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Organe spen­den heisst Leben retten

Die Stiftung Swisstransplant verzeichnete im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand bei den Organspenden und Transplantationen. Die Warteliste ist aber noch immer lang. Abhilfe schaffen soll nun die neue Widerspruchslösung.

2023 war für Swiss­trans­plant ein Rekord­jahr: 200 verstor­bene Menschen stell­ten ihre Organe zur Verfü­gung. Das sind 20 Prozent mehr als im Vorjahr und so viele wie noch nie. Mit 675 erreichte auch die Zahl der Empfänger:innen einen neuen Höchst­wert. «Good News» also für die Stif­tung, die in der Schweiz zustän­dig für die Zutei­lung der Spen­der­or­gane ist? 

Nicht ganz, rela­ti­viert der lang­jäh­rige Swiss­trans­plant-Geschäfts­füh­rer Franz Immer. Denn Ende 2023 warte­ten immer noch 1391 Perso­nen auf mindes­tens ein Spen­der­or­gan und 92 Perso­nen auf der Warte­liste sind im letz­ten Jahr verstor­ben – auch das sind so viele wie noch nie. Mit Abstand am meis­ten gefragt ist hier­zu­lande die Niere: Zwei Drit­tel der Patient:innen auf der Warte­liste von Swiss­trans­plant warten auf eine Spenderniere. 

Am drin­gends­ten benö­tigt wird jedoch die Leber: Denn ein Pati­ent mit einer Nieren­funk­ti­ons­stö­rung kann dank regel­mäs­si­ger Blut­wä­sche über­le­ben. Ein Mensch mit einer nicht funk­tio­nie­ren­den Leber hinge­gen stirbt. So star­ben im vergan­ge­nen Jahr 48 Menschen auf der Leber-Warte­liste. Hinge­gen sind drei Vier­tel der Leber- und Herzempfänger:innen zehn Jahre nach der Trans­plan­ta­tion noch am Leben und eine trans­plan­tierte Niere funk­tio­niert im Schnitt knapp 20 Jahre. 

Aufklä­rung ad hoc 

Die Zahl der Organspender:innen werde sich in den nächs­ten zwei Jahren wohl zwischen 180 bis 220 bewe­gen, meint Franz Immer. Den Anstieg im vergan­ge­nen Jahr erklärt der Swiss­trans­plant-Geschäfts­füh­rer einer­seits damit, dass immer mehr Spitä­ler die Organ­spende nicht nur nach einem Hirn­tod, sondern auch nach einem Tod durch Herz-Kreis­lauf-Still­stand durch­füh­ren: «Mitt­ler­weile macht das fast die Hälfte unse­rer Spen­der aus.» Ande­rer­seits kann die Stif­tung heute auf 160 Fach­per­so­nen auf Schwei­zer Inten­siv­sta­tio­nen zurück­grei­fen. Diese unter­stüt­zen Swiss­trans­plant bei der Erken­nung und Meldung von poten­zi­el­len Organspender:innen sowie bei der Betreu­ung und Aufklä­rung der Angehörigen. 

Laut Swiss­trans­plant befür­wor­ten zwar rund 80 Prozent der Schwei­zer Bevöl­ke­rung grund­sätz­lich die Organ­spende. Die tatsäch­li­che Ableh­nungs­rate liegt aber dennoch bei 58 Prozent. Das heisst, in 100 Gesprä­chen zu einer poten­zi­el­len Organ­spende wird diese in 58 Fällen abge­lehnt. Zum Vergleich: In Spanien, das als Welt­meis­ter in Sachen Organ­spen­den gilt, beträgt die Ableh­nungs­rate 15 Prozent. Die grosse Skep­sis in der Schweiz kommt unter ande­rem daher, dass hier – anders als in den meis­ten euro­päi­schen Ländern – heute noch die Zustim­mungs­lö­sung gilt: Stim­men poten­zi­elle Spender:innen oder deren Ange­hö­rige einer Organ­spende nicht ausdrück­lich zu, dürfen die Organe im Todes­fall nicht entnom­men werden. Ist der Wille des Verstor­be­nen nicht bekannt, entschei­den sich Ange­hö­rige mehr­heit­lich gegen Organ­spen­den. «Viele Menschen äussern sich zu Lebzei­ten nicht dazu, wie sie zum Thema Organ­spende stehen», sagt Franz Immer. «Stirbt dann jemand auf der Inten­siv­sta­tion, müssen sich die Ange­hö­ri­gen stell­ver­tre­tend für die verstor­bene Person entschei­den. Sie sind in dieser belas­ten­den Situa­tion mit einer solchen Entschei­dung über­for­dert, was dann meist zu einer Ableh­nung führt.» Auch Fehl­in­for­ma­tio­nen führen immer wieder dazu, dass sich jemand nicht als Organspender:in zur Verfü­gung stellt: So wissen beispiels­weise viele nicht, dass man bis ins hohe Alter Organe spen­den kann. Wer sich zu Lebzei­ten entschei­det, seine Organe nach seinem Tod zur Verfü­gung zu stel­len, tue dies haupt­säch­lich aus zwei Grün­den, so Franz Immer: «Die einen machen dies aus Soli­da­ri­tät, um ande­ren Menschen zu helfen. Die ande­ren regeln die Ange­le­gen­heit, um die Ange­hö­ri­gen zu entlas­ten.» Inter­es­san­ter­weise tue sich hier ein «Rösti­gra­ben» auf: Während in der West­schweiz der Soli­da­ri­täts­ge­danke über­wiegt, möch­ten die Deutsch­schwei­zer mit einem Organ­spen­der­aus­weis vor allem klare Verhält­nisse schaffen. 

Wider­spruchs­lö­sung wirkt

Im Mai 2022 sprach sich das Schwei­zer Stimm­volk mit gros­sem Mehr für einen Wech­sel zur erwei­ter­ten Wider­spruchs­lö­sung aus. Dieses Gesetz, das frühes­tens 2026 in Kraft treten wird, besagt, dass künf­tig jeder und jede grund­sätz­lich als Spen­der oder Spen­de­rin gilt, sofern er oder sie sich zu Lebzei­ten nicht ausdrück­lich gegen eine Organ­spende ausge­spro­chen hat. Franz Immer geht davon aus, dass sich nach dem Wech­sel zur erwei­ter­ten Wider­spruchs­lö­sung die Ableh­nungs­rate hier­zu­lande bei etwa 30 bis 35 Prozent einpen­deln werde, die Zahl der Organspender:innen sich also prak­tisch verdopple. Es werde aber immer Menschen geben, die grund­sätz­lich gegen die Organ­spende seien, so Franz Immer: «Da geht es um die Frage, ab welchem Zeit­punkt jemand wirk­lich tot ist. Auch der Wunsch nach körper­li­cher Unver­sehrt­heit spielt eine Rolle.» Teil­weise würden auch reli­giöse Gründe genannt. Dabei gebe es kaum eine Welt­re­li­gion, die sich gegen Organ­spen­den ausspre­che: «Im Gegen­teil: Das Organ­spen­den gilt im Katho­li­zis­mus und im Juden­tum als Akt der Nächstenliebe.» 

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