Judith Schläpfer, Geschäftsführerin Volkart Stiftung, Andrew Holland, Geschäftsführer Stiftung Mercator Schweiz, Bilder: Thi My Lien Nguyen, ZvG

Media Forward Fund fördert unab­hän­gige Quali­täts­me­dien mit trag­fä­hi­gen Geschäftsmodellen

Stiftungen und ein Impact Investor aus Deutschland, Österreich und der Schweiz lancieren den Media Forward Fond. Die Initiative will unabhängigen Qualitätsjournalismus fördern. Judith Schläpfer, Geschäftsführerin der Volkart Stiftung, und Andrew Holland, Geschäftsführer der Stiftung Mercator Schweiz, sagen, weshalb die beiden Stiftungen die Initiative mittragen und welche Bedeutung der unabhängige Journalismus für eine Demokratie hat.

Wie hat sich die Situa­tion für den unab­hän­gi­gen Jour­na­lis­mus in den letz­ten Jahren geän­dert, dass Sie den Fund gerade jetzt gründen?

Andrew Holland: Medien haben insbe­son­dere in Krisen­zei­ten eine grosse Verant­wor­tung und spie­len eine wich­tige Rolle in der fakten­ba­sier­ten Infor­ma­tion und Einord­nung. Im besten Fall zeigen sie Lösungs­mög­lich­kei­ten auf im Sinne eines lösungs­ori­en­tier­ten Jour­na­lis­mus. Doch die finan­zi­elle Situa­tion des Jour­na­lis­mus spitzt sich weiter zu. In allen Ländern im DACH-Raum ist der Spar­druck gross – bei gros­sen Medi­en­häu­sern wie bei klei­nen Medi­en­un­ter­neh­men. Vielen Medien gelingt es nach wie vor nicht, die wegbre­chen­den Einnah­men im Print­be­reich im digi­ta­len Raum zu kompen­sie­ren. Die Folge ist, dass Stel­len abge­baut werden und in der Konse­quenz der thema­ti­sche Umfang und die jour­na­lis­ti­sche Quali­tät der Bericht­erstat­tung abnimmt. Gleich­zei­tig ändert sich das Nutzungs­ver­hal­ten insbe­son­dere der jungen Generationen.

Wenn wir keine Trend­um­kehr schaf­fen, wird der Jour­na­lis­mus mittel­fris­tig seine demo­kra­tie­re­le­vante Funk­tion der zuver­läs­si­gen Infor­ma­ti­ons­ver­mitt­lung und
-einord­nung nicht mehr erfül­len können.

Judith Schl­äp­fer, Geschäfts­füh­re­rin Volkart Stiftung

Judith Schl­äp­fer: Wenn wir keine Trend­um­kehr schaf­fen, wird der Jour­na­lis­mus mittel­fris­tig seine demo­kra­tie­re­le­vante Funk­tion der zuver­läs­si­gen Infor­ma­ti­ons­ver­mitt­lung und
-einord­nung nicht mehr erfül­len können. In Deutsch­land entste­hen bereits jetzt soge­nannte Nach­rich­ten­wüs­ten, also ganze Regio­nen, die von keinem Medium mehr jour­na­lis­tisch abge­deckt werden. Wozu das führt, zeigen Studien: Immer weni­ger Menschen enga­gie­ren sich in den Gemein­den, niemand stellt sich mehr zur Wahl und auch die Wahl­be­tei­li­gung sinkt. Desin­for­ma­tion fällt auf frucht­ba­ren Boden. Die Schweiz ist (noch) nicht so weit, aber die Medi­en­kon­zen­tra­tion schrei­tet unge­bro­chen voran.

Unab­hän­gi­ger Jour­na­lis­mus ist demokratierelevant. 

Andrew Holland, Geschäfts­füh­rer Stif­tung Merca­tor Schweiz

AH: Diesen Entwick­lun­gen wollen wir länder­über­grei­fend und gemein­sam etwas entge­gen­set­zen, indem wir gezielt die Entwick­lung trag­fä­hi­ger, jour­na­lis­ti­scher Geschäfts­mo­delle und damit die Medi­en­viel­falt fördern. Über­zeugt davon, dass es dafür höchste Zeit ist. Denn unab­hän­gi­ger Jour­na­lis­mus ist demokratierelevant.

Suchen Sie noch Geld für den Media Forward Fund?

JS: Der Fund steht weite­ren Geld­ge­bern jeder­zeit offen. Bereits vor dem Launch konn­ten wir konti­nu­ier­lich weitere Stif­tun­gen gewin­nen, sodass nun rund sechs Millio­nen Euro für die nächs­ten drei Jahre zur Verfü­gung stehen. Das ambi­tio­nierte, länger­fris­tige Ziel beträgt rund 25 Millio­nen. Mittel­fris­tig möch­ten wir dafür auch öffent­li­che Gelder mobi­li­sie­ren. Die Lancie­rung des Funds wird bereits von der Beauf­trag­ten der deut­schen Bundes­re­gie­rung für Kultur und Medien gefördert.

Wie sind Sie zum Fund gestossen?

AH: Um den genann­ten Heraus­for­de­run­gen für Jour­na­lis­mus und Demo­kra­tie im deutsch­spra­chi­gen Raum gemein­sam und länder­über­grei­fend zu begeg­nen, entstand – ausge­hend von Gesprä­chen zwischen der Schöpf­lin Stif­tung und der Stif­tung Merca­tor Schweiz – die Idee, einen Medi­en­fonds im DACH-Raum zu lancie­ren. Darauf­hin haben wir das Gespräch mit ande­ren mögli­chen Stif­tun­gen, darun­ter auch mit der Volkart Stif­tung gesucht.

JS: Wir pfle­gen seit Jahren einen engen Austausch mit der Stif­tung Merca­tor Schweiz und fördern gemein­sam Projekte, da wir gemein­sam mehr bewe­gen, Syner­gien nutzen und Erfah­run­gen austau­schen können. Da die Volkart Stif­tung seit drei Jahren gezielt gemein­nüt­zi­gen Jour­na­lis­mus und sein Ökosys­tem fördert, war es ein logi­scher Schritt, beim Aufbau des Media Forward Fund mitzu­ma­chen und mitzu­ge­stal­ten. Die Zusam­men­ar­beit mit den ande­ren Stif­tun­gen ist sehr span­nend und sie macht Spass, da wir das glei­che Ziel verfol­gen. Es freut uns sehr, dass während der Konzept­phase auch die Stif­tung für Medi­en­viel­falt dazu­ge­stos­sen ist. Wir drei Schwei­zer Stif­tun­gen arbei­ten im Medi­en­be­reich schon länger zusam­men, und wir würden uns sehr freuen, wenn sich auch weitere Stif­tun­gen aus der Schweiz von der Idee des Funds begeis­tern lassen.

Warum haben Sie die Form eines Funds gewählt?

JS:  Mit der Grün­dung eines Funds können exis­tie­rende Kräfte in der Medi­en­för­de­rung gebün­delt und neue Akteure für Inves­ti­tio­nen in Medien gewon­nen werden. Neben den Finan­zen kann darin auch Wissen gepoolt werden. Wir können so ausser­dem eine profes­sio­nelle Struk­tur aufbauen, die nach klaren Förder­kri­te­rien mit einer unab­hän­gi­gen Jury, gemein­wohl­ori­en­tier­ten Jour­na­lis­mus fördert. Und der Fund garan­tiert durch den grös­se­ren Finanz­topf schnel­lere Mach­bar­keit, Plan­bar­keit und eine nach­hal­tige Brei­ten­wir­kung, wie wir sie alleine nie errei­chen würden.

Sind Inves­ti­tio­nen in den Fund «à fonds perdu» oder erhal­ten Inves­to­ren und Inves­to­rin­nen einen Return on Investment?

AH: Das gepoolte Geld der Stif­tun­gen und weite­ren Geld­ge­bern, sprich die bisher gespro­che­nen sechs Millio­nen, werden «à fonds perdu» gespro­chen. Gleich­zei­tig entsteht ein paral­le­ler Fund, der zwar die glei­chen Förder­kri­te­rien verwen­det, aber stär­ker auf Family Offices und Impact-Investor:innen zielt. Dieser zweite Fund soll den Medien nied­rig­ver­zinste Darle­hen ermög­li­chen. Es werden also dort aber keine hohen Rendi­ten verspro­chen, sondern gesell­schaft­li­che Wirkung.

Der Geschäfts­füh­rer hat jour­na­lis­ti­sche Erfah­rung. Weshalb ist das wich­tig bei der Entwick­lung von Geschäftsmodellen?

AH: Wir sind sehr glück­lich, dass wir Martin Koty­nek für den Aufbau des Funds als Grün­dungs­ge­schäfts­füh­rer gewin­nen konn­ten. Martin Koty­nek war Chef­re­dak­tor beim Stan­dard in Öster­reich und in leiten­den Funk­tio­nen bei der Deut­schen ZEIT tätig. Er ist inter­na­tio­nal mit jour­na­lis­tisch inno­va­ti­ven Medienunternehmer:innen vernetzt, versteht das jour­na­lis­ti­sche Kern­ge­schäft und kennt die neues­ten Entwick­lun­gen im Bereich der Geschäfts­mo­delle. Für den Fund ist diese breite Perspek­tive ein gros­ser Gewinn.

Sie lancie­ren einen länder­über­grei­fen­den Fund zur Jour­na­lis­mus­för­de­rung in Deutsch­land, Öster­reich und der Schweiz: Ist das Ziel, auch länder­über­grei­fende Projekte zu fördern?

AH: Der Fund will Medien, Projekte, Ideen und Menschen fördern, die expe­ri­men­tie­ren und Neues auspro­bie­ren und dabei ein kalku­lier­ba­res Risiko einge­hen. Mit der Unter­stüt­zung des Funds können sie neue Geschäfts­mo­delle am Markt entwi­ckeln, ausbauen und testen. Der Fund spricht nicht nur einfach Gelder, sondern beglei­tet die Förderpartner:innen, bietet Struk­tu­ren, Know-how und Exper­tise und vernetzt. Wenn jetzt dieses Geschäfts­mo­dell auf einer länder­über­grei­fen­den Koope­ra­tion zwischen mehre­ren Medien beru­hen würde, ist die Unter­stüt­zung eines länder­über­grei­fen­den Projekts natür­lich auch denk­bar, aber nicht der primäre Fokus. Aller­dings wollen wir mit dem Fund unbe­dingt eine inter­na­tio­nale Commu­nity von Förderpartner:innen aufbauen, die sich regel­mäs­sig austauscht und vonein­an­der lernt.

Aller­dings wollen wir mit dem Fund unbe­dingt eine inter­na­tio­nale Commu­nity von Förderpartner:innen aufbauen, die sich regel­mäs­sig austauscht und vonein­an­der lernt.

Andrew Holland

JS: Wie beim Poolen von Stif­tungs­gel­dern, erwar­ten wir von den geför­der­ten Projek­ten ein Poolen und Teilen ihrer Erfah­run­gen und ihres Wissens – auch mit nicht geför­der­ten Medi­en­pro­jek­ten. Der Kolla­bo­ra­ti­ons­ge­danke ist uns allen sehr wichtig.

Ist die Situa­tion in den drei Ländern vergleichbar?

AH: Es gibt selbst­ver­ständ­lich Unter­schiede – in den poli­ti­schen Syste­men, der Spra­chen­viel­falt und den Rahmen­be­din­gun­gen. Der finan­zi­elle Druck auf die Medien in der Schweiz und Öster­reich ist aufgrund der klei­ne­ren Medi­en­märkte beispiels­weise deut­lich höher als in Deutsch­land. Auf einer struk­tu­rel­len Ebene ähneln sich die Heraus­for­de­run­gen jedoch. Soziale Medien spie­len für den Nach­rich­ten­kon­sum über­all eine wich­tige Rolle und es gibt einen Rück­gang jour­na­lis­ti­scher Ange­bote im Lokalen.

JS: News-Depri­vierte und News-Avoider gibt es über­all. Wie diese zurück­ho­len? Diese Frage stel­len sich Journalist:innen in allen Ländern. Im eng vernetz­ten Europa machen poli­ti­sche und gesell­schaft­li­che Trends nicht an Landes­gren­zen Halt. Wir sind entspre­chend über­zeugt, dass wir diese Heraus­for­de­run­gen inter­na­tio­nal ange­hen müssen und die Medi­en­pro­jekte vonein­an­der lernen können. Besten­falls entwi­ckeln wir ein erfolg­rei­ches Modell für die Umset­zung einer künf­ti­gen staat­li­chen Medienförderung.

Welche spezi­fi­schen Projekte oder Arten von Jour­na­lis­mus (bspw. Wissen­schafts­jour­na­lis­mus, Kultur­jour­na­lis­mus, Bildungs­jour­na­lis­mus) sind in der Schweiz beson­ders förderungswürdig?

JS: Wir wollen primär die Medi­en­viel­falt und damit das Infor­ma­ti­ons­öko­sys­tem als Ganzes stär­ken. Die klar defi­nier­ten Förder­kri­te­rien des Funds zielen auf quali­ta­tiv hoch­wer­ti­gen Jour­na­lis­mus, der sich an jour­na­lis­ti­sche Stan­dards hält und echtes Trans­for­ma­ti­ons­po­ten­zial aufweist. Zudem soll Jour­na­lis­mus geför­dert werden, der bisher vernach­läs­sigte Ziel­grup­pen mit verläss­li­chen Infor­ma­tio­nen versorgt.

Wir wollen primär die Medi­en­viel­falt und damit das Infor­ma­ti­ons­öko­sys­tem als Ganzes stärken. 

Judith Schl­äp­fer

AH: Der Fund ist darüber hinaus für thema­ti­sche Förde­rung offen, sofern sich Geldgeber:innen dafür finden, die bestimmte Themen wie etwa Kultur‑, Wissen­schafts- oder Bildungs­jour­na­lis­mus fördern wollen. Wich­tig ist uns dabei, dass die Unab­hän­gig­keit des Jour­na­lis­mus nicht gefähr­det wird.

Was ist die Vision des Media Forward Fund?

JS: In einer idea­len Welt braucht es den Fund nicht, weil sich ein gemein­wohl­ori­en­tier­ter, fakten­ba­sier­ter Quali­täts­jour­na­lis­mus etabliert hat, der sich von Beginn weg gut finan­zie­ren kann. Bis dahin können Stif­tun­gen und Investor:innenmit mit dem Fund aufzei­gen, dass unab­hän­gige Medi­en­för­de­rung möglich ist – wie gesagt mit der Perspek­tive, ein Modell zu schaf­fen, das auch für staat­li­che Medi­en­för­de­rung attrak­tiv ist. Denn, und ich wieder­hole mich, Jour­na­lis­mus ist demokratierelevant.


Media Forward Fund 

Der gemein­nüt­zige Media Forward Fund ist eine Initia­tive von: Schöpf­lin Stif­tung, Stif­tung Merca­tor Schweiz, Volkart Stif­tung, Rudolf Augstein Stif­tung, ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, Stif­tung für Medi­en­viel­falt, ERSTE Stif­tung, DATUM-STIFTUNG für Jour­na­lis­mus und Demo­kra­tie, des Impact Inves­tors Karma Capi­tal und von Publix – Haus für Jour­na­lis­mus & Öffentlichkeit.

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