The Philanthropist: Die Digitalisierung durchdringt sämtliche Branchen und Ebenen der Wirtschaft. So auch den Non-Profit-Sektor. Wie wirkt sich dies auf Compliance aus?
Rita Pikó: Es gibt Branchen, wie den Versicherungssektor, die bereits heute Produkte praktisch vollständig digitalisiert haben. Dies erfordert, dass die auf diese Produkte anwendbaren Compliance-Prozesse entsprechend und gleichzeitig digitalisiert werden. Ein Compliance-Officer bzw. die Compliance-Abteilung ist nicht mehr angemessen in der Lage, solch automatisierten Geschäftsprozesse «manuell» und im Nachhinein zu überwachen oder zu prüfen. Compliance sollte also von Anfang an in den Digitalisierungsprozess eines Geschäftsaspekts involviert sein. Nur dies kann sicherstellen, dass Compliance angemessen auf die Programmierung der Algorithmen Anwendung findet.
Wie verändert dies die Tätigkeit der Compliance Officer?
In aller Kürze: Compliance Officer müssen das digitalisierte Geschäft und die digitalisierten Prozesse verstehen. Erst dann können sie einschätzen, welche rechtlichen Themen wie Vertraulichkeit, Datenschutz, Wettbewerb, Diskriminierung etc. dies tangieren könnte.
Können Sie ein Beispiel machen?
Eine Organisation digitalisiert Schritte ihres Bewerbungsverfahrens. Dabei überträgt sie Entscheidungen auf Algorithmen. Bei deren Programmierung ist entscheidend, dass diese die Vorgaben wie Datenschutz und Gleichstellung einhalten.
Müssen Compliance Officer jetzt programmieren lernen?
Neugierde und Offenheit gegenüber Veränderungen hilft mit Sicherheit. Das Erlernen von Programmieren ist jedoch nicht nötig. Die Brücke zum Technischen kann eine Person im Team bauen, die zwischen Compliance und der IT eine Art Übersetzerfunktion einnimmt. Einige Unternehmen praktizieren dies bereits sehr erfolgreich.
Bringt die digitale Transformation auch Vorteile für die Compliance?
Mit Sicherheit! Ganze Compliance-Prozesse können optimiert werden, z. B. im Zusammenhang mit der Hinweisgebung oder der Beantwortung von allgemeinen Compliance-Fragen – Chatbots können diese automatisch bearbeiten. Ein anderes Beispiel ist der Einsatz von Big Data. Mit der Auswertung grosser Datenmengen in Bezug auf Geschäftsprozesse können neue Erkenntnisse für Compliance gewonnen werden. Dies erlaubt Organisationen, schneller und gezielter Compliance-Risiken zu identifizieren und entsprechend zu reagieren. Zudem lassen sich durch eine digitalisierte Handhabung der Compliance einzelne Aspekte schneller und handlicher visualisieren. Dies führt ebenfalls zur Qualitätssteigerung von Compliance. Schließlich erlaubt die Digitalisierung von Standard Compliance-Prozessen dem Compliance Officer bzw. der Compliance-Abteilung, sich auf die wichtigen und wesentlichen Aspekte zu konzentrieren. Dies sind nur einige Aspekte des Einsatzes von Digitalisierung zum Nutzen von Compliance.
Was heisst dies für Non-Profit-Organisationen?
Ich sehe in dieser Digitalisierung eine wesentliche und wichtige Hilfestellung für die Handhabung von Compliance auch bei Non-Profit-Organisationen in der Zukunft.
Veranstaltungshinweis — Save the Date
Am 1. Juli 2020 findet die von der ZHAW und StiftungSchweiz organisierte Fachtagung «Compliance bei Stiftungen und Vereinen» in Winterthur statt. Weitere Informationen folgen.