Elisa Bortoluzzi Dubach, Bild: zVg

Priva­tes Mäze­na­ten­tum zeigt sich resilient

Elisa Bortoluzzi Dubach ist Beraterin für Sponsoring, Stiftungen und Mäzenatentum und Dozentin an internationalen Universitäten und Fachhochschulen. Sie sagt, wie sich die aktuellen unsicheren Rahmenbedingungen auf das Engagement von Mäzen:innen auswirken und worauf es beim Major Donor Fundraising ankommt.

Die wirt­schaft­li­che Lage ist heute von Unsi­cher­heit geprägt, an den Börsen gehen Vermö­gen verlo­ren – wie resis­tent ist priva­tes Mäze­na­ten­tum gegen­über solchen Entwicklungen?

Elisa Borto­luzzi Dubach: Ich finde es bemer­kens­wert, wie oft sich priva­tes Mäze­na­ten­tum in ökono­mi­schen Krisen und vor allem bei Börsen­schwan­kun­gen resi­li­ent zeigt. Der Grund ist wohl, dass grös­sere Vermö­gen – wie die der meis­ten Mäzen:innen – eher krisen­re­sis­tent sind. Die Anla­gen können leich­ter diver­si­fi­ziert und lang­fris­tige Ziele verfolgt werden, und das macht sie weni­ger abhän­gig von kurz­fris­ti­gen ökono­mi­schen Schwan­kun­gen. Aber wirt­schaft­li­che Unsi­cher­heit kann sich gene­rell natür­lich auch auf die Prio­ri­tä­ten und Stra­te­gien von Mäze­na­ten­tum auswir­ken, zum Beispiel eine Verschie­bung hin zu loka­len oder weni­ger riskan­ten Projek­ten bewir­ken. Lang­fris­tige Planung der Zusam­men­ar­beit zwischen Antragsteller:innen und ihren Mäzen:innen hilft, solche Situa­tio­nen besser zu über­ste­hen, und persön­li­ches Enga­ge­ment sorgt dafür, dass viele ihre Unter­stüt­zung trotz finan­zi­el­ler Heraus­for­de­run­gen fortsetzen.

Mäzene sind keine Lücken­büs­ser für fehlende Subventionen. 

Elisa Borto­luzzi Dubach

Staat­li­che Enga­ge­ments verän­dern sich. Auch die Schweiz kürzt Entwick­lungs­hilfe. Wie reagie­ren Mäzen:innen auf solche Veränderungen?

Die Reak­tio­nen sind unter­schied­lich: Einige sehen es als Gele­gen­heit, gezielt dort einzu­sprin­gen, wo staat­li­che Mittel fehlen, und lenken ihre Unter­stüt­zung stra­te­gisch in diese Rich­tung. Doch werden sie den Staat in der Entwick­lungs­hilfe nie erset­zen können, denn ihre Unter­stüt­zung kann einfach nicht den Umfang und die Stabi­li­tät von öffent­li­chen Geldern errei­chen. Ausser­dem sind nicht alle Mäzen:innen daran inter­es­siert, Projekte in diesem Bereich zu fördern. Und selbst wenn sie sich an Entwick­lungs­pro­jek­ten betei­li­gen, decken sich ihre Prio­ri­tä­ten mögli­cher­weise nicht immer mit den vorran­gi­gen Bedürf­nis­sen der loka­len Gemein­schaf­ten. Die Staa­ten müssen daher weiter­hin zur Entwick­lungs­hilfe beitra­gen, damit Konti­nui­tät und Plan­bar­keit erhal­ten bleiben.

Verstär­ken sie ihre Enga­ge­ments oder verla­gern sie gar ihre Schwer­punkte als Reaktion?

Ob Mäzen:innen ihre Schwer­punkte verla­gern, um gezielt Projekte zu unter­stüt­zen, die von den Kürzun­gen beson­ders betrof­fen sind, hängt stark vom spezi­fi­schen Bereich ab. Sollte die Poli­tik beispiels­weise Spar­mass­nah­men im Bildungs- und Forschungs­be­reich beschlies­sen, ist damit zu rech­nen, dass vermö­gende Mäzen:innen einsprin­gen, um den Fach­kräf­te­man­gel abzu­fe­dern und die Inno­va­ti­ons­för­de­rung zu unter­stüt­zen, auch wenn ihre Unter­stüt­zung allfäl­lige Kürzun­gen der öffent­li­chen Hand bei weitem nicht kompen­sie­ren, sondern nur abmil­dern kann. Mäzene sind keine Lücken­büs­ser für fehlende Subven­tio­nen. Sie sind viel­mehr Inno­va­ti­ons­för­de­rer, die schnell entschei­den, Risi­ko­ka­pi­tal, Kompe­ten­zen und Infra­struk­tu­ren zügig und direkt zur Verfü­gung stel­len können.

Wie soll­ten Orga­ni­sa­tio­nen, die Unter­stüt­zung aus dem priva­ten Mäze­na­ten­tum suchen, heute auf die allge­mei­nen Rahmen­be­din­gun­gen reagieren?

Orga­ni­sa­tio­nen soll­ten zunächst ihre Infor­ma­ti­ons­da­ten­ban­ken opti­mie­ren, um über eine solide Grund­lage für die Anspra­che poten­zi­el­ler Phil­an­thro­pen zu verfü­gen. Danach soll­ten sie gezielt Mäzene iden­ti­fi­zie­ren, perso­na­li­sierte Kommu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gien entwi­ckeln, ihre Bekannt­heit stei­gern und Netz­werke pfle­gen. Der Aufbau von Bekannt­heit und Repu­ta­tion im Bereich des Mäze­na­ten­tums ist zentral. Dies kann durch Öffent­lich­keits­ar­beit, gezielte Kampa­gnen oder die Teil­nahme an rele­van­ten Veran­stal­tun­gen erreicht werden. 

Ein sehr wich­ti­ger Aspekt ist ein flexi­bler und intel­li­gen­ter Finan­zie­rungs­plan, zusam­men mit einem sorg­fäl­ti­gen Kontroll­sys­tem für die Zahlen. 

Die Pflege von Netz­wer­ken und die Inves­ti­tion in Bezie­hun­gen zu bestehen­den Förde­rern ist von unschätz­ba­rem Wert. Regel­mäs­si­ger Kontakt, Dank­bar­keit und Updates zur Projekt­ar­beit stär­ken die Bindung. Es ist wich­tig, inno­va­tive Formen der Kommu­ni­ka­tion in Betracht zu ziehen, in den neuen Tech­no­lo­gien und KI zu inves­tie­ren und lang­fris­tige Part­ner­schaf­ten aufzu­bauen, um die Stabi­li­tät und Konti­nui­tät der Orga­ni­sa­tion zu sichern. Trans­pa­renz und Vertrauen spie­len hier­bei eine zentrale Rolle. Ein sehr wich­ti­ger Aspekt ist ein flexi­bler und intel­li­gen­ter Finan­zie­rungs­plan, zusam­men mit einem sorg­fäl­ti­gen Kontroll­sys­tem für die Zahlen. Die Diver­si­fi­zie­rung der Finan­zie­rungs­quel­len kann zusätz­lich Risi­ken mini­mie­ren und die wirt­schaft­li­che Grund­lage der Orga­ni­sa­tion stärken.

Enga­gie­ren sich Mäzen:innen eher indi­vi­du­ell oder agie­ren sie mitein­an­der in einem Netzwerk?

Meist ziehen sie indi­vi­du­el­les Enga­ge­ment vor, denn so können sie eigen­stän­dige Entschei­dun­gen tref­fen und sich persön­lich in die geför­der­ten Projekte einbrin­gen. Diese direkte Einfluss­nahme erzeugt einfach stär­kere Motivation.

Gleich­zei­tig entste­hen immer mehr Netz­werke von Mäzen:innen, denn bei den gros­sen globa­len Heraus­for­de­run­gen in Berei­chen wie Klima­wan­del, Gesund­heit, Krieg und Vertei­di­gung der Demo­kra­tie ist der Austausch von Infor­ma­tio­nen, Kompe­ten­zen und Ressour­cen beson­ders wich­tig. Diese Probleme können ohne eine Bünde­lung der Kräfte und weit vernetzte Zusam­men­ar­beit nicht adäquat ange­gan­gen werden.

Netz­werke haben eine grös­sere Wirkung und können inno­va­tive Lösun­gen erar­bei­ten und umset­zen, die Einzel­per­so­nen nicht so leicht gelin­gen würden.

Netz­werke haben eine grös­sere Wirkung und können inno­va­tive Lösun­gen erar­bei­ten und umset­zen, die Einzel­per­so­nen nicht so leicht gelin­gen würden. Auf globa­ler Ebene bewir­ken sie einfach viel effek­ti­ver einen Wandel, und daher wird ein gemein­schaft­li­ches, vernetz­tes Handeln im Mäze­na­ten­tum immer relevanter.

Sie geben Weiter­bil­dun­gen zum Thema Erfolg­rei­che Zusam­men­ar­beit mit Mäzen:innen und Philanthrop:innen. Ist Major Donor Fund­rai­sing mehr als das Netzwerk?

Major Donor Fund­rai­sing geht über den Aufbau eines Netz­werks hinaus und ist viel­mehr eine stra­te­gi­sche Diszi­plin im Fund­rai­sing, die darauf abzielt, wohl­ha­bende Spender:innen zu iden­ti­fi­zie­ren, einzu­bin­den und zu betreuen. Die Planung, die Instru­mente und die Entwick­lung von Spür­sinn in diesem Bereich sind erlern- und trai­nier­bar: Genau diese stra­te­gi­schen Ansätze und Best Prac­ti­ces stehen im Zentrum unse­res Semi­nars am 18. Septem­ber im Kunst­haus Zürich. Das eintä­gige Praxis­se­mi­nar vermit­telt einen umfas­sen­den Über­blick zur Phil­an­thro­pie und liefert Zahlen, Fakten sowie aktu­elle Infor­ma­tio­nen zu natio­na­len und inter­na­tio­na­len Akteur:innen. Es bietet konkrete Hinweise zur Psycho­lo­gie von Mäzen:innen und Philanthrop:innen, Anlei­tun­gen zur Iden­ti­fi­zie­rung und Kontakt­auf­nahme sowie zur Bezie­hungs­pflege. Metho­den, Infor­ma­ti­ons­quel­len und prak­ti­sche Instru­mente für eine erfolg­rei­che Zusam­men­ar­beit werden vorge­stellt und anhand von Beispie­len aus der Praxis vertieft.

Priva­tes Mäze­na­ten­tum ist in bestimm­ten Berei­chen weni­ger geeig­net. Dazu gehö­ren vor allem jene Kern­auf­ga­ben, die vom Staat garan­tiert werden sollten.

Gibt es Themen oder Orga­ni­sa­tio­nen, für die Mäzene als Förder­part­ner eher – oder gar nicht – in Frage kommen?

Priva­tes Mäze­na­ten­tum ist in bestimm­ten Berei­chen weni­ger geeig­net. Dazu gehö­ren vor allem jene Kern­auf­ga­ben, die vom Staat garan­tiert werden soll­ten, wie bspw. die Grund­bil­dung, die Neutra­li­tät der Schu­len, die Grund­ver­sor­gung im Gesund­heits­sys­tem. Jede Form von Mäze­na­ten­tum, die demo­kra­ti­sche Werte gefähr­den oder Ungleich­hei­ten verstär­ken könnte, birgt Risi­ken. Darüber hinaus haben Orga­ni­sa­tio­nen, die als kontro­vers gelten oder deren Ziele nicht klar defi­niert sind, Schwie­rig­kei­ten, Mäzene zu gewin­nen. Auch Projekte mit einem hohen Risiko oder einer gerin­gen Trans­pa­renz könn­ten weni­ger attrak­tiv sein. Mäze­na­ten­tum muss daher verant­wor­tungs­be­wusst und mit Blick auf gesell­schaft­li­che Werte sowie das Allge­mein­wohl ausge­übt werden, um unge­wollte nega­tive Einflüsse zu vermeiden.


Dr. Dr. Elisa Borto­luzzi Dubach ist Bera­te­rin für Spon­so­ring, Stif­tun­gen und Mäze­na­ten­tum und Dozen­tin an inter­na­tio­na­len Univer­si­tä­ten und Fach­hoch­schu­len. Sie verfasste zahl­rei­che Fach­bei­träge in Zeitun­gen, Zeit­schrif­ten und Kompen­dien. Sie ist Autorin verschie­de­ner Bücher in Bereich Spon­so­ring und Phil­an­thro­pie, wie z.B. «Stif­tun­gen – Der Leit­fa­den für Antrag­stel­ler» (Helbing Lich­ten­hahn Verlag, 3. Auflage), Co-Autorin mit Hans­ru­dolf Frey von «Spon­so­ring – der Leit­fa­den für die Praxis» (Haupt Verlag, 5. Aufl.), Mäze­n­in­nen-Denken-Handeln-Bewe­gen (Haupt Verlag, 2. Auflage), Co-Autorin mit Chiara Tino­nin von «Groß­zü­gig­keit im Dialog – Der Leit­fa­den für die Zusam­men­ar­beit mit Mäze­nen und Phil­an­thro­pen», Haupt Verlag. Zudem ist sie Mitglied verschie­de­ner natio­na­ler und inter­na­tio­na­ler Berufs­ver­bände (www.elisabortoluzzi.com).

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