Gutes tun – und erst noch gut tun –, das ist leichter gesagt als getan. Wer Geld für gesellschaftliche Zwecke zur Verfügung stellt, überlegt sich natürlich, wie damit möglichst viel erreicht werden kann. Förderorganisationen setzen dazu präzise Ziele, schaffen einen vertraglichen Rahmen und fordern Rechenschaft und Berichterstattung – und dies alles, um sicherzustellen, dass das zur Verfügung gestellte Geld auch tatsächlich die gewünschte Wirkung auslöst und nicht etwa verschwendet wird. Durch diese Massnahmen lässt sich das Risiko zwar reduzieren, sie binden aber auch selbst viele Ressourcen, die damit für die Wirkung nicht mehr zur Verfügung stehen.
Unternehmerisch fördern
Einen grundsätzlich anderen Weg schlagen unternehmerische Fördermodelle ein. Sie sind ganz auf die finanzielle Selbstständigkeit eines Projektes ausgerichtet: Damit sind sie nicht zweckgebunden und nehmen für sich auch in Anspruch, den Aufwand für ein ausgeprägtes Reporting oder für weiteres Fundraising zu minimieren und die Ressourcen des Umsetzungspartners dadurch maximal zu schonen.
Von diesen Vorteilen ist Thimo Wittkämper überzeugt. Er ist Doktorand an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich und Mitarbeiter am Zentrum für Stiftungsrecht. Unternehmerische Förderung bedinge eine engere Zusammenarbeit mit den Förderpartnern: «Wenn sich eine Stiftung aktiv an der Verwirklichung einer Geschäftsidee beteiligt, muss sie sich auch intensiv mit dem Projekt auseinandersetzen. Das eröffnet ein erhebliches Wirkungspotenzial: Indem versucht wird, Projekte in die finanzielle Selbständigkeit zu steuern, haben Stiftungen die Möglichkeit, eine anhaltende Wirkung zu kreieren, die über die eigentliche Förderdauer hinausgeht.»
Thimo Wittkämper bezeichnet diese Nachhaltigkeit als «Kreislauf des philanthropischen Kapitals»: Indem wieder Geld an die Stiftung zurückfliesst, können die Mittel mehrfach zur Zweckerfüllung verwendet werden. Zugleich werde eine Lücke zwischen Non-Profit- und For-Profit-Organisationen geschlossen: Es werden auch Projekte gefördert, die nicht genügend attraktiv für eine klassische Finanzierung sind, jedoch zu unternehmerisch sind, um steuerbefreit zu werden und klassische à‑fonds-perdu-Beiträge zu erhalten.
Die Theorie ist abgestützt, die Praxis fehlt
Soweit die Theorie – doch wo steht die Schweizer Philanthropie in der Praxis punkto unternehmerische Förderformen? «Noch am Anfang und mitten im Lernprozess», sagt Thimo Wittkämper. Nicht nur bestünden weiterhin praxisrelevante Rechtsfragen im Umgang mit solchen Förderformen. Vor allem gehe es jetzt um den Schritt vom Interesse zur Umsetzung. «Je mehr Stiftungen bereit sind, solche Formen umzusetzen und ihre Lessons learned zu teilen, desto zugänglicher werden sie auch für andere Stiftungen».
Je mehr Stiftungen bereit sind, solche Formen umzusetzen und ihre Lessons learned zu teilen, desto zugänglicher werden sie auch für andere Stiftungen
Thimo Wittkämper, Universität Zürich
An Motivation und Kompetenz im Thema fehle es jedenfalls nicht, davon ist auch Maximilian Martin, Global Head of Philanthropy bei Lombard Odier und Vorstandsmitglied von SwissFoundations, überzeugt. Er hat diesen Sommer im Rahmen einer Vorstudie zehn Schweizer Förderstiftungen zu ihrer aktuellen unternehmerischen Förderung befragt. Die Resultate bilden nun die Grundlage für eine umfassendere Studie, die im kommenden Jahr durchgeführt und am nächsten Stiftungssymposium vorgestellt werden soll.
Aus den bisherigen Resultaten wird deutlich: Es sind vor allem eine Handvoll bekannte Förderorganisationen, die Impact Investing bereits ausgiebig erprobt haben. So verfolge die Gebert Rüf Stiftung schon längere einen Fokus auf Innovationsprojekte und baue nun mittels des Kick Funds eine regelrechte Pipeline von Projekten auf, um eine raschere Skalierung zu erreichen. «Stiftungen, die unternehmerisch fördern, sind heute oft noch in der Pionierrolle», sagt Maximilian Martin. Deshalb stellt die erwähnte Vorstudie, die Einsichten aus den zehn Gesprächen mit einbezieht, die verschiedenen Handlungsoptionen dar, so dass künftige empirische Arbeiten darauf aufbauen können.
Stiftungen, die unternehmerisch fördern, sind heute oft noch in der Pionierrolle
Maximilian Martin, Lombard Odier | SwissFoundations
Zu den Pionieren im Impact Investing zähle zweifelsohne auch die elea Foundation for Ethics in Globalization, so Martin. «Ihr Förderansatz zur Bekämpfung von absoluter Armut folgt dem Prinzip des philanthropischen Investierens in KMUs mit hohem sozialem Impact.» Gerade im Feld der Entwicklungszusammenarbeit könnten unternehmerische Ansätze erwiesenermassen viel bewirken. Martin betont: «Wenn eine Stiftung unternehmerisch fördern möchte, muss sie klären, wie sie zur dazu erforderlichen Expertise kommt, ob sie diese also selbst aufbaut oder auf sie zugreift, indem sie in Abstimmung mit ähnlich denkenden Stiftungen operiert.»
Genau hier bietet elea Hand für die ersten Schritte, indem sie Förderstiftungen und Stifter:innen ermöglicht, auch ohne Vorwissen ins Impact Investing einzusteigen. Seit ihrer Gründung 2006 investiert elea philanthropisches Kapital in unternehmerisch geführte Organisationen, die eine nachhaltige soziale Wirkung erzielen. Die Stiftung arbeitet dabei direkt mit Impact-Unternehmer:innen zusammen, die mit wirtschaftlich tragfähigen Modellen als Katalysatoren den Wandel in ihren Ökosystemen vorantreiben. Sie ist aktiv in Afrika, Asien und Lateinamerika.
Und wie arbeitet man ganz konkret mit elea zusammen? «Im Rahmen persönlicher Gespräche mit Stifter:innen und Stiftungsvertreter:innen tauschen wir uns über den Stiftungszweck und die konkreten Ambitionen im Bereich philanthropischen Investierens aus», erklärt Isabelle von Jeinsen. Sie ist Head of Philanthropic Investors’ Circle der Stiftung. «Philanthropische Investor:innen können ihre finanziellen Beiträge gezielt einzelnen Impact-Ventures zuweisen oder Unternehmen nach bevorzugten Investitionsthemen und geografischen Schwerpunkten auswählen.» Dadurch könne ein individuelles, diversifiziertes Portfolio von unternehmerischen Engagements aufgebaut werden.
Philanthropische Investor:innen können ihre finanziellen Beiträge gezielt einzelnen Impact-Ventures zuweisen oder Unternehmen nach bevorzugten Investitionsthemen und geografischen Schwerpunkten auswählen.
Isabelle von Jeinsen, elea
Die elea Stiftung war schon im Impact Investing aktiv, bevor das Thema in Mode kam und auch lange, bevor die Zürcher Steuerbehörde dem Fördermodell im Februar 2024 die Türen weit geöffnet hat – und dies nicht nur auf der Anlage- sondern auch auf der Förderseite. Dennoch stelle die Anpassung der Praxis zur Steuerbefreiung einen wichtigen Meilenstein dar, so von Jeinsen. Denn er bestätige, dass unternehmerische Ansätze auch mit philanthropischem Kapital gefördert werden sollten. «Wir spüren ein zunehmendes Interesse von gemeinnützigen Stiftungen, sowohl am Thema Impact Investing als auch speziell am elea-Modell. Und das Impact-Investing-Ökosystem wächst in Bezug auf die Akteure, deren Vernetzung und den Austausch untereinander.»
Der Eiertanz rund um den Gewinn
Auch Isabelle von Jeinsen unterstreicht, dass unternehmerische Förderung im Erfolgsfall eine Situation schaffe, in der die geförderte Organisation ihr Wachstum und ihren Fortbestand langfristig selbst finanzieren könne. «Impact-Unternehmer:innen denken in den Dimensionen von Lebensaufgaben und Generationen», fügt sie an.
Ermöglicht wird diese Stabilität durch unternehmerischen Gewinn – und Gewinn wird in der gemeinnützigen Welt oft skeptisch betrachtet. Warum ist das so? Laut Lukas Hotz, Co-Founder von Purpose Schweiz, darf das Streben nach Gewinn und der eigentliche Sinn und Zweck eines Unternehmens nicht auseinander laufen. «Wenn finanzielle Interessen plötzlich die inhaltlichen Interessen zu dominieren beginnen, wird die unmittelbare Gemeinnützigkeit eines Vorhabens torpediert.» Doch umgekehrt könne der Gewinn bzw. die Gewinnorientierung ein starker Katalysator sein, um effizient und effektiv zu handeln und langfristig unabhängig und eigenständig zu sein.
Lukas Hotz ist überzeugt: «Die ökonomische Nachhaltigkeit ist genauso wichtig für eine langfristige Wirkung wie die soziale und ökologische.» Dazu kommt: Erfolgreiche Unternehmen schaffen Arbeitsplätze. Zentral sei aber die Frage, was mit Gewinnen passiere – wenn diese dann einmal vorhanden seien. Aus Sicht von Purpose Schweiz sollten unternehmerische Gewinne zu allererst ins Unternehmen reinvestiert werden – nicht zuletzt auch in Form von besseren Gehältern und generell verbesserten Arbeitskonditionen. Denn dies alles führe dazu, dass die Wertschöpfung eines Unternehmens breiter in der Gesellschaft verteilt werde und sich nicht bei einem kleinen Kreis konzentriert. Erst in zweiter Linie und nur in begrenztem Mass dürfen sie von der Eigentümerschaft abgezogen werden, so wollen es die Grundsätze des Steward-Ownership, das Purpose Schweiz stärken möchte.
Die ökonomische Nachhaltigkeit ist genauso wichtig für eine langfristige Wirkung wie die soziale und ökologische
Lukas Hotz, Purpose Schweiz
Steuerbefreiter Verein oder gewinnorientierte GmbH?
Was aber ändert sich konkret, wenn eine Förderstiftung mit einer gewinnorientierten AG oder einer GmbH statt mit einem steuerbefreiten Verein zusammenarbeitet? Die inhaltliche Wirkung der Förderung entwickelt sich unabhängig von der Rechtsform, und auch ein finanzieller Ertrag kann grundsätzlich sowohl in einem Verein wie einer AG oder GmbH anfallen. Dann aber enden die Gemeinsamkeiten. Lukas Hotz: «Anders als beim steuerbefreiten Verein haben die Eigentümer:innen einer AG oder GmbH das Recht, die Gewinne aus dem Unternehmen abzuziehen.» Dies geschieht, indem sie Dividenden ausschütten oder Anteile mit einem gesteigerten Unternehmenswert verkaufen. Damit fliesst, so die Sichtweise der Skeptiker, Fördergeld indirekt in die Tasche von Privatpersonen. Und um das (oder zumindest diesen Vorwurf) von vornherein auszuschliessen, arbeiten Stiftungen eben lieber mit Vereinen als mit AGs oder GmbHs zusammen.
Dabei gibt es einen Ausweg aus dem Dilemma. Sie trägt die bereits erwähnte und etwas umständliche Bezeichnung «Steward Ownership», auf Deutsch meist mit «Verantwortungseigentum» übersetzt. Lukas Hotz hat in den letzten Jahren bereits zahlreiche Organisationen beim Schritt ins Verantwortungseigentum begleitet. Mit einer Selbstbeschränkung wird dabei die Gewinnabschöpfung langfristig begrenzt und gleichzeitig die Entscheidungskompetenz nuanciert von der Eigentümerschaft in Richtung der Unternehmer:innen verschoben.
Damit die Lösung rechtsverbindlich ist, muss eine entsprechende Eigentumsstruktur mit dem nötigen Vertragswerk abgesichert werden. So werden die vom Unternehmen erwirtschafteten Gewinne primär an das Unternehmen bzw. den Unternehmenszweck gebunden und können nicht mehr unlimitiert und willkürlich von den Eigentümer:innen entnommen werden. Das mache eine AG oder GmbH im Steward Ownership für Förderorganisationen interessant, findet Lukas Hotz: «Natürlich soll eine angemessene Kompensation für Gründer:innen und Investor:innen möglich sein, diese hat aber im Steward Ownership ein definiertes Maximum. Damit wird sichergestellt, dass auch philanthropisches Kapital zweckgebunden verwendet wird und systemische Effekte zum Tragen kommen.»
Wo anfangen?
Lukas Hotz bestätigt: Die Möglichkeiten für unternehmerische Philanthropie sind vorhanden, es fehlt die Praxis. Und vielleicht, so lässt sich anfügen, fehlt dazu die nötige Portion Mut. Vor allem aber fehlt es an Know How, welches Instrument denn nun für diese und jene Situation das geeignete sei. Thimo Wittkämper: «Es existiert eine grosse Bandbreite innovativer Finanzinstrumente, die sich für die Durchführung unternehmerischer Fördermodelle eignen; und oft kommen Mischformen zum Einsatz.»
Eine solche Mischform enthält beispielsweise eine erfolgsbedingte Umwandlung eines Á‑fonds-perdu-Beitrags in ein Darlehen, oder umgekehrt. Wittkämper: «Ein Instrument, das sich im Moment zu verbreiten scheint, sind sogenannte Recoverable Grants bzw. Forgivable Loans, also rückgewinnbare Förderbeiträge bzw. entschuldbare Darlehen. Dabei handelt es sich um Darlehen bzw. Zuwendungen, deren Rückzahlungsbedingungen sich nach einem wirkungsbezogenen Erfolgsfall richten. Das Sozialunternehmen muss ein Darlehen etwa nur dann zurückzahlen, wenn gewisse vordefinierte Milestones erreicht werden. Auch Darlehensgarantien durch Stiftungen, die Sozialunternehmen bankfähig machen, sind vielversprechende Tools. Welches Instrument das passende ist, hängt aber stark vom geförderten Projekt ab.»
Bootcamp Impact Investing in der Praxis
Um dieser Praxis näher zu kommen, haben SwissFoundations und StiftungSchweiz ein Bootcamp entwickelt, welches Stiftungsrätinnen und ‑räte oder Mitarbeteinde der Geschäftsstelle im Rahmen eines eintägigen Kompaktseminars ins Thema einführt. Die Inputs von Isabelle von Jeinsen, Maximilian Martin, Lukas Hotz und Thimo Wittkämper haben das Ziel, die Teilnehmer:innen sattelfest und handlungsfähig zu machen. Die erste Durchführung findet am 20. November von 9 bis 15 Uhr statt, eine Teilnahme kann wahlweise vor Ort in Basel oder via Livestream erfolgen (siehe Kasten).
Mit der Praxisänderung des Zürcher Steueramts hat die – gemessen an der Zahl der betreuten Stiftungen – wichtigste Behörde ein deutliches Signal gegeben. Nun ist der Ball beim Sektor, wenn es gilt, das Feld der erweiterten Möglichkeiten auch sinnvoll zu nutzen. Dies gilt auch für Stiftungen unter eidgenössischer Aufsicht oder mit einer anderen kantonalen Aufsichtsbehörde. Zwar seien viele kantonale Steuerbehörden immer noch skeptisch gegenüber unternehmerischen Fördermodellen, weiss Thimo Wittkämper, solange diese aber nur einen Teil der gesamten Fördertätigkeit ausmachen, werden sie toleriert: «Man hört doch immer wieder von unternehmerisch fördernden Stiftungen, dass sie die Steuerbefreiung erlangt haben und Mittelrückflüsse akzeptiert werden. Daraus lassen sich zwar noch keine allgemeinen Rückschlüsse über die Praxis verschiedener Steuerbehörden ableiten. Vielerorts werden solche Förderformen heute aber akzeptiert, wenn diese 10 Prozent des Fördervolumens nicht überschreiten.» Die genaue Prozentzahl könne in den Kantonen dabei variieren.
Über das Bootcamp Impact Investing in der Praxis
Impact Investing zielt neben finanzieller Rendite auch auf positive gesellschaftliche Wirkung. Der Kanton Zürich ermöglicht es Stiftungen durch eine zeitgemässe Steuerpraxis, ihren Stiftungszweck auch über Impact Investing und weitere unternehmerische Ansätze zu verfolgen und das katalytische Potenzial von Philanthropie besser auszuschöpfen.
Was bedeutet es, unternehmerische Rechtsformen zu fördern? Welche Formen der Unterstützung kommen in Frage – und wie stellen Sie sicher, dass der gemeinnützige Zweck im Zentrum steht? In diesem zusammen mit SwissFoundations, dem Zentrum für Stiftungsrecht, elea und Purpose Schweiz angebotenen Bootcamp beleuchten wir Chancen und Risiken des Ansatzes und führen Sie durch die wichtigen Schritte der Abklärung, Vorbereitung und Umsetzung einer unternehmerischen Förderung – sei dies selbständig oder als Teil eines gemeinsamen Ansatzes.
Nächste Durchführung: 20.11.2024, 9–15h, vor Ort in Basel oder via Livestream
Preis: CHF 690 (vor Ort) oder CHF 490 (Livestream) für Funders, 490 (vor Ort) oder CHF 290 (Livestream) für Nonprofits.
Anmeldung
Auch der Stiftungsrechtstag unseres Partners, dem Zentrum für Stiftungsrecht, greift am 30. Januar 2025 die Themen Impact Investing und unternehmerische Förderung auf. Weitere Informationen finden Sie hier.