Die StifÂtung wurde vor 29 Jahren gegrünÂdet. Wie hat sich die NachÂfrage entwickelt?
Vor fast 30 Jahren entstanÂden die ersten sogeÂnannÂten DauerÂplatÂzieÂrunÂgen. Das sind unbeÂfrisÂtete Plätze für PersoÂnen mit BeeinÂträchÂtiÂgung bei einer BauernÂfaÂmiÂlie. Die BauernÂfaÂmiÂlie bietet die nötige BetreuÂung und die beeinÂträchÂtige Person findet auf dem Hof FamiÂliÂenÂanÂschluss und ein abwechsÂlungsÂreiÂches ArbeitsÂumÂfeld. Die NachÂfrage entwiÂckelte sich stetig und steiÂgend. Im Jahr 1995 waren es 26 KlienÂten. Die Zahl stieg bis 2010 auf 90. Im Jahr 2020 waren es 87. WichÂtiÂger als die reinen Zahlen ist uns, dass die BetreuÂungsÂquaÂliÂtät jeder einzelÂnen PlatÂzieÂrung stimmt und sowohl die MitarÂbeiÂtenÂden mit BeeinÂträchÂtiÂgung als auch die BauernÂfaÂmiÂlien mit unseÂrer Arbeit zufrieÂden sind.
Wie bereiÂten Sie die BauernÂfaÂmiÂlien auf die Aufgabe vor?
Schon bald nach der GrünÂdung der LuB wurde das WeiterÂbilÂdungsÂanÂgeÂbot aufgeÂbaut. Den BauernÂfaÂmiÂlien stehen sieben WeiterÂbilÂdungsÂtage pro Jahr zur VerfüÂgung. Diese bieten die wichÂtige MöglichÂkeit zur VernetÂzung, zum Austausch und zum WissensÂerÂwerb in agogiÂschen ThemenÂfelÂdern. Auch den MitarÂbeiÂtenÂden (mit BeeinÂträchÂtiÂgung) stehen fünf WeiterÂbilÂdungsÂtage pro Jahr zur VerfüÂgung. Themen können der WissensÂzuÂwachs in landÂwirtÂschaftÂliÂchen Themen, SelbstÂkomÂpeÂtenÂzen oder die IdeenÂfinÂdung zur FreiÂzeitÂgeÂstalÂtung sein. Im zweiÂten GeschäftsÂjahr wurde offenÂsichtÂlich, dass die BetreuÂerÂfaÂmiÂlien EntlasÂtung benöÂtiÂgen. Die beiden StützÂpunkte mit ihren WochenÂend- und FeriÂenÂanÂgeÂboÂten entstanÂden. An 35 WochenÂenÂden im Jahr und während sieben FeriÂenÂwoÂchen steht ein abwechsÂlungsÂreiÂches und durch LuB-eigeÂnes FachÂperÂsoÂnal betreuÂtes FreiÂzeitÂanÂgeÂbot für die MitarÂbeiÂtenÂden mit BeeinÂträchÂtiÂgung zur Verfügung.
Es besteht immer die MöglichÂkeit und die Pflicht, zwei Wochen zu schnupÂpern, um sich gegenÂseiÂtig kennenzulernen.
Susann SteiÂner, GeschäftsÂleiÂteÂrin StifÂtung LandÂwirtÂschaft und Behinderte
Bieten Sie auch Ausbildungsplätze?
Im Jahr 2001 führte LuB die ersten berufÂliÂchen MassÂnahÂmen durch. Diese sind mittÂlerÂweile zu einem zweiÂten grosÂsen StandÂbein der LuB geworÂden. Im Auftrag der InvaÂliÂdenÂverÂsiÂcheÂrung führen wir MassÂnahÂmen zur EinglieÂdeÂrung oder zur WiederÂeinÂglieÂdeÂrung, hauptÂsächÂlich berufÂliÂche AusbilÂdunÂgen von jungen Menschen mit BeeinÂträchÂtiÂgung in landÂwirtÂschaftÂliÂchen ArbeitsÂfelÂdern durch. Seit 2017 sind wir Träger der HofmitÂarÂbeiÂterÂausÂbilÂdung, welche durch das KompeÂtenzÂzenÂtrum in Agrar‑, LebensÂmitÂtel- und HausÂwirtÂschaft StrickÂhof in WinterÂthur-WülfÂlinÂgen durchÂgeÂführt wird. Die zweiÂjähÂrige AusbilÂdung in kleiÂnen GrupÂpen und einem SchulÂtag pro Woche ergänzt das prakÂtiÂsche Lernen auf dem Ausbildungsbetrieb.
Sie bieten Menschen mit BeeinÂträchÂtiÂgunÂgen einen Platz in einer BauernÂfaÂmiÂlie. Müssen diese das LandÂwirtÂschaftsÂumÂfeld im Vorfeld kennen oder passt das AngeÂbot auch für Menschen aus einem urbaÂnen Umfeld?
GrundÂsätzÂlich sind keine ErfahÂrunÂgen oder VorkenntÂnisse nötig, aber sicher von Vorteil. Eine gewisse RobustÂheit gehört schon dazu. Man erlebt mit, wie die Tiere abgeÂholt werden, die man versorgt hat. Es ist auch nicht immer schöÂnes Wetter. Man lebt mit einer FamiÂlie zusamÂmen, in guten und in schlechÂten Zeiten. DesweÂgen besteht immer die MöglichÂkeit und die Pflicht, zwei Wochen zu schnupÂpern, um sich gegenÂseiÂtig kennenzulernen.
Ist es schwieÂrig, BauernÂfaÂmiÂlien zu finden, die einen Platz zur VerfüÂgung stellen?
Nein, die AnmelÂdunÂgen von BauernÂfaÂmiÂlien und PersoÂnen mit BeeinÂträchÂtiÂgung sind ausgeÂwoÂgen. Unser Pool von aufnahÂmeÂbeÂreiÂten BauernÂfaÂmiÂlien kann aber gerne noch grösÂser werden. Damit wird die VielÂfalt in den BereiÂchen Region, BetriebsÂstrukÂtur und famiÂliäre SituaÂtion grösser.
Wie begleiÂten und unterÂstütÂzen Sie die Bauernfamilien?
Jede BauernÂfaÂmiÂlie hat eine:n Berater:in der LuB als feste AnsprechÂperÂson für alle auftauÂchenÂden Themen. Sie brinÂgen ihr Wissen aus einer agogiÂschen oder soziÂalÂarÂbeiÂteÂriÂschen AusbilÂdung und ErfahÂrung aus der Arbeit mit beeinÂträchÂtigÂten PersoÂnen ein. Die LuB-Berater:innen führen mindesÂtens vier StandÂortÂgeÂspräÂche pro Jahr direkt auf dem BauernÂhof durch. Alle BeteiÂligÂten, oft auch die AngeÂhöÂriÂgen und manchÂmal auch die Beistände, sitzen am Tisch und jeder bringt seine AnlieÂgen zur SpraÂche. Der oder die Berater:in klärt und vermitÂtelt. Zudem wird das weitere VorgeÂhen vereinbart.
Es ist aber wichÂtig, dass für Menschen mit BeeinÂträchÂtiÂgunÂgen vielÂfälÂtige und verschieÂdene AngeÂbote zur VerfüÂgung stehen.
Susann SteiÂner
LuB versucht den betreuÂenÂden BauernÂfaÂmiÂlien so viel AdmiÂnisÂtraÂtion wie möglich abzuÂnehÂmen. Sei es durch allgeÂmein gültige UnterÂlaÂgen wie Konzepte und VorlaÂgen oder durch die RechÂnungsÂstelÂlung an die PersoÂnen mit BeeinÂträchÂtiÂgung und die AuszahÂlung des BetreuÂungsÂgelds an die Bauernfamilien.
Bereits genannt habe ich das WochenÂend- und FeriÂenÂanÂgeÂbot der LuB, welches den BetreuÂerÂfaÂmiÂlien ermögÂlicht, sich von der BetreuÂungs- und BeschäfÂtiÂgungsÂaufÂgabe zu regeÂneÂrieÂren und das WeiterÂbilÂdungsÂanÂgeÂbot der LuB. Nicht nur der WissensÂerÂwerb, sondern auch der Austausch unterÂeinÂanÂder wird sehr geschätzt.
Sind die Berater:innen von Anfang an involviert?
Der oder die Berater:in vermitÂtelt PersoÂnen, die für ein famiÂliäÂres Setting und die MitarÂbeit auf dem BauernÂhof geeigÂnet erscheiÂnen. Die VermittÂlung, die BegleiÂtung und der Abschluss liegen in einer Hand. Auch in Krisen sind wir erreichbar.
Sie bieten für Menschen mit BeeinÂträchÂtiÂgung im erwerbsÂfäÂhiÂgen Alter unter andeÂrem DauerÂplatÂzieÂrunÂgen. Wie lange bleiÂben sie normaÂlerÂweise in einer Familie?
Für die aktuÂelÂlen PersoÂnen mit BeeinÂträchÂtiÂgung aus dem Kanton Bern haben wir gerade die genauen Zahlen der durchÂschnittÂliÂchen AufentÂhaltsÂdauer parat. Es sind 11,6 Jahre. Eine Person ist dabei mit 29 AufentÂhaltsÂjahÂren und somit seit der StifÂtungsÂgrünÂdung dabei. Das wird in andeÂren KantoÂnen ähnlich sein.
Die berufÂliÂchen MassÂnahÂmen sind befrisÂtet auf zwei oder drei Jahre je nach Niveau IV-Anlehre, HofmitÂarÂbeiÂter, EBA (EidgeÂnösÂsiÂsches BerufsÂatÂtest) oder EFZ (EidgeÂnösÂsiÂsches Fähigkeitszeugnis).
Wo sehen Sie den Vorteil, den ein BauernÂhof gegenÂüber andeÂren InstiÂtuÂtioÂnen hat, die AngeÂbote für Menschen mit BeeinÂträchÂtiÂgunÂgen haben?
Ein BauernÂhof ist ein abwechsÂlungsÂreiÂcher ArbeitsÂplatz in der Natur, mit Tieren und dem WechÂsel der JahresÂzeiÂten. Die LandÂwirtÂschaft bietet noch viel HandÂarÂbeit und wiederÂkehÂrende AufgaÂben, für die VerantÂworÂtung überÂnomÂmen werden kann. Ein weiteÂrer Vorteil ist, dass wir eine oder maxiÂmal zwei PersoÂnen mit BeeinÂträchÂtiÂgung auf den gleiÂchen LandÂwirtÂschaftsÂbeÂtrieb vermitÂteln. Es kann dadurch indiÂviÂduÂelÂler betreut werden. Die NotwenÂdigÂkeit der ErleÂdiÂgung der Arbeit und die gemeinÂsame BewälÂtiÂgung in der HofgeÂmeinÂschaft tragen zu einer grosÂsen IdenÂtiÂfiÂkaÂtion und BerufsÂstolz bei.
Es ist aber wichÂtig, dass für Menschen mit BeeinÂträchÂtiÂgunÂgen vielÂfälÂtige und verschieÂdene AngeÂbote zur VerfüÂgung stehen. Alle AngeÂbote haben ihre BerechÂtiÂgung auf Grund der verschieÂdeÂnen Bedürfnisse.
Träger der StifÂtung sind der SchweiÂzer BauernÂverÂband und insieme Schweiz. Welchen Einfluss haben die beiden OrgaÂniÂsaÂtioÂnen auf die Stiftung?
In unseÂrem StifÂtungsÂrat müssen jeweils zwei PersoÂnen vom SchweiÂzer BauernÂverÂband und zwei PersoÂnen von Insieme sein. So werden die InterÂesÂsen von PersoÂnen mit BeeinÂträchÂtiÂgung und die InterÂesÂsen der BauernÂfaÂmiÂlien ausgeÂwoÂgen vertreÂten. Wir versuÂchen immer ein Win-Win-VerhältÂnis aufzuÂbauen. Der StifÂtungsÂrat beeinÂflusst die straÂteÂgiÂsche AusrichÂtung der LuB und verantÂworÂtet JahresÂbeÂrichte und Finanzen.
Wie herausÂforÂdernd ist das SpanÂnungsÂfeld zwischen LandÂwirtÂschaft und Betreuungsangebot?
Das ist kein SpanÂnungsÂfeld. Es gibt BauernÂfaÂmiÂlien, die gerne einer Person mit BehinÂdeÂrung einen Platz in ihrem famiÂliäÂren Rahmen und ein ArbeitsÂgeÂbiet auf ihrem Hof anbieÂten. Es gibt PersoÂnen mit BeeinÂträchÂtiÂgung, die sehr gerne in der LandÂwirtÂschaft arbeiÂten und die den FamiÂliÂenÂanÂschluss schätÂzen. Wir erleÂben, dass die PersoÂnen mit BeeinÂträchÂtiÂgung in die FamiÂlie inteÂgriert sind und zur HofgeÂmeinÂschaft gehöÂren. Sie schätÂzen ihren ArbeitsÂplatz auf dem Hof und leisÂten im Rahmen der indiÂviÂduÂelÂlen MöglichÂkeiÂten ihren Beitrag. Das führt zu VerbunÂdenÂheit, Stolz und SelbstÂbeÂwusstÂsein. Das heisst nicht, dass es keine HerausÂforÂdeÂrunÂgen gibt. Die gute ZusamÂmenÂarÂbeit mit den BauernÂfaÂmiÂlien, die zufrieÂdeÂnen GesichÂter unser betreuÂten MitarÂbeiÂtenÂden und unsere ÜberÂzeuÂgung vom Nutzen unseÂres AngeÂbots sind uns immer aufs Neue MotiÂvaÂtion, passende LösunÂgen zu suchen.