für eine nachhaltige Anlagestrategie gibt es heute verschiedene Ansätze. «Bei allen Kundengeldern wenden wir ‹Engagement› an», sagt Wagner. «Das heisst, wir nehmen unsere Verantwortung wahr und stimmen ab. Sehen wir in einem Unternehmen Handlungsbedarf, suchen wir den Dialog mit dem Management.» Weiter wendet die ZKB die ESG-Integration bei allen aktiv verwalteten Fonds an – ein Fonds, bei dem ein Fondsmanager Titel gezielt auswählt. ESG steht für Environmental, Social and Governance – Umwelt- und Sozialaspekte sowie Grundsätze der Unternehmensführung. Bei diesem Ansatz spielen bei Anlageentscheiden auch ESG-Kriterien eine Rolle. Dies ist gemäss der Studie von SSF der am weitest verbreitete Ansatz. Dennoch ist er gemäss Sabine Döbeli nicht besonders einfach umzusetzen. Denn er bedingt, dass alle Analysten Nachhaltigkeitsinformationen nutzen. Entsprechend müssen sie ausgebildet sein. Sein Vorteil ist, dass er einfacher in bestehende Anlagestrategien integriert werden kann. «Er schränkt das Universum nicht ein, in das investiert wird», sagt Sabine Döbeli. Auch wenn medial besonders das Umweltthema diskutiert wird, spielen alle drei Faktoren eine wichtige Rolle. «Gute Governance ist oft die Voraussetzung, um Umwelt- und Sozialaspekte gezielt zu verbessern», sagt Sabine Döbeli.
Unterschiedliche Wirkung
Eine Vereinheitlichung der verschiedenen Ansätze erachtet Sabine Döbeli nicht als sinnvoll. «Die verschiedenen Ansätze sind auf unterschiedliche Ziele ausgerichtet und sie eignen sich für unterschiedliche Situationen und Anleger.» Die verschiedenen Ansätze haben verschiedene Vorteile. Ein Ausschlussansatz ist einfacher zu kommunizieren. Bei diesem verzichtet ein Investor auf Anlagen bestimmter Unternehmen oder Industrien, bspw. auf Kohleindustrie. Ein Engagement-Ansatz kann dagegen komplexer zu kommunizieren sein, weil man auch in Unternehmen investiert bleibt, die auf den ersten Blick kaum mit einer Nachhaltigkeitsstrategie in Verbindung gebracht werden. Der Ansatz zielt jedoch darauf ab, diese Unternehmen durch Einflussnahme nachhaltiger zu machen. Der Engagement-Ansatz ist heute der einzige, für den es bereits wissenschaftliche Studien gibt, die eine direkte Wirkung belegen. Für andere Ansätze gibt es zwar Hinweise, dass auch solche Anlageformen eine Wirkung haben, sie ist aber nicht quantitativ belegt. Sabine Döbeli sagt: «Generell ist es schwierig, bei Investitionen in an der Börse gehandelte Wertpapiere eine direkte Wirkung bezüglich Klimaziele zu messen und zu belegen.» Die Frage der Effektivität nachhaltiger Anlagen ist auch für die ZKB eine zentrale. «Es gibt keine quantitative aussagekräftige Kennzahl, wie viel ein Unternehmen beiträgt, um Nachhaltigkeitsziele zu erreichen», sagt Wagner. Bei der Produktlinie Sustainable fasst die ZKB deswegen auf Firmenprofilen zusammen, was der Beitrag eines Unternehmens ist, um die 17-UN Entwicklungsziele zu erreichen.
17 Ziele für eine bessere Welt
In wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Hinsicht hat die UNO 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung definiert, die Sustainable Development Goals SDG. An diesen Zielen orientiert sich auch Forma Futura. Die unabhängige Vermögensverwalterin investiert verantwortungsbewusst. Dabei steht Substanzerhalt im Fokus. «Nicht nur Ökologie», sagt Gründungspartner und Finanzchef Christian Kobler. «Die Herausforderung ist letztlich, wie wir auf der Erde friedlich koexistieren und die Substanz des sozialen Miteinanders erhalten können. Denn die Auswirkungen des Klimawandels werden auch zu grossen Migrationsbewegungen führen. Diese werden kulturelle und soziale Implikationen haben. Substanzverlust bei Ressourcen fördert zudem Verteilkämpfe.» Seit 2006 legt Forma Futura in nachhaltige Anlagen an. Und auch bei ihnen steigt die Nachfrage. «Wir spüren einen Zulauf von anspruchsvollen Kunden, denen unsere langjährige Erfahrung in diesem Gebiet wichtig ist», sagt Kobler. Nachhaltig Anlegen ist heute en vogue. Der Boom bringt auch Mainstream mit sich. Um dem Anspruch an nachhaltige Anlagen gerecht zu werden wendet Forma Futura ein mehrstufiges Auswahlverfahren an: Forma Futura investiert in Anlagen, die nachhaltige Lebensqualität fördern und sie für kommende Generationen erhält. Natürlich spielen auch die traditionelle Finanzanalyse und professionelles Portfoliomanagement eine entscheidende Rolle. «Wir erzielen eine marktgerechte Rendite», sagt Christian Kobler.
Rendite muss stimmen
Dass die Rendite stimmen muss war auch Reto Ringger von Anfang an klar. «Das Thema Nachhaltigkeit hat mich schon immer interessiert», sagt er. Insbesondere die Klimakonferenz von Rio 1992 hat in geprägt. Und so gründete er 1995 mit 28 Jahren den weltweit ersten Vermögensverwalter für nachhaltige Anlagen – SAM Sustainable Asset Management. Das Investitionskapital war relativ schnell gefunden, ebenso wie Mitarbeitende. Die Herausforderung lag darin, Kundinnen und Kunden von der Idee nachhaltiger Anlagen zu überzeugen. «Eigentlich waren wir zu früh», sagt der heutige CEO. «Niemand verstand damals unseren Ansatz.» So entstand die Idee, den Dow Jones Sustainability Index zu entwickeln. «Wir sagten uns, im Finanzumfeld kennen alle einen Index», sagt Reto Ringger. Damit würde sich das Konzept einfacher erklären lassen. Allerdings brauchte es bei Dow Jones mehrere Anläufe, bis 1999 die richtige Person mit dem richtigen Argument überzeugt war. Nach dem erfolgreichen Verkauf von SAM an Robeco im Jahr 2009 gründete Reto Ringger die Globalance Bank. Das Konzept von Globalance beruht nicht auf einem der klassischen Verfahren wie Ausschluss oder best-in-class. Globalance wendet einen eigenen Ansatz an. Entscheidend ist, dass eine Firma mit einer zukunftsfähigen Technologie einen positiven Footprint für Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt erzielt.
Thema ist akzeptiert
Reto Ringger erklärt den Ansatz am Beispiel der Automobilindustrie: «Wir wenden nicht den Best-in-class-Ansatz an und investieren in das am besten bewertete Autounternehmen bezüglich Nachhaltigkeit. Wir überlegen uns, wie sieht die Mobilität von morgen aus, welche Technologien und Komponenten braucht es dafür und welche Unternehmen sind führend dabei. In solche Unternehmen investieren wir. Das sind beispielsweise Hersteller von Batterie- und Sensortechnologie.» Die anfänglichen Widerstände gegen nachhaltige-Anlagen-Ansatz seien überwunden. Heute sei das Thema akzeptiert, ja sogar gesucht. Gerade bei der jungen Generation ist Nachhaltigkeit Voraussetzung. Sie würden in kein Portfolio investieren, das nicht entsprechende Kriterien berücksichtigt. Aber wichtig ist Reto Ringger: «Es gibt ganz viele Chancen. Unsere Welt verändert sich immer schneller und mit Technologien und Dienstleistungen, die unsere Zukunftsfähigkeit sicherstellen gibt es sehr viele Opportunitäten, natürlich mit entsprechender Rendite.»
Nachhaltigkeit generiert Rendite
Etwas anderes würde von den Kunden auch nicht akzeptiert, sind sich alle einig. «Mit ganz wenigen Ausnahmen sind unsere Kunden nicht bereit auf Performance zu verzichten», sagt Gerhard Wagner von der ZKB. «Müssen sie aber auch nicht.» Für ihn ist klar, dass eine wettbewerbsfähige Performance eine notwendige Bedingung ist, damit nachhaltige Anlagen nachgefragt werden. Sabine Döbeli verweist auf zahlreiche wissenschaftliche und praktische Studien, die belegen, dass die Berücksichtigung von ESG-Faktoren das Rendite-Risiko-Profil von Anlagen verbessert. Dies gilt für verschiedene Assetklassen und auch für verschiedene Regionen. Wenn nachhaltige Fonds unterdurchschnittlich performten, lag dies gemäss Wagner häufig an der fehlenden Diversifikation. Nachhaltige Umweltfonds enthielten früher ein Übergewicht deutschsprachiger Umweltunternehmen – und wenn der US-Markt überperformte, entstand ein Unterschied.
Stiftungen in der Verantwortung
Auch bei Stiftungen gewinnt das Thema an Bedeutung, beobachtet Christian Kobler: «Als wir gestartet sind, hatten wir noch keine Stiftungen als Kunden. Unterdessen ist es für uns eine wichtige Kundengruppe geworden, welche ihre Verantwortung für das von Stiftern und Spendern anvertraute Vermögen wahrnehmen möchten.» Sabine Döbeli sieht das Potenzial. So sind Stiftungen erst für ein Prozent der Volumen verantwortlich, welche die Markstudie von SFF erfasst. Mit der steigenden Erwartung seitens der Gesellschaft, aktiv zur Erreichung der Klimaziele beizutragen, dürfte sich der Druck auf gemeinnützige Stiftungen erhöhen, schätzt Sabine Döbeli: «Als steuerbefreite Organisationen tragen sie eine besondere Verantwortung, zur Erreichung gesellschaftlicher Ziele beizutragen. Dies ist auch im SwissFoundations Code entsprechend formuliert. «Alles, was eine Stiftung tut, gehört zusammen. Ihre Aktivitäten – Fördertätigkeit und Vermögensbewirtschaftung – bündeln sich zu einer Gesamtwirkung. Aus diesen Gründen darf sie sich nicht nur auf Vermögenserhalt und Rendite ausrichten, sondern muss auch weitere Wirkungen anstreben. Dazu dienen vor allem zweckbezogene Investitionen und nachhaltige Investitionen.»