Wie ist die Idee für Kultur am Bettrand entstanden?
Eigentlich hat sich die Idee während des ersten Lockdowns manifestiert. Es waren persönliche und gesellschaftliche Gründe.
Hatten Sie etwas Spezielles erlebt?
Als berufstätige Musikerin war es ein grosser Schock für mich, nicht das tun zu können, was ich immer getan habe. Nach einer Weile wurde auch klar, dass viele Menschen unter der Isolation litten. Da stellte ich mir vor, wie es ist, wenn man immer oder für eine längere Zeit isoliert ist. Wenn, in Folge einer Krankheit, das Leben plötzlich Kopf steht.
Und dagegen wollten Sie etwas unternehmen?
Ich dachte, das darf nicht sein. Ich dachte an die betroffenen Menschen. Solange sie im Spital liegen und die Krankheit akut ist, sind sie umsorgt. Zurück zu Hause bleiben sie oft isoliert. Vor allem für sie selbst, aber auch für die Angehörigen und Freunde kann diese Situation sehr belastend sein. Für isolierte, kranke Menschen wollte ich etwas unternehmen und auch für die Kunstschaffenden. In der Pandemie habe ich erlebt, wie fragil die Situation als Kunstschaffende ist. Ich wollte für beide Parteien etwas machen.
Wie funktioniert Ihre Idee?
Wir wollen für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen keine Kultur mehr erleben können, diese zu ihnen nach Hause oder in die Institution bringen. Alle, die länger isoliert sind, sollen Kunst wieder erleben können und zusammen mit ihren Angehörigen und Freunde etwas Schönes erleben dürfen.
Alle, die länger isoliert sind, sollen Kunst wieder erleben können.
Shirley Grimes, Initiantin und Kuratorin Kultur am Bettrand
An welche Kunstschaffenden denken Sie?
In der Pilotphase werden wir mit Schriftsteller:innen, Erzähler:innen und Musiker:innen arbeiten. Das wird sich hoffentlich ausweiten. Welche Art der Kunst gezeigt werden wird, hängt von den jeweiligen Möglichkeiten vor Ort ab.
Haben Sie schon Musiker:innen, die mitmachen werden?
Ich habe bis jetzt rund 40 Kunstschaffende kontaktiert. Keine Stars, aber sehr etablierte Performer:innen. Alle waren begeistert, niemand hat abgesagt. Viele haben auch schon ähnliche Auftritte gemacht. Als Künstlerin gibt es nichts Schöneres, als auf der Bühne zu stehen – auch ganz intime Performances. Sie sind sehr real, bereicherend und konkret.
Wo stehen Sie?
Wir sind ganz am Anfang. Erst im Juni haben wir den Verein gegründet. Wir suchen noch nach finanzieller Unterstützung. Mit Partnern aus dem Gesundheitsbereich sind wir in Verhandlungen. Auch hier erhalten wir begeistertes Feedback. Im 2023 wollen wir im Kanton Bern ein Pilotprojekt lancieren. Dieses soll uns zeigen, was möglich ist, wie die Musiker:innen mit dem Schweregrad der kranken Menschen umgehen. Denn ein solcher Auftritt ist eine Ausnahmesituation. Sehr intim. Die Musiker:innen müssen darauf vorbereitet sein, was sie erwartet. Deswegen haben wir auch eine Person im Team, die 30 Jahre Erfahrung in der Palliativpflege hat. Wir hoffen, dass wir viele Menschen finden, die die Idee unterstützenswert finden.
Was fehlt noch, damit Sie 2023 loslegen können?
Wir brauchen die Finanzierung der Pilotphase. Ich bin mir zwar bewusst, dass die Kunstschaffenden bereit wären, auch ohne Geld mitzumachen. Aber wir wollen ein nachhaltiges Angebot für die isolierten Menschen genauso wie für die Kunstschaffenden. Sie und auch das Team sollen entlöhnt werden.