Paul Kronenberg und Sabriye Tenberken haben die kanthari Foundation gegründet, Bild: zVg

kant­hari: Wandel von Innen

Damit Direktbetroffene Organisationen für sozialen Wandel selber leiten können, haben Sabriye Tenberken und Paul Kronenberg das kanthari Institut im südindischen Kerala gegründet. Sie sprechen über die Gründung einer Blindenschule im Tibet, ihre eigenen Erfahrungen und sie sagen, weshalb es eine Schweizer kanthari Stiftung gibt.

Im April 2025 star­tet der 16. Lehr­gang am kant­hari Insti­tut. Wie wählen Sie die Teilnehmer:innen aus?

Paul Kronen­berg: Bei kant­hari glau­ben wir daran, dass jeder Mensch mit den rich­ti­gen Werk­zeu­gen sozia­len Wandel bewir­ken kann. Deshalb fokus­sie­ren wir uns auf Eigen­in­itia­tive, eine klare Vision und die intrin­si­sche Moti­va­tion, ein Problem lösen zu wollen. Unsere Bewerber:innen durch­lau­fen ein mehr­stu­fi­ges Auswahl­ver­fah­ren mit Online-Bewer­bung, Essays, prak­ti­schen Aufga­ben und Inter­views. Englisch- und Compu­ter­grund­kennt­nisse müssen vorhan­den sein. Einige Bewer­ber: innen haben Univer­si­täts­ab­schlüsse, sind Ärzte, Anwälte, ehema­lige CEOs von Firmen, andere, sind bislang ohne jegli­che formelle Bildung. Unser zwölf­mo­na­ti­ger Lehr­gang basiert auf Lernen durch Erfah­rung. Nach zwei bis drei Wochen haben sich alle an den prak­ti­schen Ansatz gewöhnt und arbei­ten auf Augen­höhe mitein­an­der – unab­hän­gig von ihrer vorhe­ri­gen Bildung.

Wer könnte besser Lösun­gen für Probleme entwi­ckeln als jene, die sie selbst erfahren?

Paul Kronen­berg, Co-Grün­der kanthari

Wie kam es zur Grün­dung von kanthari?

Sabriye Tenberken: 1998 grün­de­ten wir die erste Blin­den­schule Tibets und entdeck­ten das enorme Poten­zial oft über­se­he­ner Menschen. Unsere Schü­ler: innen lern­ten Braille­schrift in Chine­sisch, Englisch und Tibe­tisch, können schrei­ben, lesen und sich flies­send verstän­di­gen. Später besuch­ten sie regu­läre Schu­len und teils renom­mierte Univer­si­tä­ten. Viele leiten inzwi­schen eigene Unter­neh­mun­gen. Von Beginn an woll­ten wir unser Projekt an unsere Ehema­li­gen über­ge­ben, fanden aber keine passende Ausbil­dung. Bis heute gibt es kein Programm, das Menschen ohne Vorbil­dung für den Aufbau und die Leitung von sozia­len Orga­ni­sa­tio­nen vorbe­rei­tet. Daher grün­de­ten wir kant­hari, wo Betrof­fene selbst alles Nötige wie Buch­hal­tung, Projekt­ma­nage­ment, Fund­rai­sing, lernen, um eigene Orga­ni­sa­tio­nen für sozia­len Wandel zu starten. 

Sabriye Tenberken (l.) und Paul Kronen­burg (3. v. l.) auf dem kant­hari campus, Bild: zVg

Sie setzen bei kant­hari auf Wandel von Innen. Was bedeu­tet dies?

PK: Wer könnte besser Lösun­gen für Probleme entwi­ckeln als jene, die sie selbst erfah­ren? Wir geben unse­ren Teil­neh­men­den das nötige Werk­zeug, um ihre eige­nen Gemein­schaf­ten von innen heraus zu verän­dern. kant­ha­ris warten nicht auf Hilfe von aussen, sondern eignen sich selbst Exper­ten­wis­sen an, um lokale Probleme eigen­stän­dig zu lösen. Der Name kant­hari stammt von einer klei­nen, schar­fen Chili aus Südin­dien – ein Symbol für das feurige Enga­ge­ment unse­rer Teil­neh­men­den, die mutig, entschlos­sen und unkon­ven­tio­nell sozia­len Wandel ange­hen. Mit inno­va­ti­ven Ideen setzen sie Verän­de­run­gen in Gang, selbst gegen Wider­stand. In 15 Lehr­gän­gen haben wir 303 Menschen aus 57 Ländern ausge­bil­det. Daraus entstan­den mehr als 200 aktive Orga­ni­sa­tio­nen, die täglich das Leben von 50’000 Menschen posi­tiv beeinflussen.

Doch die gröss­ten Barrie­ren sind nicht physisch, sondern struk­tu­rell: fehlen­der Zugang zu Bildung, mangelnde Ressour­cen und gesell­schaft­li­cher Ausschluss.

Sabriye Tenberken, Co-Grün­de­rin kanthari

Sie enga­gie­ren sich für Rand­grup­pen und Minder­hei­ten: Was sind die gröss­ten Barrie­ren, welche diese im Alltag erfahren?

ST: Vieles beginnt mit Vorur­tei­len. Wer blind, hörge­schä­digt oder mit einer ande­ren Einschrän­kung gebo­ren wird, hört oft: «Das kannst du nicht.» Doch die gröss­ten Barrie­ren sind nicht physisch, sondern struk­tu­rell: fehlen­der Zugang zu Bildung, mangelnde Ressour­cen und gesell­schaft­li­cher Ausschluss. Genau hier setzen kant­ha­ris an. Sie grün­den Schu­len für benach­tei­ligte Kinder, Ausbil­dungs­pro­gramme für Frauen, Platt­for­men für Inklu­sion und Umwelt­in­itia­ti­ven. Jeder kant­hari entwi­ckelt eigene Lösun­gen, um Hinder­nisse zu über­win­den. Als Teil der Gemein­schaf­ten, für die sie arbei­ten, spre­chen sie die Spra­che, kennen die Kultur und Heraus­for­de­run­gen aus erster Hand. Das macht ihr Wirken nach­hal­tig, denn wir sind über­zeugt, dass Verän­de­rung lang­fris­tig nur funk­tio­niert, wenn sie von innen kommt.

Sie beide waren mehrere Jahre in Tibet und haben eine Blin­den­schule errich­tet. Nun leben Sie in Indien: Gibt es Lösungs­an­sätze, die in den verschie­de­nen Ländern gleich funktionieren?

PK: Leiden­schaft und Beharr­lich­keit sind globale Erfolgs­fak­to­ren. Wer eine klare Vision verfolgt und nicht aufgibt, kann Verän­de­rung bewir­ken – sei es in Indien, Nige­ria oder Boli­vien. Aber nicht über­all werden inno­va­tive Lösun­gen glei­cher­mas­sen unter­stützt, und nicht jeder Lösungs­an­satz passt in jedes Land. Daher geben wir unse­ren Teil­neh­men­den auch keine Lösungs­an­sätze vor, sondern ledig­lich Werk­zeuge an die Hand, damit sie ihre eige­nen Lösun­gen finden. Mit dem bei uns Gelern­ten, sind kant­ha­ris in der Lage unab­hän­gig von äusse­ren Umstän­den soziale Probleme zu lösen. Auch wenn es manch­mal bedeu­tet, krea­tive Wege zu finden, um Wider­stände zu umgehen.

kant­hari Campus, Bild: zVg 

Sabriye Tenberken, Sie sind in jungen Jahren erblin­det. Wie hat das den Zugang zu den Kultu­ren, in denen Sie leben und lebten, geprägt?

ST: Ich habe früh erlebt, was es bedeu­tet, unter­schätzt zu werden. Als Kind glaubte ich selbst, vieles nicht zu können – bis ich auf ein Inter­nat für blinde Jugend­li­che kam, wo wir lern­ten, Gren­zen zu über­schrei­ten und Heraus­for­de­run­gen anzu­neh­men. Meine Blind­heit hat mich gelehrt, genau hinzu­hö­ren, klar zu kommu­ni­zie­ren und krea­tive Lösun­gen zu finden, was über­all hilft. Gleich­zei­tig habe ich erfah­ren, dass der Umgang mit Behin­de­rung stark von der jewei­li­gen Kultur abhängt. In eini­gen Ländern begeg­net man mir mit Skep­sis oder Mitleid, anderswo mit Respekt oder Neugier. Doch unab­hän­gig von kultu­rel­len Unter­schie­den bleibt eines gleich: Wir soll­ten Menschen nicht auf ihre Einschrän­kun­gen redu­zie­ren, sondern ihr Poten­zial sehen – das ist universell. 

Als Kind glaubte ich selbst, vieles nicht zu können.

Sabriye Tenberken

Sabriye Tenberken, Sie sind Deut­sche, Paul Kronen­berg, Sie sind Nieder­län­der – Weshalb haben Sie eine Stif­tung in der Schweiz gegründet?

PK: Vor Jahren besuchte ein Schwei­zer Unter­neh­mer unser Projekt in Tibet. Als wir ihm von unse­rer geplan­ten Trai­nings­farm für blinde Erwach­sene mit Bäcke­rei, Käse­rei und Land­wirt­schaft erzähl­ten, war er erst einmal skep­tisch. Einige Jahre kehrte er zurück und sah, dass wir die Farm erfolg­reich aufge­baut hatten. Beein­druckt entschied er sich, eine Stif­tung für uns in der Schweiz zu grün­den. Hier­für sowie für seine noch immer andau­ernde Förde­rung, sind wir sehr dank­bar. Neben dieser persön­li­chen Verbin­dung bietet die Schweiz als stabi­ler inter­na­tio­nal aner­kann­ter Stand­ort weitere Vorteile und ermög­licht uns, nach­hal­tig zu arbei­ten. Zudem haben wir hier viele wunder­bare Freunde gefun­den und sind für die grosse Unter­stüt­zung aus der Schweiz unheim­lich dankbar. 

Wie arbei­ten Sie mit ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen wie kant­hari Sticht­ing Neder­land oder dem Förder­kreis kant­hari e.v. in Deutsch­land zusammen?

PK: Der deut­sche Förder­kreis wurde bereits zu Beginn unse­rer Arbeit in Tibet von Freun­den und Fami­lie gegrün­det. Die nieder­län­di­sche und ameri­ka­ni­sche Stif­tung gehen – genau wie die Schwei­zer Stif­tung – auf gross­zü­gige Unterstützer:innen zurück. Im Gegen­satz zur kant­hari Foun­da­tion Switz­er­land werden sie ehren­amt­lich geführt. Die Gelder aus Deutsch­land, den Nieder­lan­den und den USA finan­zie­ren gemein­sam etwa die Hälfte der Stipen­dien für den kant­hari-Lehr­gang. Die kant­hari Foun­da­tion Switz­er­land ist unser gröss­ter Geld­ge­ber und über­nimmt die andere Hälfte der Stipen­dien sowie die Anschub­fi­nan­zie­rung für unsere Absolvent:innen. So ermög­li­chen wir ihnen, ihre bei kant­hari entwi­ckelte Lösung in der Praxis zu testen und eine stabile Basis für ihre Arbeit aufzubauen. 

Die Schweiz bietet als stabi­ler inter­na­tio­nal aner­kann­ter Stand­ort weitere Vorteile und ermög­licht uns, nach­hal­tig zu arbeiten.

Paul Kronen­berg

Wir freuen uns, über Ihre Anfra­gen und Ideen zu spre­chen und gemein­sam den sozia­len Wandel voran­zu­trei­ben. Nehmen Sie Kontakt mit uns auf, um mehr über unsere Bildungs- und Empower­ment-Programme zu erfah­ren: info@kanthari.ch

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