Wenn Sie Reisen planen: Was ist die grösste Herausforderung?
Spontane Reisen mit einer Mobilitätseinschränkung sind eine schwierige Angelegenheit. Verglichen mit Reisenden ohne Einschränkungen nimmt schon nur die Planung selbst viel Zeit in Anspruch. Meine grösste Herausforderung ist es jeweils, eine passende barrierefreie Unterkunft zu finden, die mir sowohl gefällt als auch gut gelegen ist. Ich bin mir sicher, dass es einige passende Angebote geben würde, doch Informationen bezüglich Zugänglichkeiten und Barrierefreiheit sind selten veröffentlicht. Dies schränkt das sowieso schon kleinere Angebot zusätzlich ein und erschwert mir als Reisender die autonome Planung. Herausfordernd ist zudem immer auch die Reise ans Ziel, vor allem mit meinem schweren Elektrorollstuhl.
Welche Unterstützung wünschen Sie sich von Tourismusunternehmen und ‑regionen?
Am meisten wünsche ich mir, dass sich Tourismusunternehmen über die Notwendigkeit von barrierefreien Angeboten bewusster werden und mehr von diesen schaffen. Denn mit barrierefreien Angeboten sprechen Destinationen eine enorm breite Zielgruppe an: Rollstuhlfahrer:innen, Familien mit Kinderwagen, Seniorinnen und Senioren, aber auch Menschen an Krücken oder mit Verletzungen. Das Reiseerlebnis von vielen Menschen würde somit verbessert werden.
Die Initiative wurde 2019 lanciert und nutzt seitdem ginto als Erfassungsplattform: Wie entstand die Plattform und später die OK:GO Initiative?
Mein Auslöser ginto zu initiieren, waren persönliche Erlebnisse: Ich unternehme viele Ausflüge und reise gerne. Ich merkte, dass ich froh wäre, wenn Informationen zur Zugänglichkeit von Angeboten öffentlich verfügbar wären. Als Ingenieur nahm ich mich diesem Problem gleich selbst an. Daraus ist ginto entstanden, die technische Plattform hinter der OK:GO Initiative.
Die OK:GO Initiative ist ein einfacher Einstieg in das grosse und wichtige Thema «Barrierefreiheit».
Julian Heeb
2016 bildete sich der Förderverein Barrierefreie Schweiz, ein Zusammenschluss aus Akteuren aus dem Tourismus und Behindertenorganisationen. Die Akteure merkten, dass der Tourismus eine einfache und kostengünstige Lösung braucht, welche den einzelnen Leistungsträger:innen das Thema «Barrierefreiheit» näher bringt: 2019 wurde mit diesem Gedanken OK:GO lanciert. Die OK:GO Initiative ist ein einfacher Einstieg in das grosse und wichtige Thema «Barrierefreiheit».
War das Thema während der Pandemie überhaupt aktuell, weil wenig bis gar nicht gereist wurde – oder war es gar aktueller, weil mit der Pandemie weitere Herausforderungen das Reisen erschwerten?
Ich glaube beides. Der Tourismus litt bekannterweise sehr unter der Pandemie und spätestens ab dem Lockdown wurde praktisch nicht mehr gereist. Da ist es verständlich, dass auf der einen Seite touristische Betriebe andere Probleme vor die Barrierefreiheit stellten. Auf der anderen Seite wurden Zugänglichkeitsinformationen auch nicht mehr so häufig benötigt, da das Reisen ja sowieso fast nicht möglich war. Nachdem der erste Schock verdaut war gab es aber auch viele Betriebe, die sich mit OK:GO vertraut machten. Ganz nach dem Motto: Jetzt haben wir ganz viel Zeit, uns damit zu befassen! Zudem konnten wir uns – das Projektteam hinter der Initiative – voll und ganz auf die Entwicklung der technischen Grundlagen konzentrieren. Das war super: Wir konnten uns sauber auf das wieder wachsende Reisefieber vorbereiten.
Ist es schwierig, an die Daten zu kommen, wie zugänglich ein Angebot ist?
Bis anhin war das in der Tat häufig ein mühsamer Prozess: Die Daten mussten aus verschiedenen Quellen zusammengesucht werden und waren sehr unterschiedlich erfasst. Vielfach war es deshalb nötig, die Betriebe direkt zu kontaktieren und anzufragen. Dies war zum einen für mich als Reisender ein Aufwand, zum anderen aber auch ein administrativer Aufwand für den Betrieb selbst. Oftmals sind detaillierte Informationen zu den Zugänglichkeiten nämlich nicht gleich zur Hand. Dem wirkt die OK:GO Initiative entgegen: Sie dient zum einen dem Reisenden in der Informationsbeschaffung, ist gleichzeitig aber auch eine Plattform für die Anbietenden, um ihre Informationen strukturiert zu sammeln.
Dank der Initiative kann eine Person mit Mobilitätseinschränkung detaillierte Informationen zur Zugänglichkeit abfragen.
Julian Heeb
Arbeiten Sie mit anderen Organisationen zusammen – gerade für Organisationen, die mit Menschen mit Mobilitätseinschränkungen arbeiten, dürften diese Informationen sehr wertvoll sein?
Es bestehen sehr viele wertvolle Partnerschaften zu anderen Organisationen. So sind bspw. Pro Infirmis, aber auch Procap oder die Cérébral Stiftung Teil des Fördervereins Barrierefreie Schweiz. In Zukunft ist geplant, die Kräfte noch stärker zu bündeln und die Plattform weiter zu professionalisieren.
Wie profitiert eine Person mit Mobilitätseinschränkungen am einfachsten von der Initiative, wenn sie eine Reise plant?
Dank der Initiative kann eine Person mit Mobilitätseinschränkung detaillierte Informationen zur Zugänglichkeit abfragen. Die Daten sind in einheitlicher, beschreibender Form erfasst, so dass jede und jeder selbst entscheiden kann, ob etwas für sie oder ihn zugänglich ist. Die Daten können bequem über die Webseiten der Tourismusbetriebe, sowie über die ginto App abgefragt werden. Zudem arbeiten wir intensiv an der Erstellung von Schnittstellen. Diese ermöglichen es bspw. Tourismusregionen, alle in ihrer Region mit OK:GO erfassten Angebote online an die Gäste zu tragen. Sie geben so den Reisenden einen inklusiveren Überblick über die Auswahl.