Transparenz steigert Vertrauen
Katja Schönenberger, Sie sind erst seit einem halben Jahr Geschäftsführerin von SwissFoundations und waren daher nur am Rande an der Journey beteiligt. Trotzdem setzen Sie sich stark für mehr Transparenz und eine bessere Datenbasis ein. Warum?
Katja Schönenberger: Daten sind essenziell für die breite Akzeptanz des Stiftungssektors. Sie ermöglichen uns, transparent zu zeigen, was wir tun und welche grossflächige Wirkung unsere Arbeit hat. SwissFoundations ist Transparenz ein grosses Anliegen. Deshalb stehen wir auch für den dritten Grundsatz im Swiss Foundation Code ein, der lautet: «Die Stiftung pflegt eine möglichst grosse Transparenz über ihre Grundlagen, Ziele, Strukturen und Tätigkeiten.» Deutlicher geht es nicht mehr.
Wie könnte eine verbesserte Datenerfassung die Arbeit von SwissFoundations beeinflussen?
K.S.: Eine präzisere Datenerfassung würde den Stiftungen erlauben, deren Strategien besser abzustimmen und dadurch zielgerichteter zu fördern. Fundiertere, datenbasierte Entscheidungsgrundlagen würden zu effektiverem Handeln führen.
Welche konkreten Schritte sollten unternommen werden, um die Datenlage zu verbessern?
K.S.: In einem ersten Schritt geht es darum, die Qualität und Zugänglichkeit der Daten zuverbessern – qualitativ ebenso wie quantitativ. Dies würde allen Beteiligten im Sektor zugutekommen. Eine wichtige Rolle könnten auch Open Data Plattformen spielen, da sie die verfügbaren Daten anonymisiert und aggregiert breit zugänglich machen. Es gibt hierzulande eine aktive Community rund um Open Data.
Die Qualität der Daten ist oft unzureichend
Lucía Gómez-Teijeiro, Sie haben die Journey als Mitarbeiterin der Universität Genf* aus wissenschaftlicher Perspektive begleitet – wie beurteilen Sie die Qualität der aktuellen Datenlage in der Philanthropie?
Lucía Gómez-Teijeiro: Die Qualität der Daten lässt oft zu wünschen übrig. Ein Beispiel: Um die inhaltliche Ausrichtung einer Förderorganisation zu beurteilen, bleibt uns heute oft nur der Stiftungszweck. Doch das ist methodisch unzureichend, weil der Stiftungszweck selten aktualisiert wird und wenig bis gar nichts über die aktuelle Vergabepraxis oder operative Schwerpunkte aussagt. Dies führt dazu, dass Analysen auf Basis dieser Daten den Eindruck erwecken, Philanthropie sei statisch – was definitiv nicht der Fall ist. Diese mangelnde Qualität und Tiefe der Daten limitieren die Analysemöglichkeiten erheblich. Das beeinträchtigt die Validität der Aussagen und schränkt damit letztlich auch die Unterstützungsleistung unserer Forschungsergebnisse für den Alltag der Philanthropie stark ein.
(*seit 1. Mai 2024 Dozentin im Tenure Track am Institut Applied Data der Berner Fachhochschule)
Wie sieht die Datenlage in anderen Ländern, speziell in den USA, aus?
L.G.: In den USA, insbesondere durch das öffentlich zugängliche Formular 990, gibt es einen einheitlichen Reporting Standard und dadurch eine weit bessere Datenbasis, die detaillierte Einblicke und Analysen ermöglicht. Das erleichtert im Übrigen auch die Koordination philanthropischer Bemühungen. Überschneidungen werden vermieden und Synergien stärker genutzt. Die klare Darstellung der Aktivitäten und Ergebnisse stärkt die Wirkung der Organisationen, da sie gezielter Unterstützung anbieten und effektiver auf gesellschaftliche Bedürfnisse reagieren können. Zudem erhöht die transparente Rechenschaftspflicht gegenüber privaten Geldgebern das Vertrauen und fördert die Spendenbereitschaft von privater Seite, indem sie aufzeigt, wie und wo die Mittel tatsächlich verwendet werden.
Welche Daten wären aus wissenschaftlicher Sicht besonders wertvoll und warum?
L.G.: Es geht hier vor allem um die konkreten Aktivitäten, im Sinne des «Walk the Talk». Besonders wertvoll wären detaillierte Angaben zu Jahresbudgets und thematischen Schwerpunkten. Das würde eine umfassende Übersicht über die Leistung des dritten Sektors ermöglichen. Wir könnten besser verstehen, wie gemeinnützige Organisationen innovative Lösungsansätze entwickeln und staatliche Leistungen ergänzen oder durch neue Ideen bereichern. Dadurch wird auch die Effektivität der Fördermassnahmen besser greifbar.
Besonders wertvoll wären detaillierte Angaben zu Jahresbudgets und thematischen Schwerpunkten.
Lucía Gómez-Teijeiro, Assistenzprofessorin Berner Fachhochschule
Offenheit schafft Legitimation
Katja Schönenberger, welche Vorteile bringt eine grössere Transparenz für die Mitglieder von SwissFoundations?
Gemeinnützige Stiftungen stehen unter zunehmendem Legitimationsdruck. Und das ist gut so. Stiftungen haben nichts zu verbergen, im Gegenteil, sie profitieren davon, wenn mehr Menschen wissen, was sie tun und warum. Grössere Transparenz führt dazu, dass die breite Bevölkerung besser versteht, welchen gesellschaftlichen Beitrag Förderstiftungen leisten. Das verbessert die Beziehungen zu verschiedenen Stakeholdern, was letztlich unsere Glaubwürdigkeit und Effektivität als Sektor erhöht.
Grössere Transparenz führt dazu, dass die breite Bevölkerung besser versteht, welchen gesellschaftlichen Beitrag Förderstiftungen leisten.
Katja Schönenberger, Geschäftsführerin SwissFoundations
Die derzeitige gesetzliche Offenlegungspflicht für steuerbefreite Stiftungen in der Schweiz ist sehr bescheiden – sollte sich daran etwas ändern?
K.S.: Entscheidend ist eine umfassende Datenerfassung über den gesamten Sektor hinweg, nicht nur über die Mitglieder von SwissFoundations; nur so können wir Daten gewinnen, die auch repräsentativ sind. Eine Anpassung der gesetzlichen Grundlage wurde im Rahmen der Learning Journey etwa von Nils Güggi, Leiter der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht, als Idee eingebracht. Dies wäre vermutlich das geeignete Mittel für eine vollständige sektorübergreifende Datenverfügbarkeit. Allerdings braucht ein solches Gesetz viel Zeit – ich denke, so lange sollten wir nicht zuwarten.
Ein freiwilliger erster Schritt
Stefan Schöbi, StiftungSchweiz hat die Organisationsprofile gerade um eine Statistiksektion ergänzt. Was erhoffen Sie sich konkret davon?
Stefan Schöbi: Es ist ein erster Schritt, aber ein wichtiger. Erstens können damit die von Lucia Gómez erwähnten besonders wertvollen Daten zügig erfasst werden. Wir bauen damit auf das bereits etablierte und akzeptierte Stiftungsbarometer auf, das wir durch einen neuen Panel-Ansatz ablösen. Denn die Bereitstellung der Daten ist für die Organisationen dadurch viel einfacher und benötigt einen Bruchteil der Zeit. Zweitens lässt der Ansatz auch Aussagen über künftige Entwicklungen zu. Welche Themen schwingen dieses Jahr oben auf? Decken die zur Verfügung gestellten Mittel den Bedarf gleichmässig oder werden Förderlücken sichtbar? Und drittens bauen wir mit der Statistiksektion eine Koalition der Willigen auf, die gerne vorwärts machen, statt in Grundsatzdebatten stecken zu bleiben.
Wie fördert StiftungSchweiz sonst noch die Verbesserung der Datentransparenz in der Philanthropie?
S. Sch.: Gleichzeitig mit der Statistiksektion führen wir auf stiftungschweiz.ch eine Reihe von Badges ein, die Transparenz, Engagement und Vernetzung anerkennen und sichtbar machen. Diese digitalen Abzeichen erhöhen die Vertrauenswürdigkeit und Sichtbarkeit der Organisationen und motivieren sie, ihre Profile vollständig und aktuell zu halten.was wiederum die Qualität und Zuverlässigkeit der auf unserer Plattform verfügbaren Daten steigert. Wir sind das führende Verzeichnis für Akteur:innen der Schweizer Philanthropie und möchten diese Position durch kontinuierliche Verbesserungen und erweiterte Dienstleistungen weiter festigen.
Zusammenarbeit als Schlüssel
Lucía Gómez, wie könnten Forschung und Praxis besser zusammenarbeiten, um die Datenlage in der Philanthropie zu verbessern?
L.G.: Es braucht mehr gemeinsame Ansätze und Austauschplattformen, wie zum Beispiel StiftungSchweiz. Wenn wir kooperativ Daten erheben, können wir die Basis mit wenig Aufwand für alle Akteure substantiell verbessern. Auch eine Open Data Plattform, wie von Katja Schönenberger erwähnt, wäre ein Quantensprung.
Welche Rolle spielen öffentliche und private Akteure bei der Verbesserung der Datenlage?
L.G.: Die Diskussion in der Journey hat gezeigt, dass es alle dazu braucht. Meines Erachtens führen verschiedene Wege ans Ziel und wir sollten pragmatisch darauf fokussieren, Synergien zu nutzen und die Dateninitiative gemeinsam voranzutreiben.
Die Zukunft der datenbasierten Philanthropie
Stefan Schöbi, wie sehen Sie die die Zukunft der datenbasierten Philanthropie in der Schweiz?
S. Sch: Die Digitalisierung ermöglicht Effizienzgewinne und schafft die Grundlage für eine datenbasierte und damit wirkungsvollere Philanthropie, was letztlich allen Akteur:innen zugutekommt. Darum bieten wir mit StiftungSchweiz einfache digitale Instrumente zu erschwinglichen Preisen. Gleichzeitig schafft die digitale Welt auch neue Herausforderungen, vor denen wir nicht die Augen verschliessen sollten. Ein Beispiel: Weil digitale Technologie auch anonymer ist, müssen wir die Authentizität der Akteur:innen und die Integrität der Daten sorgfältiger prüfen. Auch davon profitieren am Ende alle. Oder zumindest die Ehrlichen (lacht).
Die Digitalisierung ermöglicht Effizienzgewinne und schafft die Grundlage für eine datenbasierte Philanthropie
Stefan Schöbi, Geschäftsführer StiftungSchweiz
Hand aufs Herz, wie sicher sind die sensiblen Daten bei StiftungSchweiz?
S. Sch: Die Erfahrung zeigt, dass keine technische Sicherheitsmassnahmen absolute Sicherheit bieten. Allzu rigorose Umsetzungen gehen zudem schnell auf Kosten der Nutzerfreundlichkeit. Augenmass ist also gefordert. Und gute Teamkultur, denn fast immer ist der Mensch das schwächste Glied in der Kette. Das alles haben wir uns bei StiftungSchweiz auf die Fahne geschrieben.
Die Nutzer:innen können also sicher sein, dass Sie ihre Daten nicht unter der Hand weiterverkaufen?
S. Sch.: Mit dem vor anderthalb Jahren publizierten und kürzlich erweiterten Datenleitbild setzen wir uns freiwillig enge Schranken in der Nutzung der Daten, die auf unserer Plattform gespeichert werden. Wir gehen dabei deutlich weiter, als beispielsweise die NZZ, die viele der Akteur:innen sicher als Referenz bezeichnen würden. Kürzlich wurde publik, dass die NZZ die Nutzungsdaten sehr unzimperlich weiterverkauft, um Werbeeinnahmen zu steigern. Ein solcher Verkauf ist bei StififtungSchweiz schon im Datenleitbild ausgeschlossen. Für uns als Anbieter von Software für die Schweizer Philanthropie ist es entscheidend, ein vertrauenswürdiger Partner zu sein – und das auf lange Sicht.
Philanthropie im digitalen Zeitalter
Im gemeinsamen Essential «Digitale Philanthropie für Funders» präsentieren SwissFoundations und StiftungSchweiz ihre Vision einer modernen Philanthropie im digitalen Zeitalter. Erfahren Sie, wie digitale Werkzeuge die Wirkung maximieren und die Förderstrategien und Tätigkeiten der Zukunft gestalten können.
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