Der März ist dem Darmkrebs gewidmet. Wie wichtig sind solche Schwerpunkte für die Präventionsarbeit?
Diese Themenmonate helfen, Aktivitäten zu bündeln und so die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zu stärken. Wenn mehrere Akteure zum gleichen Zeitpunkt über verschiedene Kanäle mit ähnlichen Inhalten kommunizieren, ist das ideal. Ein gutes Beispiel dafür ist der Brustkrebsmonat Oktober. Die Medienberichte über Brustkrebs nehmen in diesem Monat jeweils stark zu, obwohl Brustkrebs zu jedem Zeitpunkt auftreten kann.
Jede dritte Person wird im Verlauf ihres Lebens mit einer Krebsdiagnose konfrontiert sein. Vereinfacht es die Präventionsarbeit, dass das Thema für praktisch alle relevant ist?
Natürlich hilft es, wenn die Menschen einen persönlichen Bezug zum Thema haben. Wenn beispielsweise eine Person im Umfeld an Krebs erkrankt, kann das der Auslöser sein, sich selber um Themen wie Vorsorge und Prävention zu kümmern. Doch in der Präventionsarbeit versuchen wir vor allem, klar definierte Gruppen anzusprechen. Bei Darmkrebs sind das Personen ab 50 Jahren, weil dann die Erkennung von Vorstufen wichtig wird. In der Hautkrebsprävention richten wir uns dagegen eher an Kinder und Jugendliche, weil deren Haut empfindlicher auf UV-Strahlen reagiert als jene von Erwachsenen.
In der Präventionsarbeit versuchen wir vor allem, klar definierte Gruppen anzusprechen.
Olivier Soret
Worauf legen Sie den Fokus bei der Präventionsarbeit: Steht die Vermittlung von Wissen im Fokus oder wie gelingt es, eine Verhaltensänderung zu erreichen?
Die Vermittlung von Wissen ist das eine. Es ist ein zentrales Anliegen der Krebsliga, Informationen fundiert und verständlich zu vermitteln. Nur wenn ich die Vor- und Nachteile einer Früherkennungsuntersuchung kenne, kann ich eine gute Entscheidung treffen. Unsere Broschüren und Erklärvideos sind ein wichtiger Bestandteil unseres Angebots. Für eine Verhaltensänderung braucht es aber mehr als reine Informationen, denn der Mensch handelt nicht immer rational. Da prüfen wir auch andere Ansätze wie beispielsweise das «Nudging», wo es grob gesagt darum geht, positives Verhalten attraktiver wirken zu lassen und zu fördern.
Beim Darmkrebs kennen verschiedene Kantone bereits Früherkennungsprogramme. Weshalb braucht es das Engagement der Krebsliga zu diesem Thema noch?
Leider haben noch immer nicht alle Kantone in der Schweiz ein systematisches Darmkrebsscreening eingeführt und das trotz des belegten Nutzens solcher Programme. Wir engagieren uns für die Früherkennungsprogramme, weil wir überzeugt sind, dass der Zugang zu einem qualitätskontrollierten, franchisebefreiten Screening nicht vom Wohnort abhängig sein darf.
Wie arbeiten Sie mit den kantonalen Behörden zusammen?
In mehreren Kantonen sind die kantonalen oder regionalen Krebsligen für die Umsetzung der Früherkennungsprogramme zuständig und arbeiten eng mit den kantonalen Behörden zusammen. Das ist gut und wichtig, aber es reicht nicht, um eine so komplexe Krankheit wie Krebs bewältigen zu können. Bund, Kantone und allen betroffenen Akteure über die gesamte Versorgungskette müssen vorausschauend und koordiniert zusammenarbeiten. Deshalb fordern wir gemeinsam mit anderen Organisationen einen nationalen Krebsplan.
Weil wir unabhängige Forschung fördern, können wir Projekte unterstützen, die für die Pharmaindustrie nicht interessant sind.
Olivier Soret
Gibt es Aufgaben und Engagements der Krebsliga, die vom Staat oder der Privatwirtschaft übernommen werden und Sie nicht weiter anbieten müssen?
Wir versuchen, Lücken im System zu identifizieren und unser Engagement dort anzusetzen. Das heisst beispielsweise, mit kostenloser Beratung für die Betroffenen und ihr Umfeld da zu sein, wenn nach dem Arztbesuch Fragen auftauchen, für die während der Sprechstunde keine Zeit blieb. Oder finanzielle Unterstützung zu leisten, wenn aufgrund der Krebserkrankung hohe zusätzliche Kosten anfallen, die von der Versicherung nicht gedeckt sind. Seit einigen Jahren konzentrieren wir uns stärker auf unsere Kernaktivitäten: Angebote, die anderswo in guter Qualität verfügbar sind, beispielsweise die Ernährungsberatung, haben wir reduziert oder ganz gestrichen. Dafür kommen neue Angebote hinzu, beispielsweise die Peer-Plattform, auf der Betroffene andere Betroffene begleiten.
Krebs ist die häufigste Ursache für einen vorzeitigen Tod. Wo können Sie in der Forschung Schwerpunkte setzen oder wirkungsvoller sein als die Privatwirtschaft?
Die Förderung der Krebsforschung ist eine zentrale Aufgabe der Krebsliga Schweiz und ihrer Partnerorganisation Krebsforschung Schweiz. Zweimal pro Jahr fördern sie gemeinsam 60 bis 80 Forschungsprojekte in der Höhe von rund 20 Millionen Franken. Die unterstützten Forschungsprojekte decken dabei das gesamte Spektrum der Krebsforschung ab, von der Grundlagenforschung über die psychosoziale Forschung bis zur Versorgungsforschung. Weil wir unabhängige Forschung fördern, können wir Projekte unterstützen, die für die Pharmaindustrie nicht interessant sind, obwohl sie einen Nutzen für die Patienten bringen.