Bild: Theater Neumarkt Zürich

Neumarkt: Thea­ter im Wald

Das Theater Neumarkt führte in Kooperation mit der Gruppe «Back To Wollyhood» das Stück «wald» – ein interaktiver szenischer walk im Zürcher Stadtwald durch. Im Interview mit «Back To Wollyhood» geht es darum, weshalb sich das Team für diese besondere Kulisse entschieden hat und welche Bedeutung der Wald aus ihrer Sicht hat.

Warum das Thema Wald?

Für alle Mitglie­der unse­rer Gruppe «Back To Wolly­hood» hatte der Wald schon immer einen hohen Stel­len­wert. Er ist uns immer ein wich­ti­ger Bezugs­punkt geblie­ben, auch wenn uns der Berufs­all­tag als Thea­ter­schaf­fende oft davon abhält, viel Zeit im Wald zu verbrin­gen. Während der Pande­mie hat es uns dann wieder mehr in den Wald gezo­gen und so kamen wir auf die Idee, ein Projekt in und über diesen faszi­nie­ren­den Kosmos zu machen. Das Ökosys­tem Wald hat auf vielen Ebenen eine grosse Bedeu­tung: als Lebens­raum für unzäh­lige Lebe­we­sen, als unser ursprüng­li­cher Lebens­raum, als heilen­der Erho­lungs- und belieb­ter Frei­zeit­ort, als Quelle für den natür­lich nach­wach­sen­den Rohstoff Holz, aber auch als stabi­li­sie­ren­der Faktor für unser Klima und als Schutz gegen Umwelt­ka­ta­stro­phen. Das Inter­esse am Wald hat in der letz­ten Zeit stark zuge­nom­men, weshalb es wieder mehr Menschen in den Wald zieht: zum Spazie­ren­ge­hen, Joggen, Moun­tain­bi­ken, Gril­lie­ren, usw. Dass sie – selbst in einem klei­nen Stadt­wald – einen viel­schich­ti­gen und sehr empfind­li­chen Kosmos betre­ten, ist dabei aber vielen gar nicht bewusst. Mit unse­rem Projekt möch­ten wir unser Publi­kum für den Zauber des Waldes sowie für die Komple­xi­tät dieses Ökosys­tems sensi­bi­li­sie­ren, das gerade in Zeiten von Arten­ster­ben und Klima­wan­del immer wich­ti­ger wird.

Mit unse­rem Projekt möch­ten wir unser Publi­kum für den Zauber des Waldes sowie für die Komple­xi­tät dieses Ökosys­tems sensi­bi­li­sie­ren, das gerade in Zeiten von Arten­ster­ben und Klima­wan­del immer wich­ti­ger wird.

Thea­ter­gruppe «Back To Wollyhood»

Die Auffüh­rung findet nicht auf einer klas­si­schen Bühne statt – sondern im Wald. Was ist die Idee dahinter?

Unsere Leiden­schaft als Gruppe gilt allge­mein dem ortspe­zi­fi­schen und immersi­ven Arbei­ten. Wir wählen unsere Orte jenseits des klas­si­schen Thea­ter­saals und entwi­ckeln in ihnen eine fiktive Welt, die sich mit der Reali­tät verschränkt und in der sich unsere Teil­neh­me­rin­nen bewe­gen und mit den Spie­len­den inter­agie­ren können. Dabei tragen wir nicht ein ferti­ges Stück an den Raum heran, sondern entwi­ckeln unsere Abende ausge­hend vom Ort und dessen gesell­schaft­li­cher Bedeu­tung. Durch die spie­le­ri­sche Verfrem­dung dieser Orte und ihrer Funk­tion ermög­li­chen wir alter­na­tive Wahr­neh­mun­gen unse­rer Umgebung. 

So gingen wir auch bei diesem Projekt von einem spezi­fi­schen Wald­ge­biet aus: dem Stadt­wald auf dem Höng­ger­berg in Zürich und bei der Adap­tion für Winter­thur vom Stadt­wald auf dem Eschen­berg. Dieses Wald­ge­biet mit all seinen Pflan­zen, Tieren und Pilzen, eine umfas­sende Recher­che zum Thema Wald sowie Gesprä­che mit dem Revier­förs­ter und ande­ren Wald­ex­per­tin­nen legten den Grund­stein für unser Stück und die Figuren. 

Das Schöne daran, dass wir im Wald spie­len, ist das direkte sinn­li­che Erle­ben. Indem sich unsere Besu­che­rin­nen mit uns durch den Wald bewe­gen, erfah­ren sie diesen Kosmos mit allen Sinnen. Während es lang­sam eindun­kelt, können sie sich über eine längere Zeit auf den Wald einlas­sen und so regel­recht ein Teil von ihm werden. 

Anstatt aus siche­rer Distanz Thea­ter anzu­se­hen, können die Teil­neh­me­rin­nen durch die Nähe zum Gesche­hen direkt mit den Figu­ren interagieren.

Thea­ter­gruppe «Back To Wollyhood»

Zu Beginn hat man noch das Gefühl, sich auf einer Wald­füh­rung zu befin­den. Dann kommen aber morphen infor­ma­tive und reali­täts­nahe Elemente nach und nach hinzu und gehen beinahe unmerk­lich in fiktio­nale Elemente über, wodurch die Begeg­nun­gen mit den Figu­ren ebenso real erschei­nen, wie die indi­vi­du­elle Begeg­nung mit dem Wald. Anstatt aus siche­rer Distanz Thea­ter anzu­se­hen, können die Teil­neh­me­rin­nen durch die Nähe zum Gesche­hen direkt mit den Figu­ren inter­agie­ren und in unsere halb-fiktive Wald-Welt eintauchen. 

Im Dunkeln sind unsere Besucher:innen dann in klei­nen Grup­pen und teil­weise sogar ganz alleine im Wald unter­wegs. Dies bietet eine sehr indi­vi­du­elle, inten­sive Erfah­rung, welche deut­lich unmit­tel­ba­rer zur Ausein­an­der­set­zung mit den ange­spro­che­nen Themen und dem persön­li­chen Bezug zum Wald anregt, als es das Anse­hen einer Auffüh­rung vom Thea­ter­ses­sel aus vermag.

Was faszi­niert Sie an der «Bühne Wald»?

Diese Bühne ist leben­dig und bei jeder Vorstel­lung anders. Vom zauber­haft nebli­gen, vom verreg­ne­ten bis zum ausge­trock­ne­ten Zustand haben wir alles erlebt. Und obwohl wir diesen Wald­ab­schnitt nun prak­tisch in- und auswen­dig kennen, entde­cken wir jedes Mal wieder etwas Neues und werden aufs Neue über­rascht von Lebe­we­sen und Sinnes­rei­zen, die Teil des Stücks werden. Der Wald mit all seinen Gerü­chen, Geräu­schen, den visu­el­len und hapti­schen Eindrü­cken spricht alle Sinne an. All die Tiere, Pilze und Pflan­zen, denen man unter­wegs begeg­net, erzäh­len ihre ganz eigene Geschichte neben und oft auch gemein­sam mit dem, was wir in unse­ren Szenen und Texten verhan­deln. Der Wald hat also ein akti­ves Eigen­le­ben und wird so zum eigent­li­chen Haupt­ak­teur des Abends.

Wir wollen aber auch die Augen für die Schön­heit der Natur öffnen.

Thea­ter­gruppe «Back To Wollyhood»

Was sollen die Besucher:innen von der inter­ak­ti­ven Führung durch den Zürcher Stadt­wald mitneh­men können?

Das Erle­ben der Auffüh­rung kann ein Stein des Anstos­ses dazu sein, sich in der Folge inten­si­ver mit dem Thema Wald ausein­an­der­zu­set­zen. Viele Besu­che­rin­nen haben uns hinter­her auch geschil­dert, wie sie den Wald nun ganz anders wahr­neh­men, wenn sie in ihm spazie­ren gehen. Es ging uns darum, bei unse­ren Teil­neh­me­rin­nen das Bewusst­sein dafür zu öffnen, wie unent­behr­lich der Wald für uns alle ist und wie entschei­dend es ist, diesen viel­fäl­ti­gen Lebens­raum mit all seinen wich­ti­gen Funk­tio­nen auch für die zukünf­ti­gen Gene­ra­tio­nen zu bewah­ren. Die Viel­falt der während des Abends ange­spro­che­nen Sicht­wei­sen auf den Wald regt dazu an, sich dazu zu posi­tio­nie­ren, welcher Umgang mit ihm der rich­tige sein könnte und welchen Beitrag jede und jeder Einzelne von uns dazu leis­ten kann, ihn zu erhal­ten. Wir wollen aber auch die Augen für die Schön­heit der Natur öffnen und unsere Besucher:innen dazu anre­gen, die wohl­tu­ende Wirkung des Waldes zu genies­sen und den indi­vi­du­el­len Bezug zum Wald zu stär­ken. Als unser ursprüng­li­cher Lebens­raum und heil­sa­mer Erho­lungs­ort hat der Wald für uns Menschen auch eine emotio­nale Bedeu­tung. Um mit einem Satz aus dem Stück zu schlies­sen: «Du kannst den Wald verlas­sen, aber der Wald verlässt dich nie.»

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