Der Hype ist verflogen – geblieben ist die Technologie. Im Sommer 2023, als wir uns bei StiftungSchweiz erstmals mit den Möglichkeiten der neuen Sprachmodelle auseinandersetzten, war die Stimmung noch von heller Aufregung geprägt, aber auch viel Wunschdenken. Schon damals war klar: Künstliche Intelligenz (KI) kann Nonprofits und Funders bei alltäglichen Aufgaben unterstützen. Heute wissen wir genauer, wo KI echten Mehrwert bringt – und wo sie Prozesse eher verlängert als vereinfacht.
Einige Hürden – und der lange Aufstieg zu PeakPrivacy
Schon das Stiftungsbarometer vom Herbst 2023 zeigte: Die Zuversicht war vor allem unter mittelsuchenden Nonprofits verbreitet, die dem Thema wesentlich aufgeschlossener gegenüberstanden als Funders, die generell vorsichtiger agierten. Zwar nutzte damals erst eine Minderheit KI aktiv (18 % nutzten KI für Gesuchstexte – heute dürfte es die überwiegende Mehrheit sein), doch KI war auf dem Vormarsch. Hinter der Aufbruchsstimmung steckte vor allem das Motiv, zeitaufwändige Prozesse zu verbessern und das Matching effizienter zu gestalten. Gemeinsam mit SwissFoundations, dem Branchenverband der Förderstiftungen, stellten wir eine «AI Learning Journey» auf die Beine, die im Dezember 2023 startete. Die Initiative schuf Raum für faktenbasierte Diskussionen und gemeinsame Erfahrungen unter Peers.
Schnell war klar: Die neuen Technologien bargen neben grossen Chancen auch wesentliche Gefahren – für den Datenschutz genauso wie für den Schutz des geistigen Eigentums. Fabio Duo, als «Techie» Mitglied der Faculty, hat damals nicht lange gezögert: «Den Teilnehmer:innen war klar: US-amerikanische KI-Modelle stellten ein zu grosses Risiko dar – eine europäische Lösung musste her.» Die Antwort heisst PeakPrivacy, ein Framework für sichere, in der Schweiz gehostete und auf Wunsch anonymisierte Künstliche Intelligenz. Seit Sommer 2024 ist dieses Framework im Einsatz, auch auf stiftungschweiz.ch.
US-amerikanische KI-Modelle stellten ein zu grosses Risiko dar – eine europäische Lösung musste her.
Fabio Duo
Technisch möglich – aber auch sinnvoll?
Früh zeigte sich, dass nicht jeder technisch machbare KI-Einsatz auch echten Mehrwert stiftet – entscheidend ist vor allem ein sinnstiftender Einsatz von Künstlicher Intelligenz, der auch ethischen Ansprüchen genügen konnte. Mit einer praxisnahen Empfehlung und fünf einfachen Grundsätzen entstand im Rahmen der Lernreise ein Kompass für einen verantwortungsvollen KI-Einsatz.
Gemeinsam mit den IT-Spezialist:innen von PeakPrivacy und StiftungSchweiz arbeiteten die 50 an der Lernreise beteiligten Organisationen an konkreten und praxisnahen Anwendungsfällen für den Stiftungsalltag. So wurde etwa ein KI-gestützter Begleitbrief-Generator entwickelt, der Anschreiben zu Fördergesuchen automatisch formuliert, individuell zugeschnitten auf Projekt, Sprache und Ziel-Stiftung. Ein anderer Prototyp prüft eingereichte Anträge auf Optimierungspotenzial.
Diese Werkzeuge machen deutlich, wie sich die Spielregeln der Philanthropie mit KI verändern. Wenn alle Begleitbriefe von Nonprofits perfekt formuliert sind, macht das die Evaluation durch die Funders anspruchsvoll. Ein weiterer Prototyp dient als Pre-Check für Förderanfragen, der Gesuche vorab analysiert und automatisch auf Übereinstimmung mit den Förderkriterien vorprüft. Was früher viel Zeit in Anspruch nahm, erledigt KI nun in Sekunden – stets unter Wahrung hoher Datenschutzstandards und mit dem Menschen in der Entscheidungsrolle. Auch dieser Hands-on-Ansatz gab den Beteiligten einen greifbaren Eindruck der Möglichkeiten – und Grenzen – von KI im Arbeitsalltag der Philanthropie.
KI-Assistenten verändern den Alltag
Seit dem Sommer 2024 finden die in der Lernreise erprobten KI-Innovationen nach und nach den Weg in die digitale Praxis. Die erarbeiteten ethischen Grundsätze finden dabei Anwendung – zum Beispiel behalten sämtliche KI-Assistenten auf stiftungschweiz.ch den Menschen in der Entscheiderrolle und unterstützen ihn lediglich bei der rascheren Erfassung der Grundlagen. Ein Assistent erstellt beispielsweise aus einem hochgeladenen Projektdossier automatisch ein vollständiges Projektprofil auf stiftungschweiz.ch – treffend formuliert und auf den Punkt. Das erleichtert die Arbeit von Nonprofits und Funders gleichermassen, es setzt aber weiterhin voraus, dass als Grundlage ein solides Dossier erarbeitet wurde. Die Beispiele zeigen auch: Die Unterstützung durch Künstliche Intelligenz ist damit vom Pilotprojekt zu einem festen Bestandteil des digitalen Ökosystems geworden.
Wie lernen Mitarbeitende im dritten Sektor – sei es auf der Seite von Nonprofits oder Förderorganisationen – die neuen Spielregeln an der Schnittstelle von Technologie und Philanthropie rasch und zielstrebig kennen? Dieses Ziel verfolgt das Bootcamp «KI für Nonprofits und Funders», das in kompakter Form anwendungsorientiert die Grundlagen vermittelt – live vor Ort im Bahnhof Basel oder via Livestream.
Grundlagen, erste Schritte und nötiges Handwerkszeug
Wir vermitteln im Rahmen des Bootcamps, wo Künstliche Intelligenz wirklich Nutzen stiftet und wie man Hypes von realen Chancen unterscheidet. Statt abstrakter Theorie erleben die Teilnehmenden anhand konkreter Beispiele, wie KI den Förderalltag effizienter und effektiver machen kann.
Gleichzeitig diskutieren wir, welche Trade-offs, Grenzen und Risiken zu beachten sind, etwa wenn es um Transparenz, ethische Leitplanken oder Datenqualität geht. Am Ende gewinnen sowohl Nonprofit-Vertreter wie auch Funders einen praxisnahen, realistischen Ausblick: Sie wissen genauer, was KI heute in der täglichen Arbeit leisten kann – und was nicht. Die im Rahmen der Lernreise erarbeiteten Haltungen und Grundsätze bilden festen Bestandteil des Programms und begleiten die Teilnehmer:innen bei ersten (oder weiteren) Schritten in der Praxis. Vorkenntnisse im Experimentieren mit Tools wie ChatGPT sind hilfreich, aber keine Voraussetzung für eine Teilnahme.
Mit PeakPrivacy stellen wir im Bootcamp auch ein Framework zur Verfügung, das interessierte Organisationen auf ihrem Weg zu einer produktiven Nutzung von Künstlicher Intelligenz begleitet – und dies in einem sicheren Rahmen. Fabio Duo: «Ein konkreter Mehrwert entsteht dann, wenn eine Organisation eigene Ideen entwickelt, wie Künstliche Intelligenz sie im Alltag konkret unterstützen kann.»
Ein konkreter Mehrwert entsteht dann, wenn eine Organisation eigene Ideen entwickelt, wie Künstliche Intelligenz sie im Alltag konkret unterstützen kann.
Fabio Duo, PeakPrivacy
Auf fortgeschrittene KI-Anwender:innen zugeschnitten ist das Bootcamp «Next Horizon AI & Philanthropy». Es bietet Absolvent:inenn des KI-Bootcamps eine Gelegenheit für Vertiefung und Erfahrungsaustausch für Praktiker:innen, welche schon länger eigene Erfahrungen mit künstlicher Intelligenz gesammelt haben und die jüngsten technologischen Entwicklungen wie agentische Netzwerke oder Konstrukturen im Alltag fruchtbar machen wollen.
KI-Bootcamps von StiftungSchweiz
Bootcamp «KI für Nonprofits und Funders»
Dieser Workshop-Tag wendet sich an Fachleute von Förderstiftungen und anderen Geldgeber-Organisationen, die das Potenzial von KI in ihren Förderprozessen ausloten wollen. Im Mittelpunkt stehen KI-gestützte Lösungen, die den Arbeitsalltag von Funders erleichtern. Die Teilnehmenden erfahren aus erster Hand, wie KI die Effizienz in der Förderpraxis steigern kann, ohne dabei den Menschen aus der Verantwortung zu nehmen.
Nächste Durchführung: Freitag, 9. Mai 2025, 9–15h, vor Ort in Basel oder im Livestream
Preis: CHF 690 für Funders, CHF 490 für Nonprofits
Anmeldung
Bootcamp «Next Horizon AI & Philanthropy»
Dieses Bootcamp richtet sich an Alumni der AI Learning Journey oder des AI für Funders & Nonprofits Bootcamps. Es präsentiert aktuelle Anwendungen von KI in der Praxis von Nonprofit- oder Förderorganisationen und zeigt auf, in welche Richtung die aktuellen Entwicklungen einer gesellschaftlich orientierten Nutzung von KI führen. Neben kurzen Inputs, viel konkreter Praxis und spannenden Diskussionsrunden wird auch dem Austausch unter den Teilnehmer:innen genügend Raum gegeben. Beiträge in Deutsch und Englisch, in Kooperation mit Fachhochschule Bern, Universität Genf, Caritas Schweiz und PeakPrivacy.
Nächste Durchführung: Mittwoch, 27. August, 9–15h, vor Ort in Basel oder im Livestream
Preis: CHF 250 vor Ort in Basel, CHF 150 Livestream
Anmeldung