AI Learning Journey, StiftungSchweiz Basel

Mehr Daten braucht die Philanthropie

Der Abschluss der AI Learning Journey brachte eine lebendige Diskussion rund ums Thema Daten zur Philanthropie. Das Manifest der über 50 Teilnehmer:innen ist deutlich: Für eine wirkungsvolle Philanthropie braucht es in der Schweiz dringend eine bessere Datenbasis. Warum? Wir haben bei den drei Initiantinnen der Journey, SwissFoundations, StiftungSchweiz und der Uni Genf nachgefragt.

Trans­pa­renz stei­gert Vertrauen

Katja Schö­nen­ber­ger, Sie sind erst seit einem halben Jahr Geschäfts­füh­re­rin von Swiss­Foun­da­ti­ons und waren daher nur am Rande an der Jour­ney betei­ligt. Trotz­dem setzen Sie sich stark für mehr Trans­pa­renz und eine bessere Daten­ba­sis ein. Warum?

Katja Schö­nen­ber­ger, SwissFoundations

Katja Schö­nen­ber­ger: Daten sind essen­zi­ell für die breite Akzep­tanz des Stif­tungs­sek­tors. Sie ermög­li­chen uns, trans­pa­rent zu zeigen, was wir tun und welche gross­flä­chige Wirkung unsere Arbeit hat. Swiss­Foun­da­ti­ons ist Trans­pa­renz ein gros­ses Anlie­gen. Deshalb stehen wir auch für den drit­ten Grund­satz im Swiss Foun­da­tion Code ein, der lautet: «Die Stif­tung pflegt eine möglichst grosse Trans­pa­renz über ihre Grund­la­gen, Ziele, Struk­tu­ren und Tätig­kei­ten.» Deut­li­cher geht es nicht mehr.

Wie könnte eine verbes­serte Daten­er­fas­sung die Arbeit von Swiss­Foun­da­ti­ons beeinflussen?

K.S.: Eine präzi­sere Daten­er­fas­sung würde den Stif­tun­gen erlau­ben, deren Stra­te­gien besser abzu­stim­men und dadurch ziel­ge­rich­te­ter zu fördern. Fundier­tere, daten­ba­sierte Entschei­dungs­grund­la­gen würden zu effek­ti­ve­rem Handeln führen.

Welche konkre­ten Schritte soll­ten unter­nom­men werden, um die Daten­lage zu verbessern?

K.S.: In einem ersten Schritt geht es darum, die Quali­tät und Zugäng­lich­keit der Daten zuver­bes­sern – quali­ta­tiv ebenso wie quan­ti­ta­tiv. Dies würde allen Betei­lig­ten im Sektor zugu­te­kom­men. Eine wich­tige Rolle könn­ten auch Open Data Platt­for­men spie­len, da sie die verfüg­ba­ren Daten anony­mi­siert und aggre­giert breit zugäng­lich machen. Es gibt hier­zu­lande eine aktive Commu­nity rund um Open Data.

Die Quali­tät der Daten ist oft unzureichend

Lucía Gómez-Teijeiro, Sie haben die Jour­ney als Mitar­bei­te­rin der Univer­si­tät Genf* aus wissen­schaft­li­cher Perspek­tive beglei­tet – wie beur­tei­len Sie die Quali­tät der aktu­el­len Daten­lage in der Philanthropie?

Lucía Gómez-Teijeiro, Berner Fachhochschule

Lucía Gómez-Teijeiro: Die Quali­tät der Daten lässt oft zu wünschen übrig. Ein Beispiel: Um die inhalt­li­che Ausrich­tung einer Förder­or­ga­ni­sa­tion zu beur­tei­len, bleibt uns heute oft nur der Stif­tungs­zweck. Doch das ist metho­disch unzu­rei­chend, weil der Stif­tungs­zweck selten aktua­li­siert wird und wenig bis gar nichts über die aktu­elle Verga­be­pra­xis oder opera­tive Schwer­punkte aussagt. Dies führt dazu, dass Analy­sen auf Basis dieser Daten den Eindruck erwe­cken, Phil­an­thro­pie sei statisch – was defi­ni­tiv nicht der Fall ist. Diese mangelnde Quali­tät und Tiefe der Daten limi­tie­ren die Analy­se­mög­lich­kei­ten erheb­lich. Das beein­träch­tigt die Vali­di­tät der Aussa­gen und schränkt damit letzt­lich auch die Unter­stüt­zungs­leis­tung unse­rer Forschungs­er­geb­nisse für den Alltag der Phil­an­thro­pie stark ein.

(*seit 1. Mai 2024 Dozen­tin im Tenure Track am Insti­tut Applied Data der Berner Fachhochschule)

Wie sieht die Daten­lage in ande­ren Ländern, spezi­ell in den USA, aus?

L.G.: In den USA, insbe­son­dere durch das öffent­lich zugäng­li­che Formu­lar 990, gibt es einen einheit­li­chen Report­ing Stan­dard und dadurch eine weit bessere Daten­ba­sis, die detail­lierte Einbli­cke und Analy­sen ermög­licht. Das erleich­tert im Übri­gen auch die Koor­di­na­tion phil­an­thro­pi­scher Bemü­hun­gen. Über­schnei­dun­gen werden vermie­den und Syner­gien stär­ker genutzt. Die klare Darstel­lung der Akti­vi­tä­ten und Ergeb­nisse stärkt die Wirkung der Orga­ni­sa­tio­nen, da sie geziel­ter Unter­stüt­zung anbie­ten und effek­ti­ver auf gesell­schaft­li­che Bedürf­nisse reagie­ren können. Zudem erhöht die trans­pa­rente Rechen­schafts­pflicht gegen­über priva­ten Geld­ge­bern das Vertrauen und fördert die Spen­den­be­reit­schaft von priva­ter Seite, indem sie aufzeigt, wie und wo die Mittel tatsäch­lich verwen­det werden.

Welche Daten wären aus wissen­schaft­li­cher Sicht beson­ders wert­voll und warum?

L.G.: Es geht hier vor allem um die konkre­ten Akti­vi­tä­ten, im Sinne des «Walk the Talk». Beson­ders wert­voll wären detail­lierte Anga­ben zu Jahres­bud­gets und thema­ti­schen Schwer­punk­ten. Das würde eine umfas­sende Über­sicht über die Leis­tung des drit­ten Sektors ermög­li­chen. Wir könn­ten besser verste­hen, wie gemein­nüt­zige Orga­ni­sa­tio­nen inno­va­tive Lösungs­an­sätze entwi­ckeln und staat­li­che Leis­tun­gen ergän­zen oder durch neue Ideen berei­chern. Dadurch wird auch die Effek­ti­vi­tät der Förder­mass­nah­men besser greifbar.

Beson­ders wert­voll wären detail­lierte Anga­ben zu Jahres­bud­gets und thema­ti­schen Schwerpunkten.

Lucía Gómez-Teijeiro, Assis­tenz­pro­fes­so­rin Berner Fachhochschule

Offen­heit schafft Legitimation

Katja Schö­nen­ber­ger, welche Vorteile bringt eine grös­sere Trans­pa­renz für die Mitglie­der von SwissFoundations?

Gemein­nüt­zige Stif­tun­gen stehen unter zuneh­men­dem Legi­ti­ma­ti­ons­druck.​ Und das ist gut so. Stif­tun­gen haben nichts zu verber­gen, im Gegen­teil, sie profi­tie­ren davon, wenn mehr Menschen wissen, was sie tun und warum. Grös­sere Trans­pa­renz führt dazu, dass die breite Bevöl­ke­rung besser versteht, welchen gesell­schaft­li­chen Beitrag Förder­stif­tun­gen leis­ten. Das verbes­sert die Bezie­hun­gen zu verschie­de­nen Stake­hol­dern, was letzt­lich unsere Glaub­wür­dig­keit und Effek­ti­vi­tät als Sektor erhöht.

Grös­sere Trans­pa­renz führt dazu, dass die breite Bevöl­ke­rung besser versteht, welchen gesell­schaft­li­chen Beitrag Förder­stif­tun­gen leisten.

Katja Schö­nen­ber­ger, Geschäfts­füh­re­rin SwissFoundations

Die derzei­tige gesetz­li­che Offen­le­gungs­pflicht für steu­er­be­freite Stif­tun­gen in der Schweiz ist sehr beschei­den – sollte sich daran etwas ändern?

K.S.: Entschei­dend ist eine umfas­sende Daten­er­fas­sung über den gesam­ten Sektor hinweg, nicht nur über die Mitglie­der von Swiss­Foun­da­ti­ons; nur so können wir Daten gewin­nen, die auch reprä­sen­ta­tiv sind. Eine Anpas­sung der gesetz­li­chen Grund­lage wurde im Rahmen der Lear­ning Jour­ney etwa von Nils Güggi, Leiter der Eidge­nös­si­schen Stif­tungs­auf­sicht, als Idee einge­bracht. Dies wäre vermut­lich das geeig­nete Mittel für eine voll­stän­dige sektor­über­grei­fende Daten­ver­füg­bar­keit. Aller­dings braucht ein solches Gesetz viel Zeit – ich denke, so lange soll­ten wir nicht zuwarten.

Ein frei­wil­li­ger erster Schritt

Stefan Schöbi, StiftungSchweiz hat die Orga­ni­sa­ti­ons­pro­file gerade um eine Statis­tik­sek­tion ergänzt. Was erhof­fen Sie sich konkret davon?

Stefan Schöbi, StiftungSchweiz

Stefan Schöbi: Es ist ein erster Schritt, aber ein wich­ti­ger. Erstens können damit die von Lucia Gómez erwähn­ten beson­ders wert­vol­len Daten zügig erfasst werden. Wir bauen damit auf das bereits etablierte und akzep­tierte Stif­tungs­ba­ro­me­ter auf, das wir durch einen neuen Panel-Ansatz ablö­sen. Denn die Bereit­stel­lung der Daten ist für die Orga­ni­sa­tio­nen dadurch viel einfa­cher und benö­tigt einen Bruch­teil der Zeit. Zwei­tens lässt der Ansatz auch Aussa­gen über künf­tige Entwick­lun­gen zu. Welche Themen schwin­gen dieses Jahr oben auf? Decken die zur Verfü­gung gestell­ten Mittel den Bedarf gleich­mäs­sig oder werden Förder­lü­cken sicht­bar? Und drit­tens bauen wir mit der Statis­tik­sek­tion eine Koali­tion der Willi­gen auf, die gerne vorwärts machen, statt in Grund­satz­de­bat­ten stecken zu bleiben.

Wie fördert StiftungSchweiz sonst noch die Verbes­se­rung der Daten­trans­pa­renz in der Philanthropie?

S. Sch.: Gleich­zei­tig mit der Statis­tik­sek­tion führen wir auf stiftungschweiz.ch eine Reihe von Badges ein, die Trans­pa­renz, Enga­ge­ment und Vernet­zung aner­ken­nen und sicht­bar machen. Diese digi­ta­len Abzei­chen erhö­hen die Vertrau­ens­wür­dig­keit und Sicht­bar­keit der Orga­ni­sa­tio­nen und moti­vie­ren sie, ihre Profile voll­stän­dig und aktu­ell zu halten.was wiederum die Quali­tät und Zuver­läs­sig­keit der auf unse­rer Platt­form verfüg­ba­ren Daten stei­gert. Wir sind das führende Verzeich­nis für Akteur:innen der Schwei­zer Phil­an­thro­pie und möch­ten diese Posi­tion durch konti­nu­ier­li­che Verbes­se­run­gen und erwei­terte Dienst­leis­tun­gen weiter festigen.

Zusam­men­ar­beit als Schlüssel

Lucía Gómez, wie könn­ten Forschung und Praxis besser zusam­men­ar­bei­ten, um die Daten­lage in der Phil­an­thro­pie zu verbessern?

L.G.: Es braucht mehr gemein­same Ansätze und Austausch­platt­for­men, wie zum Beispiel StiftungSchweiz. Wenn wir koope­ra­tiv Daten erhe­ben, können wir die Basis mit wenig Aufwand für alle Akteure substan­ti­ell verbes­sern. Auch eine Open Data Platt­form, wie von Katja Schö­nen­ber­ger erwähnt, wäre ein Quantensprung.

Welche Rolle spie­len öffent­li­che und private Akteure bei der Verbes­se­rung der Datenlage?

L.G.: Die Diskus­sion in der Jour­ney hat gezeigt, dass es alle dazu braucht. Meines Erach­tens führen verschie­dene Wege ans Ziel und wir soll­ten prag­ma­tisch darauf fokus­sie­ren, Syner­gien zu nutzen und die Daten­in­itia­tive gemein­sam voranzutreiben.

Die Zukunft der daten­ba­sier­ten Philanthropie

Stefan Schöbi, wie sehen Sie die die Zukunft der daten­ba­sier­ten Phil­an­thro­pie in der Schweiz?

S. Sch: Die Digi­ta­li­sie­rung ermög­licht Effi­zi­enz­ge­winne und schafft die Grund­lage für eine daten­ba­sierte und damit wirkungs­vol­lere Phil­an­thro­pie, was letzt­lich allen Akteur:innen zugu­te­kommt. Darum bieten wir mit StiftungSchweiz einfa­che digi­tale Instru­mente zu erschwing­li­chen Prei­sen. Gleich­zei­tig schafft die digi­tale Welt auch neue Heraus­for­de­run­gen, vor denen wir nicht die Augen verschlies­sen soll­ten. Ein Beispiel: Weil digi­tale Tech­no­lo­gie auch anony­mer ist, müssen wir die Authen­ti­zi­tät der Akteur:innen und die Inte­gri­tät der Daten sorg­fäl­ti­ger prüfen. Auch davon profi­tie­ren am Ende alle. Oder zumin­dest die Ehrli­chen (lacht).

Die Digi­ta­li­sie­rung ermög­licht Effi­zi­enz­ge­winne und schafft die Grund­lage für eine daten­ba­sierte Philanthropie

Stefan Schöbi, Geschäfts­füh­rer StiftungSchweiz

Hand aufs Herz, wie sicher sind die sensi­blen Daten bei StiftungSchweiz?

S. Sch: Die Erfah­rung zeigt, dass keine tech­ni­sche Sicher­heits­mass­nah­men abso­lute Sicher­heit bieten. Allzu rigo­rose Umset­zun­gen gehen zudem schnell auf Kosten der Nutzer­freund­lich­keit. Augen­mass ist also gefor­dert. Und gute Team­kul­tur, denn fast immer ist der Mensch das schwächste Glied in der Kette. Das alles haben wir uns bei StiftungSchweiz auf die Fahne geschrieben.

Die Nutzer:innen können also sicher sein, dass Sie ihre Daten nicht unter der Hand weiterverkaufen?

S. Sch.: Mit dem vor andert­halb Jahren publi­zier­ten und kürz­lich erwei­ter­ten Daten­leit­bild setzen wir uns frei­wil­lig enge Schran­ken in der Nutzung der Daten, die auf unse­rer Platt­form gespei­chert werden. Wir gehen dabei deut­lich weiter, als beispiels­weise die NZZ, die viele der Akteur:innen sicher als Refe­renz bezeich­nen würden. Kürz­lich wurde publik, dass die NZZ die Nutzungs­da­ten sehr unzim­per­lich weiter­ver­kauft, um Werbe­ein­nah­men zu stei­gern. Ein solcher Verkauf ist bei Stifif­tung­S­chweiz schon im Daten­leit­bild ausge­schlos­sen. Für uns als Anbie­ter von Soft­ware für die Schwei­zer Phil­an­thro­pie ist es entschei­dend, ein vertrau­ens­wür­di­ger Part­ner zu sein – und das auf lange Sicht.

Phil­an­thro­pie im digi­ta­len Zeit­al­ter
Im gemein­sa­men Essen­tial «Digi­tale Phil­an­thro­pie für Funders» präsen­tie­ren Swiss­Foun­da­ti­ons und StiftungSchweiz ihre Vision einer moder­nen Phil­an­thro­pie im digi­ta­len Zeit­al­ter. Erfah­ren Sie, wie digi­tale Werk­zeuge die Wirkung maxi­mie­ren und die Förder­stra­te­gien und Tätig­kei­ten der Zukunft gestal­ten können.
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