Sophie Achermann, Geschäftsführerin Public Discourse Foundation, Bild: Yoshiko Kusano

Public Discourse Foun­da­tion: Kommen­tare bei Medi­en­ar­ti­keln sind für die Demo­kra­tie unabdingbar

Die Geschäftsführerin der Public Discourse Foundation Sophie Achermann spicht über die Bedeutung der Kommentarfunktion bei Medienartikeln, den Ressourcenbedarf und die Verantwortung: In der Schweiz haftet die Chefredaktion juristisch für die Kommentare.

Welche Bedeu­tung haben Kommen­tare bei Medi­en­ar­ti­keln im Zeit­al­ter von Social Media für Medientitel?

Spätes­tens seit der Einfüh­rung von Social Media erwar­tet die Gesell­schaft von den Medien die Bereit­stel­lung eines Diskurs­raums. Kommen­tar­funk­tio­nen ermög­li­chen es den Leser:innen, auf Inhalte zu reagie­ren, eigene Meinun­gen und Exper­tise einzu­brin­gen und mitein­an­der zu diskutieren.

Für Medi­en­ti­tel sind Kommen­tare ein wert­vol­les Instru­ment zur Leser­bin­dung, für Feed­backs und zur Stei­ge­rung von «Enga­ge­ment». Sie stel­len jedoch auch eine Heraus­for­de­rung dar, da Mode­ra­tion nötig ist, um Hass­in­halte einzu­däm­men und Diskus­sio­nen zu fördern.

Die Mode­ra­tion der Kommen­tare bedarf zusätz­li­che Ressour­cen, die psychi­sche Belas­tung der Mode­ra­ti­ons­teams ist erheb­lich und die Gefahr, die Repu­ta­tion und damit Leser:innen bei einer unzu­rei­chen­den Mode­ra­tion zu verlie­ren, ist gross.

Sophie Acher­mann, Geschäfts­füh­re­rin Public Discourse Foundation

Zurzeit durch­lau­fen Medi­en­ti­tel umfang­rei­che Umstruk­tu­rie­run­gen und haben mit gerin­ge­ren finan­zi­el­len Mitteln und weni­ger Perso­nal zu kämp­fen. Die Mode­ra­tion der Kommen­tare bedarf zusätz­li­che Ressour­cen, die psychi­sche Belas­tung der Mode­ra­ti­ons­teams ist erheb­lich und die Gefahr, die Repu­ta­tion und damit Leser:innen bei einer unzu­rei­chen­den Mode­ra­tion zu verlie­ren, ist gross.

Die Public Discourse Foun­da­tion steht den Medien mit wissen­schaft­li­cher Exper­tise und evidenz­ba­sier­ten Stra­te­gien zur Inhalts­mo­de­ra­tion zur Seite, damit Mode­ra­ti­ons­teams entlas­tet und ein gewalt­freier Diskurs geför­dert werden kann.

Wie hat sich der Stil der Kommen­tare in den vergan­ge­nen Jahren verändert?

Schwei­zer Medien haben den Kommen­ta­ren in den letz­ten Jahren mehr Aufmerk­sam­keit gewid­met und die Mode­ra­tion verstärkt. Vor allem mit Blick auf Social Media sehen wir grosse Bemü­hun­gen seitens vieler Medien in der Schweiz.

Im Vergleich zu den letz­ten Jahren wird weni­ger Hass publi­ziert, auch wenn nicht unbe­dingt weni­ger solche Kommen­tare verfasst werden.

Wie können Medien Hate Speech in ihren Kommen­ta­ren verhin­dern oder zumin­dest eindämmen?

Zuerst braucht es eine klare Defi­ni­tion, was als Hass­rede defi­niert wird und welche Haus­re­geln (soge­nannte «Neti­quet­ten») gelten. Dann ist ein wich­ti­ger Grund­satz, Kommen­tare zu lesen, bevor man sie veröf­fent­licht. Dabei können daten­ba­sierte Algo­rith­men helfen, Hass­nach­rich­ten zu entde­cken, bevor sie online sind. So wird sicher­ge­stellt, dass keine Hass­rede veröf­fent­licht wird und Mode­ra­ti­ons­teams werden entlas­tet, da sie so weni­ger belas­ten­den Kommen­ta­ren ausge­setzt werden.

Zuerst braucht es eine klare Defi­ni­tion, was als Hass­rede defi­niert wird und welche Haus­re­geln gelten.

Sophie Acher­mann

Dies löst aber das Problem nicht, dass online Diskus­sio­nen zu häufig wenig konstruk­tiv geführt werden. Hier versu­chen wir zusam­men mit unse­ren Medienpartner:innen und der ETH Zürich heraus­zu­fin­den, wie sich die Diskus­si­ons­kul­tur verbes­sern lässt.

Weshalb ist es für Medien wich­tig, gegen Hate Speech vorzugehen?

Einer­seits ist die Veröf­fent­li­chung von Hass­rede mit einem gros­sen Repu­ta­ti­ons­ri­siko verbun­den, ander­seits haftet in der Schweiz – im Gegen­satz zu Social Media Platt­for­men – auch die Chef­re­dak­tion juris­tisch für alle Kommen­tare, die publi­ziert werden.

Doch auch die Gesell­schaft ist betrof­fen: Hass­rede trifft meist die vulnerabels­ten Perso­nen. Sie grenzt Menschen aus dem Diskurs aus, verhin­dert Meinungs­viel­fallt und unter­gräbt die Demo­kra­tie. Es ist die Aufgabe aller in unse­rer Gesell­schaft, sich gegen Hass­rede einzu­set­zen. Das betrifft die Medien genauso, wie uns Bürger:innen.

Gab es Hate Speech vor dem Inter­net auch in der analo­gen Welt?

Sicher: Mark Zucker­berg hat Hass­rede nicht erfun­den, als er Face­book grün­dete. Auch vorher gab es diese bereits. Sie kann sich im digi­ta­len Zeit­al­ter aber viel schnel­ler und weiter verbrei­ten und damit auch grös­se­ren Scha­den anrichten.

Es ist die Aufgabe aller in unse­rer Gesell­schaft, sich gegen Hass­rede einzusetzen.

Sophie Acher­mann

Wäre es nicht besser, Medien würden ganz auf Kommen­tare verzichten?

Und den Diskus­si­ons­raum komplett Social Media über­las­sen? Wir sind froh, dass die hiesi­gen Medien den Aufwand nicht scheuen und Diskurs auch auf (mode­rier­ten) Schwei­zer Platt­for­men statt­fin­den darf. Das ist für unsere Demo­kra­tie unab­ding­bar. Und dabei unter­stüt­zen wir sie gerne.

Kann ein Medium seine Commu­nity erziehen?

Wir haben gerade zwei Projekte durch­ge­führt mit gros­sen Online­me­dien, die aufzei­gen, dass sich Commu­ni­ties und insbe­son­dere Menschen, die sich häufig und arg im Ton vergrei­fen, durch gezielte Mass­nah­men ihr Verhal­ten anpas­sen. Diese ersten Ergeb­nisse stim­men uns sehr opti­mis­tisch, dass durch Mode­ra­ti­ons­prä­senz und geziel­tes Feed­back die Diskus­si­ons­kul­tur nach­hal­tig gestärkt werden kann.

Sie arbei­ten mit Part­ner­me­dien im ganzen DACH-Raum. Gibt es Unter­schiede zwischen den drei Natio­nen in Bezug auf Hate Speech?

Wie oben beschrie­ben haftet in der Schweiz die Chef­re­dak­tion juris­tisch für die Kommen­tare. Dies bedingt, dass Schwei­zer Medien stren­ger mode­rie­ren und bis zu 50 Prozent aller einge­reich­ten Kommen­tare nicht veröf­fent­li­chen. Unser Part­ner­me­dium in Deutsch­land (Der Spie­gel) löscht rund 10–15 Prozent und der Stan­dard in Öster­reich 3 Prozent.

Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, zu verste­hen, wie online Diskus­si­ons­räume zu gestal­ten sind, damit sich eine gute Diskus­si­ons­kul­tur entfal­ten kann. Mit dem Ziel, ohne viele Kommen­tare löschen zu müssen, hass­freie Diskus­sio­nen zu ermög­li­chen, an denen möglichst viele Menschen teilnehmen.

StiftungSchweiz engagiert sich für eine Philanthropie, die mit möglichst wenig Aufwand viel bewirkt, für alle sichtbar und erlebbar ist und Freude bereitet.

Folgen Sie StiftungSchweiz auf

-
-