Marco Mettler, Geschäftsführer Schweizer Tierschutz

Mitten im tief­grei­fen­den Reformprozess

Der Schweizer Tierschutz STS war wochenlang negativ in den Medien und stand auf der schwarzen Liste der Zewo. Mit Transparenz im Finanzbereich, einem neuen Geschäftsreglement und personellen Veränderungen hat er sich neu aufgestellt. Geschäftsführer Marco Mettler spricht über die Baustellen, was sie bereits erreicht haben, und blickt auf die Delegiertenversammlung vom Samstag.

Am 1. Mai 2024 wurden Sie Geschäfts­füh­rer des Schwei­zer Tier­schut­zes STS. Was hat Sie an der Aufgabe gereizt?

Der STS ist eine tradi­ti­ons­rei­che Orga­ni­sa­tion. Sie wurde vor mehr als 150 Jahren gegrün­det. Zudem ist er in einem gesell­schaft­lich sehr rele­van­ten Thema engagiert.

Sie waren zuvor bei Pro Juven­tute tätig.

Als ich mich entschie­den habe, Pro Juven­tute und den Bereich Kinder und Jugend­li­che zu verlas­sen, habe ich mich auch gefragt, was mich als Person neben dem Thema selbst reizt? Die Antwort war, Orga­ni­sa­tio­nen in die Zukunft zu führen, die an einem heraus­for­dern­den Ort stehen.

Es war wich­tig, Stabi­li­tät zu brin­gen und Trans­pa­renz zu schaffen.

Marco Mett­ler, Geschäfts­füh­rer Schwei­zer Tier­schutz STS

Das war beim STS der Fall. Wie tritt man eine Stelle in einer Orga­ni­sa­tion an, die sich in einer Krise befindet?

Es war eigent­lich ganz einfach: viel zuhö­ren. Ich habe mit allen Mitar­bei­ten­den Einzel­ge­sprä­che geführt. Ich habe ein gros­ses Herz­blut für den Tier­schutz fest­ge­stellt und gleich­zei­tig eine Verun­si­che­rung. Wer die Krise in den Medien verfolgt hat, las vor allem von Unstim­mig­kei­ten zwischen Persön­lich­kei­ten im Vorstand. Es war wich­tig, Stabi­li­tät zu brin­gen und Trans­pa­renz zu schaf­fen. Die Mitar­bei­ten­den brauch­ten wieder eine Perspektive.

Sie wurden von einem Vorstand mit Unstim­mig­kei­ten zwischen den Perso­nen eingestellt?

Aber ich hatte den Vorteil, dass ich bei der Bewer­bung wusste, wie die Perspek­tive auf der Ebene des Präsi­di­ums aussah. Die Präsi­den­tin, die Teil der Krise war, wurde abge­wählt und der neue Präsi­dent sagte klar, dass er ad Inte­rim über­nehme. Er wollte ein Brücken­kopf zwischen dem Alten und dem Neuen sein. Für mich war klar, hier ist ein Vorstand, der in die Zukunft schaut. Die Hälfte der Mitglie­der war neu.

Dennoch war es ein Risiko für Sie?

Ich nahm das Risiko. Ich habe meine Stra­te­gie vorge­stellt, um den STS wieder vorwärts zu brin­gen und ich habe immer wieder ihr Feed­back einge­for­dert, ob sie es auch so sehen.

Dazu muss­ten Sie sich auch fragen: Was sind die Gründe für die Krise?

Der STS war struk­tu­rell und kultu­rell nicht zeit­ge­mäss aufge­stellt. Das war der Auslö­ser für die Probleme auf perso­nel­ler Ebene im Vorstand: Ein Teil wollte das Bestehende bewah­ren, ein ande­rer Teil wollte in eine neue Rich­tung gehen.

Es fehlte an klaren Governance-Regeln. 

Woran hat es gefehlt?

Es fehlte an klaren Gover­nance-Regeln. Es fehlte Trans­pa­renz im Finanz­be­reich. Es war mir wich­tig, mit einem neuen Geschäfts­re­gle­ment sofort Pflö­cke einzu­schla­gen. Dieses hat der Vorstand bereits in den ersten drei Mona­ten geneh­migt. Zudem habe ich dafür gesorgt, dass eine Jahres­rech­nung veröf­fent­licht wird. Das gab es zuvor nicht.

Sie sind nicht die einzige neue Person. Seit März hat der STS mit Peter V. Kunz einen neuen Präsi­den­ten. Zudem sollte eine Reform­gruppe den STS für künf­tige Heraus­for­de­run­gen fit machen. Wo steht der STS heute?

Wir stehen mitten in einem tief­grei­fen­den Reform­pro­zess. Im März haben wir auch neue Statu­ten verab­schie­det. Das war ein Meilen­stein. Sie sind modern und geben etwa vor, wie der Vorstand wieder­ge­wählt wird. Diesen Sams­tag ist unsere Dele­gier­ten­ver­samm­lung in Bern. An dieser wird der Vorstand wieder­ge­wählt. Wenn die vorge­schla­ge­nen Perso­nen gewählt werden, wird die Hälfte des Vorstands neu besetzt. Die vorge­schla­ge­nen Perso­nen wurden nach einem klaren Profil ausge­wählt. Mit diesen wird der STS einen sehr profes­sio­nell aufge­stell­ten Vorstand haben.

D.h. perso­nell wäre der Vorstand seit der Krise ausge­wech­selt worden?

Der Gross­teil der Vorstands­mit­glie­der ist seit einem Jahr dabei. Jene, die schon länger dabei sind, treten nun zurück oder die Amts­zeit­be­schrän­kung, die neu in den Statu­ten steht, kommt zum Tragen. Anschlies­send wird der Vorstand zur Hälfte aus neuen Mitglie­dern und zur ande­ren Hälfte aus Mitglie­dern mit einem Jahr Erfah­rung zusam­men­ge­setzt sein.

Eine Orga­ni­sa­tion, die zehn Millio­nen Fran­ken umsetzt, muss eine trans­pa­rente Rech­nung auf die Inter­net­seite stel­len und Good Gover­nance einhalten.

Welche Rolle spiel­ten die regio­na­len Sektio­nen im Reformprozess?

Sie bilde­ten die  Reform­gruppe. Der Vorstand war in der Gruppe nicht vertre­ten. Die Gruppe hatte den Auftrag, neue Statu­ten zu erar­bei­ten. Diese wurden an der DV auch sehr deut­lich ange­nom­men. Auch für die Suche nach neuen Mitglie­dern für den Vorstand stell­ten die Sektio­nen die Hälfte der Mitglie­der der Findungs­kom­mis­sion. Zudem waren die Sektio­nen direkt aufge­for­dert, aktiv Mitglie­der für den Vorstand zu suchen und vorzu­schla­gen. Früher lief dies umge­kehrt: Der Präsi­dent hat Mitglie­der für den Vorstand gesucht. Heute ist der Prozess parti­zi­pa­tiv und professionell.

Zewo, das Güte­sie­gel für Hilfs­werke, hat den STS auf die schwarze Liste gesetzt. Unter­des­sen wurde er wieder von dieser gestri­chen. Wie haben Sie das erreicht?

Es war bei meinem Amts­an­tritt eine der Prio­ri­tä­ten, denn es war repu­ta­ti­ons­schä­di­gend. Im ersten Monat hatte ich ein Tref­fen mit Zewo orga­ni­siert, um zu erfah­ren, welche Mass­nah­men wir ergrei­fen müssen. Zewo forderte insbe­son­dere Trans­pa­renz bei den Finan­zen und ein Geschäfts­re­gle­ment, das die stra­te­gi­sche von der opera­ti­ven Ebene trennt. Für mich waren das logi­sche Mass­nah­men. Eine Orga­ni­sa­tion, die zehn Millio­nen Fran­ken umsetzt, muss eine trans­pa­rente Rech­nung auf die Inter­net­seite stel­len und Good Gover­nance einhal­ten. Binnen vier Mona­ten haben wir dann die Strei­chung des STS von der schwar­zen Liste erreicht. Der Weg ist nun auch die Zertifizierung.

D.h., der STS ist zwar nicht mehr auf der schwar­zen Liste, aber auch nicht Zewo-zertifiziert?

Ja. Ob sich der STS von der Zewo zerti­fi­zie­ren lässt, wird zu einem späte­ren Zeit­punkt entschie­den. In den neuen Statu­ten steht, dass der STS die Zewo-Stan­dards erfül­len muss. Opera­tiv berei­ten wir diesen Schritt auf jeden Fall vor.

Hatte die Krise Auswir­kun­gen auf die Spendeneinnahmen?

Es hatte Auswir­kun­gen, aber nicht im befürch­te­ten Ausmass. Lang­jäh­rige Part­ner, Unter­neh­men oder Gross­spen­der und ‑spen­de­rin­nen hiel­ten immer zu uns. Gerade die Zusam­men­ar­beit auf fach­li­cher Ebene mit Bund, Kanto­nen und ande­ren NPOs lief immer gut. Wenn es um unsere Arbeit ging, hat man uns immer vertraut. Dafür sind wir sehr dankbar.

Das Tages­ge­schäft auf fach­li­cher Ebene lief gewohnt weiter.

Ja. Mir persön­lich ist aber wich­tig, dass wir die Wirkung auch noch stär­ker bele­gen können. Wir setzen sehr viele Projekte um, die den Tieren nutzen. Aber wir wollen auch die Wirkung unse­res grund­le­gen­den Handelns bele­gen. Der Stift­lungs­sek­tor will Wirkungs­ziele sehen. Dazu reicht es nicht, die Anzahl Tiere zu zählen, die geret­tet wurden. Beim Nach­weis der Wirkung wollen wir im Tier­schutz vorne dabei sein.

Welches sind die Heraus­for­de­run­gen der kommen­den Jahre?

Unsere Orga­ni­sa­tion hatte bisher keine Stra­te­gie, was ein Auslö­ser für solche Krisen sein kann. Nun sind wir mitten in einem Stra­te­gie­pro­zess. An der DV nächs­ten Sommer soll er abge­schlos­sen sein. Unsere Heraus­for­de­rung ist es, eine Stra­te­gie zu erar­bei­ten, die von der Orga­ni­sa­tion, dem Vorstand und der DV getra­gen wird.

Wer Tier­schutz macht, macht Umweltschutz.

Für den Stra­te­gie­pro­zess werden Sie sich auch fragen, was sind die Heraus­for­de­run­gen für den Tier­schutz insgesamt?

Im Nutz­tier­be­reich sehen wir grosse Heraus­for­de­run­gen. Aber hier haben wir es mit einer Lobby zu tun, die über mehr Geld und eine grös­sere Vertre­tung im Bundes­haus verfügt. Auch im Heim­tier­be­reich sehen wir grosse Aufga­ben. Was fast niemand wahr­nimmt: Wir haben eine Katzen­epi­de­mie in der Schweiz. Das Streu­ner­pro­blem in der Schweiz sind die herren­lose Katzen. Der STS kastriert rund 10’000 Katzen im Jahr, aber das ist viel zu wenig.

püren Sie beim Tier­schutz, dass nach­hal­tige Themen weni­ger Aufmerk­sam­keit geniessen?

Wir merken das. Umso wich­ti­ger ist es, den Tier­schutz als Thema der Nach­hal­tig­keit zu posi­tio­nie­ren. Es gibt keinen ganz­heit­li­chen Umwelt­schutz, ohne den Tier­schutz mitzu­den­ken. Im Umkehr­schluss heisst das: Wer Tier­schutz macht, macht Umweltschutz.

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