Hohe Fallzahlen und die Berichte Betroffener haben die Stiftung Pro Mente Sana dazu bewogen, konkrete Forderungen zur qualitativen Verbesserung der Praxis bei fürsorgerischen Unterbringungen (FU) zu formulieren. Diese Forderungen sollen sicherstellen, «dass eine FU, die im Sinne des Gesetzes gerechtfertigt ist und kompetent angeordnet wurde, tatsächlich mit einer ‹fürsorgerischen› Haltung umgesetzt wird», schreibt Pro Mente Sana. Die Stiftung vertritt die Interessen von psychisch beeinträchtigten Menschen.
Hohe Fallzahlen
Mit FU wird die Unterbringung einer Person gegen ihren Willen bspw. in einer psychiatrischen Klinik genannt. Obschon dieses Mittel vom Gesetz her nur als letztes Mittel vorgesehen sei, werde es viel zu häufig ausgesprochen, kritisiert die Stiftung. Im Vergleich zur EU weise die Schweiz eine überdurchschnittlich hohe FU-Rate auf. Ausserdem stellt Pro Mente Sana grosse kantonale Unterschiede fest, was auf eine unterschiedliche Handhabe hinweise. Während die Rate im Kanton Appenzell Innerhoden bei 0,72 FU pro 100’000 Einwohner:innen liegt sind es im Kanton Schaffhausen 2,18. Gesamtschweizerisch beträgt der Durchschnitt 1,8 FU pro 100’000 Einwohner:innen. Über 40 Anordnungen werden pro Tag in der Schweiz ausgesprochen. Pro Jahr sind dies fast 16’000 unfreiwillige Einweisungen.
Konkrete Forderungen
Vor diesem Hintergrund fordert die Stiftung eine rechtebasierte Praxis und eine Reduktion der Fälle. Dazu hat Pro Mente Sana in einem Positionspapier konkrete Forderungen formuliert. Diese verlangen, dass der FU effektiv nur als letzte Massnahme zur Anwendung kommt, wenn es keine Alternativen gibt. Auch die Qualifikation der Fachpersonen, welche einen FU veranlassen können, müsse zwingend zertifiziert sein. Ein FU müsse immer nach dem Vier-Augen-Prinzip erfolgen. Die betroffene Person sei über ihre Rechte aufzuklären und müsse rechtliches Gehör erhalten. Ausserdem soll eine Nachbesprechung jedes Falls Pflicht sein. Entstanden ist das Positionspapier in Zusammenarbeit von Juristin:innen, Psychiatriefachpersonen, Politik- und Gesundheitswissenschaftler:innen sowie Betroffenenvertreter:innen.
Das Positionspapier von Pro Mente Sana
Die Datenbasis des Schweizerischen Gesundheitsobservatorium (Obsan)