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Kohä­renz zwischen Schein und Sein

Nachhaltigkeit und Verantwortung im Stiftungssektor

Viele Stif­tun­gen kommu­ni­zie­ren Nach­hal­tig­keit. Doch wie belast­bar sind die Verspre­chen? Der Beitrag zeigt, warum Kohä­renz zwischen Schein und Sein auch juris­tisch mass­geb­lich ist – und welche Risi­ken und Chan­cen beach­tet werden sollten.

Was ist das Wort wert?

«Wir leben in einer Wortwertinflation.» 

Mit dieser Zeile bringt Samy Deluxe eine Entwick­lung auf den Punkt, die längst auch den gemein­nüt­zi­gen Sektor erreicht hat: Kaum ein Begriff wird so häufig und zugleich so vage verwen­det wie Nachhaltigkeit.

Hinter wohl­klin­gen­den Verspre­chen verber­gen sich nicht selten Lücken – etwa wenn Zerti­fi­kate ohne fundierte Prüfung verge­ben oder Projekte ange­kün­digt werden, deren Wirkung vor Ort nicht belegt ist. Die Autorin nennt bewusst keine Einzel­fälle. Denn: Das Problem ist strukturell.

Bild: KI-generiert mit DALL·E (OpenAI)

Bild: KI-gene­riert mit DALL·E (OpenAI)

Gesell­schaft­li­che und regu­la­to­ri­sche Mass­stäbe im Wandel

Soziale und ökolo­gi­sche Nach­hal­tig­keit sind längst mehr als Trend­worte – sie sind zu zentra­len Mass­stä­ben gewor­den, auch für Stif­tun­gen. Gerade Orga­ni­sa­tio­nen, die hohes Vertrauen genies­sen, gera­ten zuneh­mend in den Fokus regu­la­to­ri­scher und gesell­schaft­li­cher Erwartungen.

Dabei entwi­ckelt sich insbe­son­dere das EU-Recht rasant. Auch die Schweiz passt ihre regu­la­to­ri­schen Instru­mente laufend an und orien­tiert sich viel­fach am euro­päi­schen Rahmen. Was dabei oft über­se­hen wird: Die Schweiz regu­liert mit einem ande­ren System­ver­ständ­nis. Natio­nale Beson­der­hei­ten blei­ben rele­vant – gerade an den Schnitt­stel­len von Recht, Tech­no­lo­gie und Kommu­ni­ka­tion. Der Teufel steckt im Detail und fundierte Rechts­kennt­nis ist entschei­dend für die Einord­nung recht­li­cher Entwicklungen.

Zugleich machen digi­tale Tech­no­lo­gien Nach­hal­tig­keits­ver­spre­chen nicht nur sicht­ba­rer, sondern eröff­nen auch neue Möglich­kei­ten zu deren syste­ma­ti­scher Über­prü­fung – etwa durch digi­tale Nach­ver­folg­bar­keit oder daten­ba­sierte Wirkungsmessung.

Die nach­fol­gend genann­ten Rechts­grund­la­gen zeigen ledig­lich Regu­lie­rungs­ten­den­zen auf. Wich­tig ist zu beto­nen, dass jeder Fall indi­vi­du­ell zu beur­tei­len ist.

Zwischen Haltung und Struktur

Nach­hal­tig­keit hat verschie­dene Bedeu­tun­gen – und genau das ist Teil des Problems. Entschei­dend ist nicht nur, wie glaub­wür­dig kommu­ni­ziert wird, sondern wie Nach­hal­tig­keit recht­lich und struk­tu­rell veran­kert ist bzw. gelebt wird.

Neue Regeln für die Nachhaltigkeitskommunikation

Aus juris­ti­scher Sicht gilt der Grund­satz pacta sunt servanda – Verspre­chen sind zu halten. Irre­füh­rende Aussa­gen zu ökolo­gi­scher oder sozia­ler Nach­hal­tig­keit, die den Wett­be­werb beein­flus­sen, verstos­sen denn auch gegen das Lauter­keits­recht. Seit 2025 präzi­siert das Schwei­zer Lauter­keits­recht, dass Begriffe wie «klima­neu­tral» oder «umwelt­freund­lich» nur zuläs­sig sind, wenn sie auf über­prüf­ba­ren Grund­la­gen beruhen.

Seit 2025 präzi­siert das Schwei­zer Lauter­keits­recht, dass Begriffe wie «klima­neu­tral» oder «umwelt­freund­lich» nur zuläs­sig sind, wenn sie auf über­prüf­ba­ren Grund­la­gen beruhen.

Paral­lel zieht die Regu­lie­rung auf EU-Ebene deut­lich an: Die Empowe­ring Consu­mers Direc­tive (EU) 2024/825 verpflich­tet Unter­neh­men, ab Herbst 2026 Umwelt­anga­ben nur noch bei objek­ti­vem Nach­weis zu verwen­den. Der Entwurf der Green Claims Direc­tive verlangt zusätz­lich eine Vorab­prü­fung und voll­stän­dige Doku­men­ta­tion frei­wil­li­ger Nach­hal­tig­keits­aus­sa­gen. Eigene Etiket­ten ohne trans­pa­rente Grund­lage sollen unzu­läs­sig werden.

Im glei­chen Zusam­men­hang stehen diverse neue Bericht­erstat­tungs- und Sorg­falts­pflich­ten zu nicht­fi­nan­zi­el­len Themen bzw. zur sozia­len, ökolo­gi­schen und verant­wor­tungs­vol­len Unter­neh­mens­füh­rung. In der Schweiz gelten nament­lich seit 2023 die entspre­chen­den Pflich­ten gemäss Art. 964a–l OR. Diese betref­fen primär grosse Unter­neh­men und bestimmte Sekto­ren, wirken aber zuneh­mend auch auf Stif­tun­gen – etwa über Förder­be­zie­hun­gen und Reputationsmechanismen.

Verant­wor­tung für Wortwert

Wer die Verant­wor­tung wahrnehmen muss, ist im Einzel­fall zu beur­tei­len. Die Beweis­last für Nach­hal­tig­keits­aus­sa­gen liegt zwar primär bei den durch­füh­ren­den Projekt­part­nern. Doch sobald Stif­tun­gen solche Aussa­gen über­neh­men – etwa in ihrer Kommu­ni­ka­tion oder Bericht­erstat­tung –, tragen sie eben­falls Verant­wor­tung für deren Plausibilität.

Sobald Stif­tun­gen solche Aussa­gen über­neh­men – etwa in ihrer Kommu­ni­ka­tion oder Bericht­erstat­tung –, tragen sie eben­falls Verant­wor­tung für deren Plausibilität.

Zudem kann sich eine solche Prüfungs­pflicht unmit­tel­bar aus dem Stif­tungs­zweck erge­ben – insbe­son­dere dann, wenn Nach­hal­tig­keit ausdrück­lich als Förder­ziel defi­niert ist. Förder­ent­scheide soll­ten daher auf nach­voll­zieh­ba­ren Krite­rien beru­hen, die im Einklang mit den kommu­ni­zier­ten Werten stehen.

Risi­ken mangeln­der Kohärenz

Wer seine Pflich­ten nicht kennt oder igno­riert, riskiert nicht nur recht­li­che Konse­quen­zen, sondern auch wirt­schaft­li­che Verluste und Repu­ta­ti­ons­schä­den. Zahl­rei­che Regu­lie­run­gen adres­sie­ren zudem die persön­li­che Verant­wor­tung von Führungspersonen.

Leit­prin­zi­pien

Basie­rend auf den obigen Ausfüh­run­gen lassen sich folgende Prin­zi­pien zur verant­wor­tungs­vol­len Unter­neh­mens­füh­rung und Kommu­ni­ka­tion ableiten:

  1. Rechts­kon­for­mi­tät sicher­stel­len – auch im digi­ta­len Raum
  2. Green- und Social­wa­shing vermei­den – mit über­prüf­ba­ren Aussagen
  3. Stra­te­gisch kommu­ni­zie­ren – werte­ori­en­tiert, fakten­ba­siert und authentisch

Fazit: Risi­ken und Chancen

Stif­tun­gen, die authen­tisch und nach­hal­tig agie­ren sowie Risi­ken entgeg­nen wollen, soll­ten bestrebt sein, Schein und Sein in Einklang zu bringen.

Wer regu­la­to­ri­sche Anfor­de­run­gen nicht nur als Heraus­for­de­rung, sondern als Chance versteht, kann Vertrauen als eine der wich­tigs­ten Ressour­cen stär­ken – durch Glaub­wür­dig­keit, Trans­pa­renz und geleb­tes Verantwortungsbewusstsein.


Hinweis: Dieser Beitrag dient der allge­mei­nen Infor­ma­tion. Er stellt keine Rechts­be­ra­tung dar und ersetzt keine indi­vi­du­elle recht­li­che Einschätzung.

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