Foto: Anika Huizinga

Wie hoch sind die Verteilkosten?

StiftungSchweiz hat Ende Oktober ihre Philanthropie Plattform lanciert. Ein Video, welches den Nutzen der Plattform aufzeigen sollte, enthielt eine Aussage, die zu einer kontroversen Debatte führte.

Am 14. Novem­ber 2019 stellte Profes­sor Georg von Schnur­bein, Leiter Center for Phil­an­thropy Studies CEPS in Basel, im sozia­len Netz­werk Linke­dIn eine Aussage von StiftungSchweiz in Frage. In einem Erklär­vi­deo hatte die Online-Platt­form errech­net, dass bei vier Milli­ar­den Fran­ken jähr­li­chen Spen­den­gel­dern in der Schweiz Verteil­kos­ten von einer Milli­arde Fran­ken anfal­len. The Philanthropist nahm diese Kritik zum Anlass Georg von Schnur­bein einzu­la­den zu einem Gespräch mit Peter Buss, Grün­der von StiftungSchweiz.

Die Zahlen­grund­la­gen

Der Stif­tungs­sek­tor ist viel­fäl­tig. Dies gilt ebenso für die Seite der geld­sam­meln­den Orga­ni­sa­tio­nen, sprich Projekt­trä­ger, wie für die Seite der Geld­ge­be­rin­nen und ‑geber. Bis heute gibt es keine umfas­sende Statis­tik über die Ausga­ben für den gesam­ten Sektor. Verschie­denste Studien und Auswer­tun­gen decken nur jeweils einzelne Teile ab. Sie beru­hen auf unter­schied­li­chen Grund­ge­samt­hei­ten und verschie­den Stich­pro­ben. Wie sich zeigt, ist die Inter­pre­ta­tion der Werte schwie­rig und kontrovers.

Die Rech­nung von StiftungSchweiz 

Die von StiftungSchweiz errech­nete Milli­arde Fran­ken geht auf Seiten der spen­den­sam­meln­den Orga­ni­sa­tio­nen davon aus, dass im Durch­schnitt 20 Prozent Kosten für Sammel­ak­ti­vi­tä­ten anfal­len (ohne gene­relle Admi­nis­tra­tiv­kos­ten). Bei vier Milli­ar­den Spen­den­gel­dern sind das 800 Millio­nen Fran­ken. StiftungSchweiz stützt sich bei dieser Zahl u.a. auf die Anga­ben der ZEWO und auf zahl­rei­che Analy­sen von Jahres­be­rich­ten der Orga­ni­sa­tio­nen. Hinzu kommen die Verteil­kos­ten auf Seiten der Geld­ge­ben­den (Förder­stif­tun­gen, Körperschaften/Firmenstiftungen). Bei den Förder­stif­tun­gen geht Peter Buss, gemäss einer CEPS-Studie, von tiefen 5,4 Prozent aus. Bei einem Spen­den­vo­lu­men von rund zwei Milli­ar­den Fran­ken jähr­lich ergibt das rund 100 Millio­nen. Zusätz­lich rech­net er mit rund neun Prozent sprich 90 Millio­nen Fran­ken Kosten, die bei den Firmen anfal­len, wenn sie Spen­den­gel­der vertei­len (Personal‑, Infra­struk­tur, Admi­nis­tra­tiv- und Kommunikationskosten) 


800 Millio­nen Fran­ken plus 100 Millio­nen Fran­ken plus 90 Millio­nen Fran­ken ergibt rund 1 Milli­arde Franken. 


Die CEPS Kritik

Diese Rech­nung erach­tet Georg von Schnur­bein als sehr hypo­the­tisch und kriti­siert die Fakto­ren, die StiftungSchweiz zu den Verteil­kos­ten zählt. So könne man die Anga­ben zur Fund­rai­sin­g­kos­ten bei Privat­spen­den nicht einfach auf alle Spen­den­ar­ten über­tra­gen. Auch erach­tet es von Schnur­bein als kritisch, alle admi­nis­tra­ti­ven Kosten der Förder­stif­tun­gen einzu­be­rech­nen, weil Stif­tun­gen nicht nur Mittel verge­ben, sondern auch in die Program­ma­tik inves­tie­ren und Analy­se­ar­bei­ten erle­di­gen. Die Rech­nung von StiftungSchweiz würde miss­ach­ten, dass Stif­tun­gen einen gros­sen Mehr­wert neben der Geld­ver­tei­lung erzie­len. Und er verweist auf die ZEWO-Spen­den­sta­tis­tik, nach der Hilfs­werke ledig­lich acht Prozent für die Mittel­be­schaf­fung aufwenden.

Die Kontro­verse

The Philanthropist: Peter Buss, was sagen Sie zu den acht Prozent?

Peter Buss: Die acht Prozent sind nicht realis­tisch. Das haben mir 30 Jahre Berufs­er­fah­rung gezeigt. Die ZEWO-Methode ist schon ein paar Jahre alt und berech­net die acht Prozent nicht nur auf dem Ertrag bei den Spen­den, wie das rich­tig wäre, sondern auf dem gesam­ten Betriebs­er­geb­nis einer Orga­ni­sa­tion (also auf allen Erträ­gen, von den Subven­tio­nen über Dienst­leis­tun­gen bis hin zu den Spen­den). Da werden also Äpfel mit Birnen vergli­chen. Die ZEWO selber nennt auf Ihrer Webseite Kosten beim Fund­rai­sing von rund 20 Prozent. Und das umfasst sowohl die Kosten für das Stif­tungs­fund­rai­sing wie auch jene für das Fund­rai­sing bei Privat­spen­dern und Firmen.

Dr. Peter Buss, Grün­der von StiftungSchweiz

Georg von Schnur­bein: Diese 20 Prozent sind in manchen Berei­chen gerecht­fer­tigt, gerade bei den Klein­spen­den. Ihr habt diesen Anteil aber auf die gesam­ten vier Milli­ar­den Fran­ken gerech­net. Das kann ich nicht unter­stüt­zen. Die Mittel­be­schaf­fung bei Stif­tun­gen ist beispiels­weise wesent­lich güns­ti­ger als im Massen­markt mit Stand­ak­tio­nen und Direct-Mails.

TP: Sie kriti­sie­ren die Verallgemeinerung?

GvS: Die ZEWO-Zahlen auf die vier Milli­ar­den Fran­ken zu über­tra­gen würde heis­sen, dass man die Grund­struk­tur der Hilfs­werke auf alle ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen über­trägt. Laut ZEWO entfal­len auf die Hilfs­werke aber nur 1,1 Milli­ar­den der Spen­den­gel­der. Beispiels­weise bei Kultur­in­sti­tu­tio­nen ist das Fund­rai­sing nicht so aufwen­dig wie bei Hilfs­wer­ken. Es werden im Durch­schnitt grös­sere Beiträge gespro­chen. Ausser­dem gibt es Skalen­ef­fekte und Inter­de­pen­den­zen zwischen den verschie­de­nen Ertrags­klas­sen. Es spielt der soge­nannte Matthäus-Effekt: Wer schon Zuwen­dun­gen bekommt, erhält leich­ter noch mehr. Auch wer vom Staat begüns­tigt ist, dem fällt es leich­ter, zusätz­lich priva­tes Geld einzuwerben. 

PB: Das Fund­rai­sing bei Stif­tun­gen ist gewiss etwas güns­ti­ger als jenes im Public Fund­rai­sing, vor allem dann, wenn man schon länger am Ball ist. Aber selbst hier zeigt die Erfah­rung: Um regel­mäs­sig jedes Jahr eine Million Stif­tungs­gel­der akqui­rie­ren zu können, braucht es etwa eine 100 Prozent Stelle. Allein das sind Arbeits­platz­kos­ten zwischen 120‘000 und 150‘000 Fran­ken im Jahr. Es braucht erfah­rene Perso­nen mit einem Netz­werk. Das kostet.

GvS: Das ist ein wich­ti­ger Punkt. Die wesent­li­chen Kosten im Fund­rai­sing sind Lohn­kos­ten, aber meist sind das nied­rige Löhne im Vergleich zur Privat­wirt­schaft. Ich erachte es als eine grosse Gefahr für den Sektor, wenn einfach Zahlen in den Raum gestellt werden. Oft bleibt dann nur die Zahl hängen und wird immer weiter kolpor­tiert. Das Video hatte den Eindruck erweckt, von den vier Milli­ar­den gehe eine Milli­arde Fran­ken weg und das stimmt so nicht. 

Profes­sor Georg von Schnur­bein, Leiter Center for Phil­an­thropy Studies CEPS in Basel

Der Konsens

TP: Ist diese Kritik berechtigt?

PB: Stimmt. Die Darstel­lung war unglück­lich und ist deshalb wieder entfernt worden. Wich­tig ist, von den vier Milli­ar­den geht nicht eine Milli­arde Fran­ken weg, es braucht eine zusätz­li­che Milli­arde um die vier Milli­ar­den Fran­ken zu vertei­len. Das Video zeigt das jetzt so.

GvS: Wenn ihr das Video so korri­giert habt, bin ich froh.

PB: Letzt­end­lich geht es mir nicht um die Prozent­frage. Es geht mir viel­mehr darum, wie der einzelne Spen­den­fran­ken effi­zi­en­ter einge­setzt werden kann. Dafür wollen wir die Digi­ta­li­sie­rung nutzen. Deshalb haben wir die neue Phil­an­thro­pie-Platt­form lanciert, für alle Markt­teil­neh­me­rin­nen und ‑teil­neh­mer. 

GvS: Trans­pa­renz ist hier ange­sagt. Wenn 100 Fran­ken gespen­det werden, dann gehen nicht 100 Fran­ken in das Projekt. Das wäre eine Illu­sion. Mit der Kosten­de­batte wird der Schwer­punkt aber falsch gelegt. Das macht mir Sorgen. Der Blick in die Zukunft zeigt, dass die Anzahl Spen­de­rin­nen und Spen­der abnimmt. Zurzeit wird diese Tendenz glück­li­cher­weise noch durch die Zunahme der durch­schnitt­li­chen Spen­den­höhe kompen­siert. Dennoch nimmt die Spen­den­be­reit­schaft ab. Da müssen wir dage­gen­hal­ten. Spen­den ist ein Verhal­ten, das gelernt werden kann. Kinder soll­ten schon früh erfah­ren, dass gespen­det und geteilt werden kann.

PB: Genau hier setzen wir an und wollen einen Beitrag leis­ten. Wir sind uns einig, dass der gesamte Sektor, selbst­ver­ständ­lich auch auf Seiten der Förde­rin­nen und Förde­rer einen gros­sen Mehr­wert für die Schwei­zer Gesell­schaft leis­tet. Meine Botschaft ist: Macht aus der Milli­arde mehr!

GvS: Solange du nicht von einer Milli­arde redest, können wir gerne darüber sprechen. 

StiftungSchweiz engagiert sich für eine Philanthropie, die mit möglichst wenig Aufwand viel bewirkt, für alle sichtbar und erlebbar ist und Freude bereitet.

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